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Josef Thomas Göller
Quo vadis, deutsche Außenpolitik?
Ein Ausblick auf die internationalen
Probleme
Was wird das neue Jahr 2005 in der
Außenpolitik bringen? Dem Iran die Atombombe; Deutschland kein
Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat, aber weitere Bundeswehrtruppen zur
Krisenbewältigung in fernen Ländern und bedeutend mehr
Verantwortung auf der Weltbühne; Probleme mit dem zunehmend
autoritär regierenden russischen Präsidenten Putin;
Instabilität in Ost-Europa, Afrika und dem Nahen Osten; in
Europa eine Stärkung der EU. Vor allem aber ist die westliche
Welt durch den gewalttätigen, auf Weltherrschaft abzielenden
Islamismus herausgefordert, eine Balance zu finden zwischen
Toleranz und Selbstbehauptung.
Der Altmeister der amerikanischen
Außenpolitik, Henry Kissinger, blickt für die kommenden
Jahre über diese Bedrohung hinaus. "Während der militante
Islam die unmittelbarste und offenkundigste Herausforderung
für die internationale Ordnung darstellt, ist die
Weiterverbreitung von Atomwaffen die langfristigste und
heimtückischste Gefahr für die Welt", bemerkte er
kürzlich im Magazin "Newsweek".
Der diplomatische Streit der UNO und des
Westens mit dem radikal-islamischen Iran über den
möglichen Bau einer Atombombe hätte schon vor 58 Jahren
vermieden werden können. Am 14. Juni 1946 nämlich
diskutierte der UN-Sicherheitsrat, damals provisorisch
untergebracht im Turnsaal des Hunter College in New York, über
die Zukunft von Atomwaffen. Die USA waren vertreten durch den
75-jährigen Präsidentenberater Bernard M. Baruch, der das
Thema damals salbungsvoll anging: "Mitbürger der Welt, wir
sind hier versammelt, um zwischen den Lebenden und den Toten zu
wählen." Dann unterbreitete er einen ernstgemeinten Vorschlag:
Es sei für das Überleben der Menschheit unbedingt
notwendig, einen Mechanismus zu schaffen, der es gestatte, die
Atomenergie friedlich zu nutzen und für den Krieg zu
verbieten. Ein derartiger Mechanismus dürfe indes nicht allein
aus frommen Gedanken bestehen, sondern müsse energische,
unfehlbare Sanktionen enthalten und mit einem internationalen
Gesetz versehen sein. Unter diesen Bedingungen, die Abschaffung des
Vetos im Sicherheitsrat vorausgesetzt, erkläre Amerika sich
bereit, seine Atomwaffen der UNO zu übertragen, damit sie
vernichtet würden, und seine Technik, damit sie für den
Fortschritt der Menschheit nutzbar gemacht werde.
Doch es war die Zeit des Kalten Krieges. Die
Sowjetunion dachte nicht daran, auf ihr Vetorecht zu verzichten.
Moskau war nicht bereit, auch nur das kleinste Vorrecht
preiszugeben. Der Atomwaffensperrvertrag, von der
UN-Generalversammlung erst 1968 gebilligt und 1970 in Kraft
getreten, kam viel zu spät. Seine Regelungen sind zudem zu
halbherzig und konnten nicht verhindern, dass
atomwaffenfähiges Material weltweit verbreitet
wurde.
Deshalb auch verfügen heute das
militante, schiitische Mullah-Regime in Teheran und die aggressive
Diktatur in Nord-Korea über Atomwaffen-Kenntnisse, mit denen
sie versuchen wollen, die westliche Welt einzuschüchtern. Seit
1993 haben die USA auf diplomatischem und humanitärem Weg
versucht, Nord-Korea von weiteren Schritten abzubringen. Vergebens.
Gleiches zeichnet sich im Iran ab, der in den USA seinen Hauptfeind
sieht und Terroristen-Organisationen in Nahost seit 1979 massiv
unterstützt. Zwar haben sich die Mullahs vor kurzem auf eine
Vereinbarung mit der Europäischen Union eingelassen, wonach
Teheran sein Uran-Anreicherungsprogramm stoppen soll. Doch wenige
Tage davor haben iranische Wissenschaftler mit der Produktion eines
speziellen Gases (Uran-Hexafluorid - UF6) begonnen, das zur
Urananreicherung nötig ist, wie die Internationale
Atomenergie-Behörde (IAEO) in Wien bestätigte.
