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Josef-Thomas Göller
Condy Rice wird Bushs Kissinger
Der US-Präsident wird nach der
Kabinettsumbildung wohl doch neue Akzente setzen
George W. Bush räumt auf. Nach seinem
deutlichen Wahlsieg verlor der amerikanische Präsident keine
Zeit, für seine künftige Politik zahlreiche neue Weichen
zu stellen. Eine Rücktrittsflut im Bush-Kabinett setzte
bereits mit Justizminister Ashcrofts Ausscheiden nach dem 2.
November, dem Wahltag, ein. Präsident Bush wird also nicht so
weiter regieren wie bisher. Grundsätzlich ist dies ein gutes
Zeichen - "at home and abroad", zu Hause und für das Ausland.
Allerdings entstehen wieder neue Unwägbarkeiten, auf die sich
vor allem die Außenwelt einstellen muss.
Die wichtigste Neustrukturierung erfolgte in
der Außenpolitik. Der bisherige Außenminister Colin
Powell geht. Keine Überraschung. Überraschend war
vielmehr, dass der Ex-General überhaupt so lange Chef-Diplomat
der Vereinigten Staaten blieb, lag er doch seit mindestens drei der
vergangenen vier Jahre nicht auf der Linie des Präsidenten.
Dennoch: Er hatte es geschafft, sein eigenes Profil zu finden, das
des "getreuen Ekkehard". Sein Image war im Laufe der Zeit aus der
Sicht des Weißen Hauses so stark "beschädigt", dass man
im Ausland Mitleid mit ihm hatte. Mit einem derartigen Image aber
ist keine überzeugede Politik zu machen. Zwar hat niemand in
Washington den sanften Powell aufgefordert zu gehen. Als er seinen
Rücktritt anbot, hat ihn aber auch niemand gebeten zu bleiben.
Eines ist klar: Es war an der Zeit, das amerikanische
Außenministerium wieder auf die eigentliche Regierungspolitik
einzuschwören; Außenminister haben immer und in jedem
Land die Tendenz, sich zu verselbständigen. Wenn die Differenz
zum Regierungschef so groß wird, wie im Falle Powells zu Bush,
müssen fairerweise Konsequenzen gezogen werden. Ab Mitte
Januar wird also Condoleezza Rice die Nachfolge im Department of
State antreten.
Wer glaubt, dass die Chef-Denkerin des
Weißen Hauses damit ein Stück entmachtet wird, irrt sich.
Die Rolle der bisherigen Sicherheitsberaterin wird vielmehr
aufgewertet. Wie einst Henry Kissinger, der unter Präsident
Nixon vom Sicherheitsberater zum Außenminister aufstieg, so
wird auch die smarte Condy Rice nun der amerikanischen
Außenpolitik zu neuer Power verhelfen. Noch in seinen letzten
Amtswochen zeigt Powell die neue Richtung auf: Seine erste Reise
nach der Präsidentenwahl führte ihn in den Nahen Osten.
Dort wird künftig der Schwerpunkt von Frau Rice liegen. Der
Tod Arafats hat den Weg für eine echte neue Nahost-Initiative
der Amerikaner frei gemacht. Die USA waren ja seit Jahren nicht
mehr bereit, mit dem Palästinenser-Chef zu reden. Kaum war er
gestorben, hat Bush erneut verkündet, die Palästinenser
brauchten einen eigenen Staat. Von vielen übersehen worden
ist, dass er der erste amerikanische Präsident ist, der stets
öffentlich auf das Recht der Palästinenser pochte, in
einem Staat zu leben, "der über ein zusammenhängendes
Gebiet" verfügt. Sehr zum Missfallen der derzeitigen
israelischen Regierung unter dem Hardliner Sharon.
Auch wenn dies in Washington in den
vergangenen vier Jahren nie zugegeben worden ist, hat die
Bush-Regierung längst erkannt, dass die Stabilisierung des
Iraks als freier Staat viel besser gelingen kann, wenn den
islamistischen Terroristen in den Augen der Araber das Argument
entzogen werden kann, die USA seien einseitig pro Israel und
anti-arabisch.
