Klaus Wasmund
"The Kaiser: The Beast of Berlin"
"Schüsse auf die Seele" - der Erste
Weltkrieg als Geburtsstunde der Massenpropaganda
Die Wiener waren verblüfft. Sie trauten
ihren Augen nicht. Aus heiterem Himmel regneten am 9. August 1918
feindliche Flugblätter auf ihre Stadt hinab. Nach einem
fliegerischen Bravourstück war ein Geschwader der
italienischen Luftwaffe unter dem Kommando des Schriftstellers
Gabriele D'Annunzio bis in das Herz der Doppelmonarchie
vorgestoßen, um diese Propagandaaktion durchzuführen.
Im vierten Kriegsjahr herrschte bei den
Mittelmächten eine desolate Stimmung. In den vordersten Linien
und an der "Heimatfront" war die medienin- szenierte
Kriegsbegeisterung schon lange einer müden Resignation
gewichen. An diesem Punkt setzte die italienische
Propagandabotschaft an. In einer geschickt komponierten Mischung
aus Drohung und Schmeichelei wollte man auf diesem Wege die
Zivilbevölkerung zur Aufgabe überreden. Die Absicht:
hinter den Linien des Gegners die Moral zu untergraben, an
unterschwellige Ressentiments der Österreicher gegen die
"Preußen" (Piefkes) zu appellieren und einen Keil zwischen
Regierung und Volk zu treiben.
"Wiener! Lernt die Italiener kennen! Wenn wir
wollten, wir könnten ganze Tonnen von Bomben auf Eure Stadt
hinabwerfen, aber wir senden euch nur einen Gruß der
Trikolore, die Trikolore der Freiheit.
Wir Italiener führen den Krieg nicht mit
Bürgern, Kindern, Greisen und Frauen. Wir führen den
Krieg mit eurer Regierung, dem Feinde der nationalen Freiheit, mit
eurer blinden, starrköpfigen und grausamen Regierung, die euch
weder Brot noch Frieden zu geben vermag und euch nur mit Hass und
trügerischen Hoffnungen füttert.
Wiener! Man sagt von euch, dass ihr
intelligent seid, jedoch seitdem ihr die preussische Uniform
angezogen habt, seid ihr auf das Niveau eines Berliner Grobians
herabgesunken und die ganze Welt hat sich gegen euch gewandt. Wollt
ihr den Krieg fortführen? Tut es, wenn ihr Selbstmord begehen
wollt!..."
Dies Flugblatt ist nur ein Beispiel für
eine Vielzahl propagandistischer Aktivitäten während des
Krieges. Alle Mächte hatten erkannt, dass Kampfgeist und Moral
an der Front und in der Heimat wichtige Faktoren der
Kriegsführung sind. Die "Norddeutsche Allgemeine Zeitung"
brachte diese Erkenntnis 1918 auf die Formel: "Wer in Propaganda
spart, verschwendet Blut."
Der Erste Weltkrieg war die Geburtsstunde der
modernen Massenpropaganda. Ihr Merkmal war die optimale Nutzung der
gesamten zur Verfügung stehenden Technologie, die Einrichtung
professioneller Berater- und Propagandastäbe sowie die
zentrale Planung und Steuerung der Propagandaarbeit unter
Berücksichtigung der Erkenntnisse der modernen
Wirtschaftswerbung. Das Ziel dieser integrierten Aktivitäten:
durch Wort-, Bild- und Symbolmanipulation die Einstellungen und
Verhaltensweisen von Zielgruppen zu beeinflussen.
Zwar ist Kriegspropaganda ein uraltes
Phänomen. Sie läßt sich bis in die Antike
zurückverfolgen. Der Krieg 1914 bis 1918 leitete jedoch ein
neues Kapitel in der Propagandageschichte ein. Propaganda erhielt
eine neue Dimension und Qualität. Die moderne psychologische
Kriegsführung unterscheidet sich von früheren
Propagandaaktivitäten durch ihren hohen Grad an
Professionalisierung. Nie zuvor waren so viele menschliche Energien
und materielle Ressourcen investiert worden, um einen Krieg zu
verkaufen. Der Erste Weltkrieg bezog in einem bis dahin nicht
gekannten Ausmaß die Zivilbevölkerung - die damit auch zu
einer Zielgruppe der Propaganda wurde - in die Kriegsanstrengungen
ein. Er war dadurch zum totalen Krieg geworden.