Wie lange noch wird sich die Weltgemeinschaft
von Ländern an der Nase herumführen lassen, die, wie im
Falle Nord-Koreas und Irans bekannt dafür sind, dass sie das
Völkerrecht nicht anerkennen und Verträge brechen? Im
Sommer 2005 wird die UNO 60 Jahre alt - und ist immer noch nicht
weise. Auch auf EU-Ebene muss überlegt werden, wie man
getroffene Vereinbarungen durchsetzt. Weil es bisher in der Regel
am tatsächlichen Sanktionswillen bei Nichteinhaltung solcher
Verträge und Abkommen gemangelt hat, steht die Menschheit
heute erneut vor großen Gefahren, möglicherweise
leichtfertig verursacht von hemmungslosen Fanatikern. Das zwingt zu
neuen Wege in der internationalen Politik.
Dies gilt auch für die deutsche
Außenpolitik. Ein Land, das einen ständigen Sitz im
UN-Sicherheitsrat anstrebt, muss globale Verantwortung
übernehmen. Hohe Beiträge an die Vereinten Nationen sowie
Finanzspritzen für alle möglichen UN-Einsätzen
reichen da nicht mehr aus. Das wissen deutsche Diplomaten. Dennoch
wird ihnen bei beträchtlichem Zuwachs an neuen Aufgaben der
Etat zusammengestrichen. Zwischen 1989 und 2004 ging der Anteil des
Auswärtigen Amtes am Bundeshaushalt von 22 Prozent auf unter
zwölf Prozent zurück. Stattdessen aber müsste bei
dem zunehmenden Willen der Bundesregierung, sich international zu
engagieren, mehr statt weniger Geld für die Außenpolitik
ausgegeben werden.
Auch ist festzustellen, dass bei aller
Betonung der Bundesregierung, sie denke und handle europäisch,
davon nicht immer die Rede sein kann. Trat 1998 Rot-Grün noch
mit der Forderung an, Europa solle im UN-Sicherheitsrat mit einem
Sitz vertreten sein, betreibt die Bundesregierung seit einem Jahr
Lobby-Arbeit, um neben Frankreich und Großbritannien ebenfalls
einen Veto-Sitz zu erlangen. Die Chancen dafür stehen
allerdings nicht gut. Es wäre klüger, den bisherigen
Europakurs beizubehalten und sich auf die anstehenden
Herausforderungen einzustellen. In einem
EU-Sicherheitsstrategiepapier von 2004 sind diese klar
benannt:
Nach der Bekämpfung des internationalen
Terrorismus und der Verhinderung der Verbreitung von
Massenvernichtungswaffen wird an dritter Stelle die Gefahr von
regionalen Konflikten genannt, oft ethnischen oder religiösen
Ursprungs. Der jüngste Fall der Ukraine zeigt, dass die Lage
in Osteuropa weiterhin unsicher ist. Alle dortigen politischen
Prozesse berühren die deutsche Politik unmittelbar, denn
Russland will dort wieder stärker Ordnungsmacht sein, und dies
in Richtung Wiedererrichtung seiner Einflusszonen. Genau hier aber
liegt ein Schwachpunkt in der Außenpolitik der vergangenen
vier Jahre - und zwar des gesamten Westens. Während sich die
West-Europäer nahezu ausschließlich auf die Politik des
amerikanischen Präsidenten kaprizierten, hat der russische
Präsident Wladimir Putin am Ausbau seiner Macht und seiner
Machtinteressen gearbeitet. Der schmutzige Krieg der Russen in
Tschetschenien fördert den islamischen Terrorismus eher, als
dass er ihn bekämpft. Das hat der Fall Beslan gezeigt, als
Anfang September Terroristen eine Schule überfielen und
mehrere hundert Menschen, vor allem Kinder, ums Leben kamen. Erst
durch die Wahlfälschungen in der Ukraine und die massive
Einmischung Putins zugunsten des moskautreuen Viktor Janukowitsch
ist Europa aufgewacht.
Wer Ost-Europa kennt, weiß, welche
starken Hoffnungen dort auf die EU gesetzt werden. Im Falle der
Ukraine ist dies jetzt jedermann deutlich geworden. Aber auch die
Tschetschenen hoffen schon lange auf ein deutliches Engagement der
Europäer. Statt sich mit der amerikanischen Nahostpolitik zu
verzetteln, ist der EU anzuraten, dort Entspannungspolitik zu
betreiben, wo sie erwünscht ist. Vor allem aber darf den
Russen nicht stillschweigend jene freie Hand eingeräumt werden
, die man den Amerikanern in anderen Weltgegenden
verweigert.
