K. Rüdiger Durth
Deutschland steckt in der Krise
Katholiken fordern Perspektive
Heute ist unübersehbar, dass sich dieses Land in einer
tiefen Krise befindet." Davon zeigte sich der Präsident des
Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Professor Hans
Joachim Meyer, überzeugt. Auf der Herbstvollversammlung des
höchsten katholischen Laiengremiums in Bonn rief er in seinem
traditionellen Rechenschaftsbericht die Gesellschaft zu mehr
Gemeinwohl auf: "Zu viele in dieser Gesellschaft entziehen sich
ethischen Bindungen und Ansprüchen an ihre
Leistungsfähigkeit."
Wenn ein so erfolgreiches Land wie die Bundesrepublik
Deutschland erneuert werden müsse, dann bedürfe es dazu
zwangsläufig schmerzhafter Einschnitte. Solche Reformen seien
aber nur dann durchsetzbar, "wenn sie Bestandteil einer neuen und
überzeugenden Perspektive sind, welche die Menschen mitnehmen
kann." Von dem Versuch, die Menschen mitzunehmen, entferne sich die
Politik jedoch immer mehr.
Der ZdK-Präsident bedauerte, dass es nicht gelungen sei,
einen fraktionsübergreifenden Antrag zur gesetzlichen
Neuregelung der Spätabtreibungen im Deutschen Bundestag
zustande zu bringen. Die katholischen Laien würden deshalb
fortfahren, auch weiterhin bei den politisch Verantwortlichen und
in der breiten Öffentlichkeit auf die Notwendigkeit einer
Neuregelung hinzuweisen.
"Mit Sorge" erfülle die Katholiken der Referentenentwurf
aus dem Bundesjustizministerium zur Stärkung der
Patientenautonomie, "weil er - entgegen der erklärten
Intention - Möglichkeiten zur aktiven Sterbehilfe
eröffnen könnte". Patientenverfügungen müssen,
so Meyer, rechtlich eng eingegrenzt werden. Meyer forderte die
Bundesregierung auf, sich im Rahmen der Vereinten Nationen für
ein weltweites striktes Klonverbot einzusetzen.
In der allgemeinen Debatte der Herbstvollversammlung zeigte
sich, dass es erhebliche Vorbehalte gegen einen möglichen
EU-Beitritt der Türkei gibt. Präsident Meyer bedauerte,
dass man von Religionsfreiheit nicht sprechen könne und dass
der türkische Laizismus nicht mit dem französischen zu
vergleichen sei.
Das ZdK verabschiedete eine Erklärung gegen den
Menschenhandel und die Zwangsprostitution in der Europäischen
Union. Danach werden Bund und Länder aufgefordert, sich
intensiver um dieses Thema zu kümmern. Nach Schätzungen
der EU-Kommission arbeiten gegenwärtig rund 500.000 junge,
meist aus Ost- und Südosteuropa stammende Frauen illegal und
unter Zwang als Prostituierte in der Europäischen Union.
Dieser kriminelle Menschenhandel wirft nach Schätzungen des
bayerischen Justizministeriums einen jährlichen Gewinn von 10
Milliarden Euro ab.
Das ZdK forderte mehr Razzien seitens der Polizei und bedauerte,
dass sich der Deutsche Bundestag bei der Novellierung des
entsprechenden Gesetzes Ende Oktober nicht dazu habe durchringen
können, auch die Freier unter Strafe zu stellen. Das ZDK
forderte hingegen, falls der Freier merkt, dass er es mit einer
Zwangsprostituierten zu tun hat, er dies melden müsse oder
aber er mache sich selbst strafbar.
Verabschiedet hat die ZdK-Herbstvollversammlung rentenpolitische
Leitlinien, die Hermann Kues (CDU-MdB) vorstellte. Das ZDK spricht
sich für eine beitragsfinanzierte Pflichtversicherung aus und
für eine leistungsbezogene Rente. Die Rentenversicherungen
sollen von versicherungsfremden Leistungen befreit werden.
Vordringlich ist die eigenständige Alterssicherung von Frauen.
Das Umlageverfahren soll die Norm bleiben, die Kapitaldeckung nur
für die ergänzende Altersvorsorge vorgesehen werden.
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