Die Propagandaarbeit aller
kriegführenden Mächte konzentrierte sich im Wesentlichen
auf drei Ziele: den Kampfgeist und Durchhaltewillen der eigenen
Truppen sowie die Moral und Unterstützungsbereitschaft der
Zivilbevölkerung zu stärken; das neutrale Ausland von der
Legitimität der eigenen Sache zu überzeugen und für
sich zu gewinnen und den militärischen Gegner, insbesondere
seine Führung, zu demoralisieren und zu
diffamieren.
Im Dienste dieser Zielsetzungen wurden alle
zur Verfügung stehenden Massenkommunikationsmittel genutzt.
Neben der Presse, die natürlich ihren Tribut an die
Militärzensur zu entrichten hatte, überschwemmte eine
Welle von Plakaten, Flugblättern, "billboards",
Broschüren, Postkarten und Kriegsbilderbögen die
kriegführenden Länder. Von dieser Mobilmachung blieb das
jüngste Massenmedium Film nicht ausgenommen.
Das optische Zeitalter evozierte einen Krieg
der Bilder. Bild- und Textbotschaften überschlugen sich mit
Sieges- und Durchhalteparolen, patriotischen Appellen,
Spendenaufrufen für Kriegsanleihen,
Feindbildbeschwörungen, Gräuelszenarien. Für das
Unterhaltungsbedürfnis sorgten Kriegsausstellungen,
Karikaturen, patriotische Lieder, Reime, Jubel- und Spottgedichte,
Kriegsoperetten und -kabaretts und patriotische Spielfilme.
Varieté-Theater lieferten "Stimmungsbilder einer
weltgeschichtlichen Zeit". Selbst der obrigkeitskritische
"Simplizissimus" wollte da nicht zurückstehen und stellte sich
in den Dienst der vermeintlich "großen Sache". Englische und
französische Begriffe wurden aus dem deutschen Sprachschatz
getilgt. Auch die Wirtschaftswerbung militarisierte sich und nutzte
die Gunst der Stunde, um den Umsatz von Markenartikeln zu
steigern.
Propaganda wird durch Personalisierung
effektiver. Sie braucht Lichtgestalten und Feindbilder, um ihre
Sache zu verkaufen. Idealisierung und Perhorreszierung sind nur
zwei Seiten derselben Medaille. In Deutschland gehörten zu den
Lieblingen der Propaganda der Kaiser und Hindenburg, der "Sieger
von Tannenberg". Für die Entente war Wilhelm II. dagegen das
Anti-Symbol (Sigmund Freud) schlechthin ("Hang the Kaiser"). Er
wurde als Schlächter dargestellt, von Tod und Teufel
umgeben.
Das Grundschema der Propaganda war bei allen
kriegführenden Mächten nahezu identisch. Im Mittelpunkt
stand die Verherrlichung und Idealisierung des eigenen Landes und
seiner Soldaten und der hinter ihnen stehenden gerechten Sache oder
höheren Idee. Der Feind war die absolute Minusfigur. Er wurde
lächerlich gemacht, karikiert, verteufelt, dämonisiert,
entmenschlicht, zur bösen Bestie stilisiert und als moralisch
minderwertig diskreditiert. Und jede Seite nahm den lieben Gott
für ihre Sache in Anspruch ("Gott strafe England").
Selbsternannte Kulturpropagandisten wie Richard Dehmel
betätigten sich als chauvinistische Verseschmiede:
"Der Kaiser, der die Flotte schuf, / der
steht mit Gott im Bunde, / denn das ist Deutschlands Weltberuf: /
es duckt die Teufelshunde."
Produkte verkaufen sich besser, wenn
Autoritäten für ihre Qualität bürgen. Gelehrte,
Künstler und Schriftsteller standen Schlange, um ihre
Reputation in den Dienst der "gerechten Sache" zu stellen. Es war
die Stunde der Kulturpropagandisten. Deutsche "Kultur" kämpfte
gegen angelsächsische "Zivilisation". Das Vaterland rief und
alle kamen: Gerhart Hauptmann, Richard Dehmel, Alfred Kerr, Thomas
Mann, Max Liebermann, Max Reinhard, Friedrich Naumann, Max Planck,
der Philosoph und Psychologe Wilhelm Wundt. Der Nationalökonom
Werner Sombart reduzierte den britischen und deutschen
"Nationalcharakter" auf die griffige Chiffre "Händler und
Helden".
Gebrauch und Nutzen der Propaganda wurden in
der politisch-militärischen Führung der
kriegführenden Mächte zunächst sehr unterschiedlich
beurteilt. Im Gegensatz zu den westlichen Demokratien stand die
deutsche Führung dem Einsatz der "Propagandawaffe" anfangs
skeptisch-zurückhaltend bis ablehnend gegenüber.