Die politischen Ereignisse in der Ukraine
haben nicht nur Auswirkungen auf Weißrussland, wo es schon
lange gegen den Diktator Lukaschenka brodelt, sondern vor allem auf
Russland selbst. Dort findet eine zunehmende Verherrlichung der
Stalin-Ära statt. In Filmen und TV-Dokumentationen wird der
Diktator als Retter Russlands glorifiziert. Gleichzeitig jedoch
will sich die junge Generation nicht mehr in ihren neuen Freiheiten
einschränken lassen. Putin muss fürchten, dass das
ukrainische Beispiel für die russische Opposition Schule
machen und er eines Tages ebenfalls mit dem Ruf "Wir sind das Volk"
konfrontiert werden könnte. Deshalb wird Putin versuchen, den
Demokratisierungsprozess zu hemmen, die Pressefreiheit
einzuschränken und außen- wie innenpolitisch eine
Drohpolitik zu fahren.
Grundsätzlich sollten auch die so
genannten kleinen ehemaligen Sowjetrepubliken nicht aus dem Auge
verloren werden. Insbesondere Turkmenistan, ein Land reich an Gas
und Öl, autokratisch regiert vom Diktator Turkmenbaschi,
landläufig als "Klein-Stalin" karikiert . Das
EU-Strategiepapier nennt zudem noch als kritische Punkte die
organisierte Kriminalität und das Ausbreiten von Krankheiten,
zwei Dinge, die in Richtung Osteuropa weisen, sowie die
Unterentwicklung in der südlichen Erdhälfte als
anhaltende Gründe für Unruhen und Migrationsdruck. Seit
Anfang der 60er-Jahre leistet die Bundesrepublik freiwillig
Entwicklungshilfe in Afrika, Asien und Lateinamerika. Doch keinem
dieser Länder geht es seither besser. Deutschland ist
berühmt dafür, dass es fast alle Staudämme in
Entwicklungsländern gebaut hat. Dort wo deutsche
Entwicklungshelfer Brunnen gebohrt haben, schreitet die
Wüstenbildung fort, und einige sind bereits versandet.
Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass manche
Entwicklungshilfeprojekte von der Bevölkerungsexplosion in den
jeweiligen Staaten überrollt wurden.
Dennoch bleibt kritisch zu prüfen, wo
die Bundesrepublik welche Projekte weiterhin fördert, oder
lieber die Hände davon lassen sollte, um weniger Schaden
anzurichten. Dort wo das Konzept "Hilfe zur Selbsthilfe" nicht
funktioniert, müssen neue Wege der Zusammenarbeit mit den
armen Ländern dieser Welt gefunden werden. Dazu zählen
Korruptionsbekämpfung der Eliten dieser Staaten, Programme zur
Bildung der Bevölkerung - also Schulen und Lehrer - sowie
Seuchen- und Krankheitsbekämpfung. In Afrika ist dies vor
allem AIDS. Es wäre sinnvoll, wenn sich die EU dem
US-AIDS-Programm für Afrika in nennenswerter Weise
anschließen würde.
Letztendlich wird zur Bekämpfung all der
angeführten Übel ein effektiver Internationalismus
gebraucht. Konkurrierende einzelstaatliche Handlungen sollten
zunehmend in den Hintergrund treten und auf Weltebene mittels
internationaler oder supranationaler Organisationen wie EU, UNO,
Afrikanische Union, koordiniert und umgesetzt werden.
Dennoch bleibt Spielraum für eine
eigenständige Außenpolitik, die konsequenterweise an
spezifischen deutschen Interessen ausgerichtet sein muss. Umgeben
von neun Nachbarn mit einer historischen und geografischen
Ausrichtung nach Osteuropa, muss Deutschland seine traditionellen
Bindungen zu diesen Staaten intensivieren. Größte
Herausforderung dabei bleibt wie eh und je der Umgang mit Russland.