Bush hat nun vier Jahre Zeit, jenen Traum zu
verwirklichen, der Bill Clinton durch die Alles-oder-Nichts-Politik
Arafats versagt blieb: nach 60 Jahren Frieden zu schaffen zwischen
Israelis und Palästinensern. Die Chancen hierfür sind
zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt besser denn je. Denn auch
Syrien, das bisher eine unsägliche Rolle im Nahost-Konflikt
als Basis und Unterstützer der Hamas-Terroristen spielte,
fühlt den Druck der Amerikaner wie nie zuvor. Seit dem Sturz
Saddam Husseins sind die Amerikaner mit ihren 130.000 Soldaten
gewissermaßen Nachbarn Syriens. Das beinhaltet, richtig
angepackt, auch für die Syrer eine Chance - nämlich auf
die Zurückgewinnung zumindest des größeren Teils der
von Israel besetzten Golan-Höhen.
Das Jahr 2005 wird zeigen, ob der seit sechs
Jahrzehnten die Welt in Atem haltende Nahostkonflikt endlich
beendet werden kann. Der Wille dazu ist seitens der USA wieder so
groß wie zum Ende der Amtszeit Clintons. Und Condoleezza Rice
fällt neben Präsident Bush dafür eine
Schlüsselrolle zu. Wir werden eine Reisediplomatie der
künftigen Außenministerin erleben, wie sie einst nur
Henry Kissinger fähig war auszuüben.
Inscha'allah!
Einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der
neuen Nahost-Initiative der Amerikaner wird außerdem der
Auslandsgeheimdienst CIA leisten müssen. Sein Versagen, die
amerikanische Welt über die arabische Welt richtig
aufzukären, zeigte sich nicht nur im Vorfeld der
Terroranschläge vom 11. September 2001, sondern erneut vor der
anglo-amerikanischen Invasion des Iraks. Daraus hat Bush bereits im
Sommer Konsequenzen gezogen und den CIA-Chef George Tenet im Juni
2004 zum Rücktritt veranlasst. Der von ihm
interimsmäßig eingesetzte republikanische Congressman
Porter Goss, früher selbst CIA-Agent, wurde kürzlich
offiziell zum neuen Direktor der Agency bestellt. Goss hat umgehend
eine personelle Umstrukturierung der CIA durchgeführt, die an
sowjetische Säuberungen des KGB erinnert. Er feuerte zwei
Top-Abteilungsleiter: den stellvertretenden CIA-Direktor John
McLaughlin und Michael Scheuer, der hauptsächlich
zuständig für die Jagd nach Bin Laden war. Weitere
umfangreiche personelle Veränderungen werden
erwartet.
Goss will mit der CIA den "War on Terror"
für "Frieden und Freiheit in der Welt" aggressiver führen
und natürlich endlich des Erz-Terroristen Bin Laden habhaft
werden. Michael Scheuer galt innerhalb des amerikanischen
Nachrichtendienstes als Defätist, veröffentlichte er doch
Anfang des Jahres das Buch "Imperial Hybris", in dem er das
Vorgehen der USA gegen Islamisten heftig kritisierte.
Selbst der einstige Gegner von George Bush,
der namhafte republikanische Senator John McCain, lobte die
Säuberungsaktion. Er bezeichnete die CIA als
"schwerfällig und illoyal" gegenüber dem
Präsidenten. Schützenhilfe kam auch von Senator Lindsey
Graham, der der CIA vorwarf, dem Land mit falschen Informationen
über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak "schwer
geschadet" zu haben. Für das Irak-Desaster ist also nun ein
Sündenbock gefunden worden, der nicht in der Nähe des
Präsidenten zu suchen ist.
Jener Mann allerdings, der tatsächlich
für den "Irrtum" verantwortlich ist, der bisherige
stellvertretende Sicherheitsberater Stephen Hadley, wird nun
Nachfolger von Condoleezza Rice. Hadley nämlich war es, der
angeblich gegen den Rat des damaligen CIA-Direktors Tenet dem
Präsidenten mehrfach in seine Reden schrieb, der Irak habe
versucht, Uran aus Nigeria zu kaufen - und den USA lägen
darüber Beweise vor. Wie sich wenige Monate nach der Invasion
herausstellte, entbehrte diese "Information" jeder Grundlage. Warum
also bleibt Hadley und wird sogar noch befördert? Weil er
damals Bush jenes Argument lieferte, wonach der Präsident
offenbar gedürstet hatte und weil Bush stets mehr die
Loyalität seiner Mitarbeiter schätzt als kritische
analytische Fähigkeiten. Das ist und bleibt eine der
großen Schwächen des Präsidenten George W.