Propaganda wurde in der Militärführung als etwas
Unehrenhaftes gesehen. Die Oberste Heeresleitung (OHL) setzte
"heroisch" einzig und allein auf den Erfolg der Waffen. Dabei hatte
schon Clausewitz auf die Bedeutung der Moral im Heere hingewiesen.
So wurde der Abwurf von Flugblättern lange Zeit von den
Mittelmächten abgelehnt. Man sah darin einen Verstoß
gegen das Kriegsrecht. Dementsprechend wurden britische Piloten,
die seit Ende 1915 Flugblätter über deutschen Stellungen
abwarfen, bei Gefangennahme von deutschen Kriegsgerichten
verurteilt. Erst gegen Kriegsende, im September 1918, kam es zu
Abwürfen deutscher Flugblätter hinter den alliierten
Linien.
Langatmige Kampagnen
Als die Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende
("Weihnachten sind wir wieder zu Hause") schwand, setzte auch bei
der OHL ein Umdenken in der Propagandafrage ein. Doch blieb die
deutsche Propaganda in erster Linie defensiv ausgerichtet. Die vom
Gegner in die Welt gesetzten Gräuelgeschichten versuchte man
durch langatmige Informationskampagnen zu
entkräften.
Die ersten Anstöße für den
Aufbau eines effektiveren Propagandaapparats kamen von ziviler
Seite. Der Bremer Kaffeekaufmann Ludwig Roselius wollte die
Erfahrungen von Handel und Werbeindustrie nutzbar machen, drang
letztlich mit seinen Vorschlägen aber nicht durch. Der Verein
deutscher Werbefachleute schrieb Mitte 1917: "In diesen Tagen ist
hinter den Fronten viel von Kriegs- und Angstpsychosen des Volkes
zu merken, zu hören, zu lesen. Man glaubt an das geschriebene
Wort und vergißt das viel mächtigere Bild: Das Bild, das
die Massen beleben kann im Vorbeigehen... Warum machen wir's nicht
wie die Feinde - wie deren Regierungen - und reden mit unserem
Volke mit derben Bildern?"
Die OHL sah es als unter ihrer
militärischen Würde an, die Gräuelpropaganda ihrer
Feinde mit gleicher Münze heimzuzahlen. Wenn die deutsche
Kriegspropaganda im Vergleich zu der alliierten
Gräuelpropaganda verhältnismäßig
zurückhaltend war, so heißt das nicht, dass die Deutschen
auf diesem Gebiet Unschuldslämmer waren. Verbales
Säbelrasseln, Chauvinismus und einfältiger
Hurrapatriotismus nach dem Motto "Immer feste druff" und "Wir
Deutschen fürchten Gott und sonst absolut nichts und niemanden
auf der Welt!" (Kaiser Wilhelm II. ) gab es en masse.
Die Propaganda der Entente-Mächte setzte
von Anfang an auf den Appell an Emotionen. Sie schreckte nicht
davor zurück, Gräuelgeschichten zu erfinden und
Schreckensszenarien aufzubauen.
Die völkerrechtswidrige Besetzung
Belgiens, Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung und
Geiselerschießungen sowie die Zerstörung Löwens mit
seiner unersetzbaren Bibliothek lieferten der Entente einen
willkommenen Anlass, um die "Hunnen" als Vertragsbrecher,
Kulturschänder und Tyrannen zu brandmarken.
Gräuelgeschichten wurden erfunden und bildlich umgesetzt, um
die Massen im eigenen Lande zu emotionalisieren und den "heiligen
Hass" auf die Deutschen zu schüren.
Neben der Torpedierung der "Lusitania" war es
die Exekutierung der britischen Krankenschwester Edith Cavell, die
die antideutsche Stimmung zum Kochen brachte. Edith Cavell war im
Oktober 1915 von einem deutschen Militärgericht zum Tode
verurteilt und erschossen worden, weil sie Kriegsgefangenen zur
Flucht verholfen hatte.
Das Flaggschiff unter den Propagandamedien
war das Plakat. Die Werbevorteile lagen auf der Hand. Es
drängt sich dem Passanten nolens volens auf. Es ist permanent
optisch präsent. Es reduziert komplizierte und/oder abstrakte
politische Sachverhalte auf einfache Bildaussagen, Symbole und
Parolen. Der Einsatz von Farbe verstärkt die visuelle
Wirkung.