Auch die Größe der Bevölkerung der Bundesrepublik
mit 82 Millionen verleiht ihr ein Gewicht per se, in der NATO
ebenso wie in der EU. Neben Russland verfügt Deutschland
über die größte Kontinentalarmee Europas. Innerhalb
der EU ist Deutschland der größte Beitragszahler,
für NATO und UNO der Drittgrößte. Daraus ergeben
sich außenpolitische Konsequenzen, aber auch legitime
Interessen. Zwar hat Deutschland einerseits gute - vor allem
historische - Gründe, Zurückhaltung beim Einsatz von
Streitkräften zu üben. Indes, das zeigen ja bereits die
zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr, kann sich ein
Land mit dem Gewicht Deutschlands, solchen Einsätzen immer
weniger verschließen. Über den Einsatz der Bundeswehr
etwa bei afrikanischen Konflikten denkt Verteidigungsminister Peter
Struck schon seit eineinhalb Jahren laut nach. Hierbei geht es
nicht um Invasionen, sondern um "Peace Keeping" und "Peace
Enforcement", also Missionen, die bei Staatszerfall Recht und
Ordnung wieder herstellen und Konfliktparteien trennen. Was dies
heißt, sehen wir im Falle von Bosnien und Kosovo: nämlich
eine langfristige Stationierung. Aber auch die in Chaos
versinkenden afrikanischen Staaten, wo es immer wieder zu
Völkermord kommt, können nicht sich selbst
überlassen bleiben. Sonst werden wir eines Tages mit einem
Problem konfrontiert, das 1966 schon der Club of Rome vorhergesagt
hat: dem Migrationsdruck der Armen, die ebenfalls am Topf der
Reichen sitzen wollen. Die steigende Zahl der Asylbewerber aus
Afrika bereitet jetzt schon Innenminister Schily derartiges
Kopfzerbrechen, dass er am liebsten Auffanglager in Nordafrika
einrichten möchte. Solche Lösungen sind nur
symptombezogen. Es gilt, eine langfristige Strategie zu entwickeln,
die die Ursachen bekämpft. Dafür reicht die bisherige
Entwicklungshilfepolitik nicht aus.
Eine weitere Priorität deutscher
Außenpolitik bleibt die Erhaltung der transatlantischen
Partnerschaft mit den USA und Kanada. Zwar hat sich die deutsche
Außenpolitik vor der Irak-Invasion im Februar 2003
gegenüber den USA neu positioniert und durchgesetzt. Dies hat
ihr Prestigegewinn eingebracht. Es bleibt die Frage, welches
Konzept die Bundesregierung auf die neuen Herausforderungen der USA
hat und wie sich Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten
neu positionieren will, insbesondere was die Zusammenarbeit in der
NATO angeht. Diese ist zwar schon mehrfach für tot
erklärt worden. Doch der Schutz des deutschen Luftraums ist
ohne amerikanische Aufklärer- und Fliegerstaffeln eine
Illusion. Eine bestimmte amerikanische Militärpräsenz in
Europa ist für dessen Sicherheit unumgänglich, sonst
wäre die Bundesregierung ohne "Augen und Ohren". Dies hat
Außenminister Joschka Fischer in den vergangenen Jahren stets
bei seinen Besuchen in Washington betont. Dennoch fühlt hat
die Bush-Regierung mit dem Abzug amerikanischer Divisionen aus
Deutschland begonnen und dürfte sich von Berlin eher
entfernen, wenn die Bundesregierung den Eindruck erweckt, die
Irak-Frage über gute Beziehungen zu den USA zu
stellen.
Richtig ist, dass die NATO ihrer alten
Aufgabenstellung als Gegengewicht zur Sowjetunion seit mehr als 13
Jahren entledigt ist. Es bleibt die Frage, ob die Mitgliedsstaaten
nicht darüber nachdenken sollten, wie die Nato
weiterzuentwickeln ist. Im Februar werden sich die Vertreter aller
NATO-Staaten inklusive Präsident Bush in Brüssel treffen,
um darüber zu beraten. Es wird darum gehen, das bisherigen
Militärbündnis um die Komponente der "zivilen
Wertegemeinschaft" zu erweitern, aber auch, integrierte
NATO-Stäbe in den Irak zu verlegen. Wie wird sich die
Bundesregierung gegenüber solchem Ansinnen verhalten? In den
USA gibt es zum Beispiel Überlegungen, den Irak nach der Wahl
am 20. Januar als Mitglied ins Bündnis zu holen.
Auch eine Ausweitung der
Handlungsfähigkeit der EU ist im größten Interesse
Deutschlands. Schließlich wird ein immer größerer
Teil der nationalen Außenpolitik über die EU geleistet,
wie kürzlich durch deren heimlichen Außenminister Javier
Solana, offiziell Hoher Vertreter für die Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik der EU genannt. Zwar ist die EU
bisher in erster Linie eine Wirtschafts- und
Demokratiewertegemeinschaft. Mit der Umwandlung der SFOR-Truppe zur
EUFOR-Truppe in Bosnien hat die EU einen ersten Schritt zur
Stärkung der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (ESVP) vollzogen. Damit ist die EU zu einer
Militärmacht innerhalb der NATO aufgestiegen, wenn auch noch
in Kinderschuhen.
