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Das Parlament
Nr. 49 / 29.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Jutta Witte

Erbitterter Streit um Schulgesetz

Hessen: "Grabstein oder Meilenstein" für die Schulentwicklung

Rund 74.000 Unterschriften enthalten die Kartons, die SPD und Grüne vor Beginn der Debatte in den Plenarsaal schleppen. Eltern, Lehrer und Schüler - zusammengeschlossen im Bündnis "Es geht um unsere Schule" - protestieren gegen das neue hessische Schulgesetz, das am 26. November in dritter Lesung verabschiedet wurde. Und weil auf den Paketen auch noch der Name der Initiative steht, kennt CDU-Landtagspräsident Norbert Kartmann überhaupt keinen Humor: Die Kartons werden weggeräumt. Vor allem beim Thema Schulpolitik sind die ideologischen Gräben traditionell tief im hessischen Landtag. So stößt der von Kultusministerin Karin Wolff vorgelegte Entwurf auf erbitterten Widerstand aller Oppositionsparteien.

"Insgesamt hat der Entwurf nur Gegner produziert", bilanziert die schulpolitische Sprecherin der FDP, Dorothea Henzler. "Inhaltlich und formal durchgefallen", lautet ihr Urteil. FDP, SPD und Grüne werfen Kultusministerin und CDU-Mehrheit nicht nur ein "ungeordnetes parlamentarisches Verfahren" und "schlampige Vorlagen" vor. Das so genannte dritte Gesetz zur Qualitätssicherung an hessischen Schulen, so die Kritik der Opposition, fördere Selektion statt Integration, gefährde die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen und "zementiere den bei PISA festgestellten Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg".

Das Gesetz, das Anfang 2005 in Kraft treten soll, ist für Wolff jedoch keinesfalls ein "Grabstein" für die Schulentwicklung, wie die SPD warnt, sondern ein "Meilenstein". Der Entwurf sieht neben einer umfassenden Reform der Lehrerbildung Änderungen im Schulgesetz vor, die nach Überzeugung der CDU-Politikerin die Qualität der Schulbildung nachhaltig verbessern sollen. Ab dem Schuljahr 2005/2006 soll der gymnasiale Bildungsgang in der Mittelstufe um ein Jahr verkürzt werden. Die Querversetzung, die es ermöglicht, einen Schüler auch gegen den Willen der Eltern in eine andere Schulform zu versetzen, soll künftig bis Klasse sieben möglich sein. An den Hauptschulen soll ein qualifizierter Abschluss ein besonderes Angebot für stärkere Schüler bieten, während leistungsschwächere Schüler in Praxisklassen nur drei Tage in der Schule und zwei Tage in einem Betrieb verbringen sollen. Zudem schreibt der Entwurf verbindliche Richtwerte für Jahrgangsbreiten vor: "Schule ohne Schüler macht keinen Sinn", findet die Kultusministerin. Werden die Richtwerte unterschritten, ist der Schulträger verpflichtet "Umstrukturierungen" vorzunehmen und gegebenfalls Schulen zu schließen.

Sicht der Opposition

Die Opposition wertet dies als einen Frontalangriff auf die Kooperativen Gesamtschulen, denen "sukzessive der Garaus gemacht werden soll", wie die sozialdemokratische Schulpolitikerin Heike Habermann befürchtet. In weiten Teilen halten SPD, Grüne und FDP die neuen Bestimmungen für "ideologisch motiviert". So bedeute die drohende Querversetzung bis in Klasse sieben einerseits einen "Gymnasialbesuch auf Bewährung" mit mehr Schulversagen und verstärkter Auslese. Andererseits fehle für eine solche Maßnahme jegliche pädagogische Begründung. Das Abitur nach zwölf Jahren setze die Ministerin mit "der Brechstange durch". Schulzeitverkürzung, betont Habermann zudem, sei kein Qualitätsmerkmal an sich. Die immense Belastung der Gymnasialschüler werde letztlich die Abiturientenquote dauerhaft senken.

Im Gegensatz zu den Schulgesetzänderungen stößt die von Wolff geplante umfassende Reform der Lehrerbildung allerdings kaum auf Kritik. "Wir setzen auf eine Lehrerausbildung, die sich früher und stärker denn je an den Bedürfnissen der Schule orientiert", erklärt die CDU-Politikerin. Künftig soll das Lehramtsstudium in Module gegliedert werden, die fachwissenschaftliche, didaktische und erziehungswissenschaftliche Fragen miteinander verbinden. Eine Zwischenprüfung nach dem vierten Semester soll ebenso verbindlich werden wie vier Praktika und in einem Portfolio nachzuweisende Weiterbildungsmaßnahmen. Angehende Grundschullehrer müssen nach dem neuen Gesetz Mathematik und Deutsch als Hauptfach sowie ein drittes Fach belegen und eine "musisch-kreative Grundausbildung" aneignen. Mit diesen Maßnahmen hofft die Ministerin, "Lehrerbildung aus einem Guss" verwirklichen zu können.

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