Die deutsche Propaganda hat einige Zeit
gebraucht, um ihre langatmig argumentierenden Textplakate durch
Bildplakate abzulösen. Als mit zunehmender
Kriegsmüdigkeit die Begeisterung für die Zeichnung von
Kriegsanleihen merklich nachließ, führte die
zuständige Reichsbank eine groß angelegte Werbekampagne
durch. Für die im Frühjahr 1917 aufgelegte sechste
Kriegsanleihe wurde zum ersten Mal mit einem Bildplakat geworben.
Es richtete sich mit der lapidaren Parole "Helft uns siegen!" an
die Bevölkerung. Abgebildet ist ein "Feldgrauer" im
Stacheldrahtverhau, den Blick heroisch-verklärt in die Ferne
gerichtet. Die umgehängte Gasmaske, die Handgranate im Koppel,
aber auch der abgekämpfte Gesichtsausdruck deuten auf die
Härte des Krieges hin. Das Ziel des Plakats, den Passanten
emotional anzusprechen, wurde offensichtlich seinerzeit erreicht.
Denn die kontinuierlich abnehmende Zeichnungsbereitschaft in der
Bevölkerung wurde erstmals aufgehalten.
Da alle kriegführenden Mächte vor
denselben Problemen standen, waren die Topoi und Pathosformeln der
Plakatbotschaften ziemlich ähnlich. Plakate sollten
Siegesgewißheit verbreiten, die Moral der Soldaten und der
Bevölkerung heben, die Legitimität des
(Verteidigungs-)Krieges herausstellen, Bilder vom Feind zu
Feindbildern umdeuten, die Bereitschaft zur Zeichnung von
Kriegsanleihen steigern, zu Spenden, Rohstoffsammlungen und zum
Energiesparen aufrufen; und last, but not least Freiwillige
rekrutieren (in Großbritannien und den USA gab es anfangs
keine Wehrpflicht).
Dementsprechend ähnelte sich die
bildlich-grafische Umsetzung dieser Appelle. Die Welt war
aufgeteilt in Gut und Böse. Plusfiguren standen gegen
Minusfiguren. Die eigenen politischen und militärischen
Führer wurden als selbstlose Helden und Retter der Nation
dargestellt. Der Feind erschien blutrünstig, bösartig,
hinterhältig, verschlagen, brutal und sadistisch. Im besten
Falle war er eine lächerliche Witzblattfigur. Die eigenen
Soldaten dienten dagegen tapfer, selbstlos, human,
vaterlandsliebend und ohne moralischen Makel ihrem Vaterland. Opfer
des Feindes sind meist unschuldige Frauen (zum Teil durch
sadistische Übergriffe einzelner Soldaten) und kleine Kinder.
Verteidigt werden das Vaterland, höchste Werte sowie Frauen
und Kinder.
Die visuelle Selbstdarstellung gipfelte in
Verharmlosung, Idealisierung und romantischer Verklärung des
Krieges. Beliebt war der Rückgriff auf Metaphern und
Allegorien: hehre Lichtgestalten und edle Ritter, die mutig Drachen
töteten oder Schlangengezücht die Köpfe abschlugen,
wobei die Ungeheuer immer den Feind symbolisierten. Schwere
Kriegsverletzungen waren tabu. Die blutige Realität der
Schützengräben und Materialschlachten wurde
selbstverständlich ohnehin in der Propaganda ausgespart -
sonst wäre es keine Propaganda gewesen.
Auch das junge Massenmedium Film wurde zum
Kriegsdienst eingezogen. Auf allen Seiten sollten
vaterländische Erbauungs- und Durchhaltefilme Kampfwillen und
Opferbereitschaft stärken. Wochenschauen berichteten -
zensiert - regelmäßig über das
Kriegsgeschehen.
In Deutschland wurden Dutzende patriotischer
Erbauungsstreifen und Militärschwänke gedreht, die das
Volk in Hurrastimmung halten sollten. Die Zugkraft dieses Genres
sollte durch den Einsatz populärer Stars wie Henny Porten,
Adele Sandrock oder Emil Jannings verstärkt werden.
Doch die Realität des Krieges ließ
die Begeisterung für patriotische Erbauungsfilme rasch
zurückgehen. Die Kriegsmüdigkeit im berüchtigten
Kohlrübenwinter verlangte neue Initiativen. Ludendorff, der
"heimliche Diktator", erkannte, dass die Zersplitterung der
deutschen Filmwirtschaft einer effizienten Filmpropaganda im Wege
stand. Auf Vorschlag Ludendorffs wurde Anfang 1917 das staatliche
Bild- und Filmamt (Bufa) gegründet. Es war als
Gegenmaßnahme zur der als sehr erfolgreich angesehenen
Filmpropaganda der Alliierten geplant. Aufgabe des Filmamtes war
die Überwachung der gesamten heimischen Filmproduktion und die
filmische Versorgung der Bevölkerung mit Wochenschauen, Spiel-
und "Dokumentarfilmen".