Bush!
Seine zweite Amtszeit wird allerdings im
Großen und Ganzen davon gekennzeichnet sein, dass er einen
ernsthaften Versuch unternehmen wird, auf die Weltgemeinschaft
zuzugehen. Bush braucht für eine Beruhigung der Lage und einen
dauerhaften Erfolg im Irak die Vereinten Nationen. Sprich:
Gebraucht wird eine substanzielle Zahl von Peace-Keepern namhafter
Staaten wie Russland, Frankreich und Deutschland - die eigentlichen
Gegner der anglo-amerikanischen Irak-Invasion. Russland ist
gewissermaßen schon weichgeklopft. Aufgrund der anhaltenden
Terroranschläge tschetschenischer Islamisten hat sich Moskau
der Bush-Regierung beträchtlich angenähert. Zwar
dürfte die Entsendung von russischen Friedenshütern in
den Irak auszuschließen sein. Womit Bush allerdings rechnen
kann, ist, dass Moskau kein erneutes "Njet" zu einer UN-Resolution
aussprechen wird, die zur Unterstützung des Iraks auffordert.
Eine solche Resolution des UN-Sicherheitsrates ist für 2005 zu
erwarten. Die amerikanische Regierung wird bei den Vereinten
Nationen für eine in ihrem Interesse "geeignete"
Internationalisierung der Friedenssicherung im Irak
werben.
Dafür ist auch die Unterstützung
Deutschlands - obwohl keine Veto-Macht - immer wieder im
Gespräch. Wer sonst als das reiche Deutschland ist in der
Lage, substanzielle Aufbauhilfe und Friedenssicherung zu leisten?
Aus diplomatischen Kreisen der USA war zu erfahren, dass
Präsident Bush nach seiner erneuten Amtseinführung am 21.
Januar 2005 deshalb nach Europa, respektive Berlin reisen wird, um
erneut den Versuch zu unternehmen, Kanzler Schröder zu einer
Zusammenarbeit zu bewegen. Über Schröder sollen dann
möglicherweise auch die Franzosen umgestimmt werden. Reines
Diplomaten-Gerücht?
Auch für Innenpolitik hat sich der
Präsident vorgenommen, neue Wege zu gehen und lange
Vernachlässigtes endlich anzupacken. Dafür mussten drei
Minister gehen: die für Landwirtschaft, für Energie und
für Bildung. Gerade sein hehres Bildungsziel "leave no child
behind" (kein Kind soll in der Schulbildung zurückbleiben),
mit dem er im Jahr 2000 antrat, ist weit davon entfernt,
Realität zu werden. Obwohl die USA in der PISA-Studie der OECD
sieben Plätze vor Deutschland liegen - hauptsächlich
aufgrund von privaten Eliteschulen - gibt es in den sozialschwachen
Teilen der Großstädte einen Bildungsnotstand, der mit
Ländern der Dritten Welt vergleichbar ist. Bushs zweite
Amtszeit muss dringend stärker von der Innenpolitik
geprägt werden, zum Wohle der USA - und der Welt.
Vielleicht kann der Rücktritt des
bisherigen Justizministers, des erzkonservativen und
tiefgläubigen Christen Ashcroft, als ein Zeichen dafür
gewertet werden, dass Bush innenpolitisch einen weicheren Kurs
fahren will als bisher. Bei der Stammzellenforschung - die
Verwendung von abgetriebenen Embryonen zu Forschungs- und
Entwicklungszwecken - hat sich die Bush-Regierung dagegen
ausgesprochen. Aber der politische Druck seitens mächtiger
Interessengruppen für die Erforschung bestimmter Krankheiten,
wie zum Beispiel Parkinson und Amyotrphic Lateral Sclerosis (ALS),
und auch der Befürworter der In-vitro-Befruchtung, wächst
gewaltig. Der betont religiöse Präsident wird da zum
Beispiel im Time-Magazine von einer Frau aus Illinois gefragt:
"Denjenigen, die Gott in diese Diskussion einbringen, möchte
ich sagen: Wurde uns nicht gelehrt, dass alle diese Dinge in dieser
Welt von Gott kommen, also auch die Stammzellenforschung?" "In God
we trust - wir vertrauen auf Gott", heißt seit 200 Jahren das
Motto der USA!
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