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Corinna Emundts
Das Bewusstsein muss sich ändern
Was sagen CDU und Grüne?
Zum parteipolitischen Streit taugen die Alten der Gesellschaft
nicht, bei diesem Thema existiert sie schon, die viel diskutierte
schwarz-grüne Koalition. Allenfalls die Schwerpunkte und
Geschwindigkeit des Herangehens an das Thema sind verschieden. Beim
Thema Wohnen im Alter schimmert die unterschiedliche
sozio-kulturelle Herkunft der Parteien durch: Die Grünen
befassen sich offensiver mit den neuen Wohnformen, vor allem den
Wohngemeinschaften der neuen Alten. Die Union konzentriert sich
mehr auf die Probleme im Pflegeheim.
Die CDU/CSU will sich, wie sie kürzlich auf einer
Klausurtagung vereinbart hat, der Förderung aktiver Senioren
im Arbeitsmarkt, der Situation in der Altenpflege und dem Thema von
"Sterben in Würde" zuwenden. Bei letzterem wollen die beiden
Schwesternparteien die Empfehlungen der Bundestags-Enquête
"Ethik und Recht in der modernen Medizin abwarten", um sich dann
parallel für den Ausbau der Palliativ-Medizin und der
Sterbehospize einzusetzen. Bei der Umsetzung des Heimgesetzes
bemängelt die seniorenpolitische Sprecherin der
Unionsfraktion, Maria Eichhorn, "dass immer mehr Zeit der
Pflegekräfte für Bürokratie verwendet werden muss
und immer weniger Zeit für die eigentliche Pflege und
Zuwendung bleibt." Bei den gesunden, aktiven Senioren will man sich
für eine höhere Beschäftigungsquote einsetzen.
Beim Vorsitzenden der eigentlichen Senioren-Union ist der Ton,
wenn es um den Umgang der Politik mit dem Alter geht, wesentlich
schärfer. Der Finanzrechtler Otto Wulff, 71, ist selbst noch
als Honorarprofessor an der Universität tätig und kann
sich über die geltende Gesetzgebung der Altersgrenzen
regelrecht echauffieren. "Man wird doch nicht automatisch dumm,
wenn man 75 Jahre alt ist", sagt er. Deswegen sei es nicht zu
verstehen, warum ein 75-Jähriger nicht mehr als
öffentlicher Gutachter für Gerichte arbeiten kann.
"Gleichzeitig wird ein 74-Jähriger als Präsident des
Obersten Gerichtshofes der Vereinten Nationen für sechs Jahre
gewählt."
Wulff will der Politik Druck machen. Die seit 1988 existierende
Senioren-Union, in die CDU-Mitglieder eigens erklären
müssen einzutreten, hat unter Wulffs Leitung ein Gutachten bei
Verfassungsrechtlern an der Universität Köln in Auftrag
gegeben. Dabei soll die Verfassungsmäßigkeit der
Diskriminierung Älterer im Berufsleben untersucht werden.
Wulff legt Wert darauf, dass dies aus den Beiträgen der rund
75.000 Mitglieder finanziert wird, um unabhängig von der
Mutterpartei zu sein. Er traut weder der Bundestagsfraktion
über den Weg, was die Abschaffung der Altersdiskriminierung
angeht, noch dem Bundestag bei der Umsetzung der
EU-Antidiskriminierungsrichtlinie, die auch alte Menschen
umfasst.
Wulff betont aber auch, dass sich im Bewusstsein der Menschen
etwas ändern muss, was sich nicht so leicht per Gesetz
verordnen lässt: "Wir müssen die Vorurteile abschaffen,
dass Alter etwas damit zu tun hat, überflüssig zu sein."
Die Zwangsverrentung habe etwas mit Altersstereotypen zu tun, die
im tatsächlichen Leben nicht existierten. Immerhin, gesteht er
der Union zu, habe sich unter der Parteivorsitzenden Angela Merkel
viel im Bewusstsein der Partei geändert: "Sie hat das Thema
erkannt, und jetzt wird es endlich ernst genommen."
Merkel denkt sogar über eine Steuer als
Alterssolidaritätszuschlag für das Gesundheitswesen nach,
damit nicht nur "die gesetzlich Krankenversicherten bis zur
Beitragsbemessungsgrenze zur Solidarität beitragen, sondern
alle Bürger mit ihrem Einkommen einen Beitrag zur
Solidarität leisten". Sowohl CDU als auch CSU sähen den
Kernpunkt, dass für eine alternde Gesellschaft besondere
Vorbereitungen getroffen werden müssten, sagt die
50-jährige CDU-Vorsitzende. "Wie diese Rücklagen gebildet
werden, darüber diskutieren wir gerade." Anders als die
grüne Bundestagsfraktion, die im August dieses Jahres bereits
eine umfassende Zukunftstagung zum Thema "Alt und Jung: Zukunft
gemeinsam gestalten" veranstaltete, befasst sich die Union eher
noch in einzelnen Ausschnitten mit der alternden Gesellschaft.
Dafür lud die parteinahe Konrad-Adenauer-Stiftung die
seniorenpolitische Sprecherin der Grünen im Parlament,
Irmingard Schewe-Gerigk, zu einem Vortrag bei ihrer Tagung zum
Thema "Alter als Chance und Herausforderung" an den Comer See ein,
über Altersdiskriminierung zu sprechen. Für
Schewe-Gerigk, die zehn Jahre lang Mitglied in der Enquête zum
demografischen Wandel war, ist es "eine späte Befriedigung,
dass endlich die Ergebnisse, die zunächst keinen
interessierten, jetzt gebraucht werden". Nun könne man endlich
politisch handeln. Es müsse als Alternative zu den
Altersheimen über neue Wohnformen im Alter nachgedacht werden
und alles aussortiert werden, was an gesetzlichen Hindernissen
bestehe. Zudem sieht Schewe-Gerigk den Arbeitsmarkt als zentrales
Handlungsfeld für die Politik der alternden Gesellschaft. "Die
älteren Arbeitnehmer werden künftig mehr gebracht denn
je", deswegen müssten auch hier gesetzliche Hürden
abgeschafft werden, wie etwa das Senioritätsprinzip im
öffentlichen Dienstrecht. Künftig werde sich das Prinzip
durchsetzen müssen, nach Leistung zu bezahlen, nicht nach
Altersgruppe.
Zudem heißt es in einem Konzeptpapier der Grünen zur
alternden Gesellschaft: "Die Zukunfts- und
Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes wird nicht zuletzt von der
Stärkung der Familien abhängen." Dazu gehörten auch
neue Betätigungsmöglichkeiten für die sogenannten
"jungen Alten". Eine alternde Gesellschaft könne nur innovativ
bleiben, wenn es ihr gelinge, das Erfahrungswissen Älterer
für technologische und wissenschaftliche Innovationen und
für gesellschaftliche Erneuerungsprozesse nutzbar zu machen
und "Formen für ein fruchtbares Zusammenarbeiten von
Jüngeren und Älteren zu finden."
Corinna Emundts ist freie Journalistin in Berlin und schreibt
unter anderem für die "Frankfurter Rundschau".
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