Ludendorffs Pläne gingen jedoch weit
über die Einrichtung des Filmamtes hinaus. Ihm schwebte ein
großer, den nationalen Interessen dienender Filmkonzern an der
langen Leine der öffentlichen Hand vor. Im Juli 1917
begründet Ludendorff in einem Schreiben an das
Kriegsministerium seine Initiative: "Der Krieg hat die
überragende Macht des Bildes und Films als Aufklärungs-
und Beeinflussungsmittel gezeigt. Leider haben unsere Feinde den
Vorsprung, den sie auf diesem Gebiet hatten, so gründlich
ausgenutzt, dass schwerer Schaden für uns entstanden ist." So
kam es im Dezember 1917 durch den Zusammenschluss privater
Filmunternehmen zur Gründung der Ufa.
Scharf gezeichnete Feindbilder
Im Gegensatz zu den wenig einfallsreichen
deutschen Streifen setzte die angelsächsische Filmindustrie
auf Emotionen und scharf gezeichnete Feindbilder. Die "Hunnen"
werden als Bestien mit Schnauzbart und Pickelhaube dargestellt,
deren Instinkte ständig auf Vergewaltigung und Zerstörung
ausgerichtet sind. Am Ende können die Übeltäter
ihrer Strafe jedoch nicht entgehen. Die Opfer deutscher Gewalttaten
werden bisweilen durch Rache oder Selbstjustiz gesühnt. Die
martialischen Filmtitel diktierten den Plot: "The Kaiser: The Beast
of Berlin", "Wolves of Kultur", "Outrage", "To Hell with the
Kaiser" oder "The Claws of the Hun". Nahezu ausnahmslos waren die
filmischen Hassfantasien mit sexuellen Motiven
unterlegt.
In amerikanischen Kinos wurden die
Botschaften von der Leinwand durch "Four-Minute-Men"
verstärkt. Diese hatte die Aufgabe, den vierminütigen
Wechsel der Filmrollen in den "Nickelodeons" mit kurzen
patriotischen Reden auszufüllen - ein sehr erfolgreiches
Konzept der "face-to-face-communication". 75.000 Sprecher waren
unermüdlich in Kinos, auf öffentlichen Plätzen und
Veranstaltungen im Einsatz, um die Nation auf den "Great War"
einzuschwören.
Sehr bald nach der Kapitulation setzte die
Ursachenforschung für die militärische Niederlage ein.
Die Militärs, allen voran Ludendorff, hatten schnell
Sündenböcke gefunden, um vom eigenen Versagen abzulenken.
Danach habe der Dolchstoß der Heimat dem im "Felde unbesiegten
Heer" den Todesstoß versetzt. Wie Siegfried durch den
Speerwurf Hagens sei das ermattete Heer durch die Heimat
hinterrücks gemeuchelt worden. Der andere Grund wurde - so
Ludendorff - in der Überlegenheit und Skrupellosigkeit der
alliierten Propaganda gesehen, der die Deutschen nichts
entgegenzusetzen hatten. Beide Legenden wurden vor allem von
rechten und nationalistischen Kreisen sowie der NSDAP zur
Stimmungsmache und Meinungsmanipulation in der Weimarer Republik
verwendet. Die Richtung hatte Hitler in "Mein Kampf" vorgegeben.
Hitler hatte dort die deutsche Weltkriegspropaganda scharf
kritisiert. Die Mittelmächte hätten propagandistisch nur
"fades Pazifistenspülwasser" produziert. Damit sei es nicht
gelungen, "Menschen zum Sterben zu berauschen". Die feindliche
Angst- und Gräuelpropaganda sei dagegen "psychologisch
richtig, vorbildlich und wirksam" gewesen.
Die Wirksamkeit von Propaganda wurde in der
Diskussion der Weimarer Zeit überschätzt. Propaganda kann
niemals kriegsentscheidend sein. Sie kann informieren,
Einstellungen verstärken, motivieren, die Moral stärken
oder unterminieren, den Durchhaltewillen bekräftigen,
einschüchtern, aber keine Schlacht gewinnen. Kriege werden
durch militärische Überlegenheit, strategische Vorteile
und das größere ökonomische Potential
entschieden.
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