Eine zentrale Rolle der deutschen
Außenpolitik spielt zudem das bilaterale
deutsch-französische Verhältnis. Kritiker bemängeln,
Deutschland habe sich ohne Alternative an den Rockzipfel
Frankreichs gehängt und sei nun auf Gedeih und Verderben an
die dessen Außenpolitik gekoppelt. Dem ist entgegenzuhalten:
Welche Alternativen hat Berlin denn? Schließlich hat
Präsident Bush die Doktrin ausgegeben, wer nicht für uns
ist, ist gegen uns. Solch einer Politik kann man nicht blind
folgen, ohne verantwortungslos zu handeln. Andererseits haben die
Franzosen mehrfach deutsche Leitideen zur Europapolitik blockiert,
so dass tatsächlich eine Neupositionierung der deutschen
Außenpolitik gegenüber dem Hauptpartner innerhalb der EU
erfolgen muss. Immerhin hat die amerikanisch geführte
Irak-Invasion Europa bereits vorrübergehend in ein "Altes" und
"Neues" gespalten. Auf solche Herausforderungen muss eine Antwort
gefunden werden, da davon auszugehen ist, dass während der
zweiten Amtszeit von Präsident Bush ein erneuter
Spaltungsversuch Europas erfolgen wird. Als
Präventivmaßnahme ist zu überlegen, wie unter den
gegebenen Umständen die zukünftige Zusammenarbeit mit den
Vereinigten Staaten laufen soll. Schließlich sind auch
für die Amerikaner die Besonderheiten der
deutsch-amerikanischen Beziehungen hinfällig geworden, seitdem
Deutschland kein Frontstaat mehr zum Osten ist.
Dem Westen muss klar sein, dass er in seiner
Gesamtheit herausgefordert ist: von den Islamisten, von den Armen
der Dritten Welt, von Nord-Korea, möglicherweise langfristig
auch von China, das mit seinen Milliarden Menschen und instabilen
Verhältnissen eines Tages außer Kontrolle geraten und die
Welt erschüttern könnte. Wir erleben derzeit einen
weltweiten Destabilisierungsprozess. Deshalb wäre ein
Schulterschluss zwischen den zwei Ordnungsmächten USA und EU
empfehlenswert. Letztlich würde diese Zusammenarbeit mit den
USA der Stärkung Europas dienen, nicht seiner
Schwächung.
Ein alter Spruch besagt: "Foreign Policy
begins at home: Außenpolitik beginnt zu Hause." Einst konnte
sich Deutschland auch in der Außenpolitik stolz auf seine
Wirtschaftsmacht berufen, doch der Staat von heute ist nicht mehr
in der Lage, die Lokomotive Europas zu sein. Die Konsequenz daraus
ist, dass man sich vieles Wünschenswerte nicht leisten kann.
Dazu zählt die deutsche Kulturpolitik im Ausland. Dennoch
bewerten 60 Prozent der Deutschen die Außenpolitik ihres
Landes positiv.
Als die UNO 1945 in San Francisco offiziell
ins Leben gerufen wurde, trat als Doyen der Staatenversammlung der
südafrikanische Premier Jan Christian Smuts in den
Vordergrund. Der erfahrene Commonwealth-Vertreter, ein
hochdekorierter und stets um Ausgleich bemühter Diplomat und
britischer Feldmarschall war mit seinen 75 Jahren eine lebende
Legende. Deshalb wurde er in San Francisco zum Präsidenten der
UN-Generalversammlung gewählt. Die Präambel zur UN-Charta
ist sein Werk. Er versuchte, darin der legalistischen Charta
menschliche Wärme einzuhauchen, und mahnte auf der von
Euphorie gekennzeichneten Gründungsversammlung, dass noch so
detailliert ausgearbeitete Artikel der UN-Satzung nicht imstande
sein könnten, Kriege zu verhindern, sofern auf das Irrationale
im Menschen nicht eine andere Antwort gegeben werde, die sich aus
dem Glauben an höhere Werte schöpfe. "Diese Aufgabe liegt
jenseits des Bereichs dieser Konferenz und muss anderen Händen
überlassen werden", schrieb er, "aber sie kann nicht auf
unbestimmte Zeit verschoben werden".
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