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Dirk Klose
Mit Gottes Wort fest auf Erden
Zwei große Prediger: Martin Luther King und
Johannes Hempel
Die christlichen Kirchen haben sich mehr oder
weniger damit abgefunden, im "Wettbewerb der Sinnträger"
mithalten zu müssen, um gehört zu werden. Gleichwohl gab
und gibt es immer wieder große Kirchenführer, die durch
klares Zeugnis und durch persönlichen Einsatz für
Menschenrechte und Menschenwürde weit über die Kirchen
hinaus Respekt und Anerkennung gefunden und auch politisch viel
erreicht haben. Zwei Bücher über Martin Luther King in
den USA und Johannes Hempel in der DDR erinnern daran.
Vor 40 Jahren hatte der amerikanische Pfarrer
und Bürgerrechtler Martin Luther King in Oslo den
Friedensnobelpreis erhalten. Knapp vier Jahre später, am 4.
April 1968, ist er, nicht einmal 40 Jahre alt, in Memphis von einem
fanatisierten Weißen erschossen worden. Aus der Rückschau
lässt sich sagen, dass kaum ein anderer Amerikaner so sehr an
der Beseitigung der Rassenschranken und an der Sensibilisierung
für Frieden und Gerechtigkeit beteiligt war.
Der an der Universität Bochum arbeitende
Theologe und Friedensforscher Hans-Eckehard Bahr hat King in dessen
heißester Phase innenpolitischer Kämpfe unmittelbar
erlebt. Bahr hatte 1966 eine Professur in Chicago übernommen,
wohin auch King gekommen war, um an einem der zentralen Plätze
der USA den Kampf gegen Diskriminierung und Rassenhass
wirkungsvoller zu führen als in den
Südstaaten.
Bahr wurde bald Zeuge vieler Aktionen, die
langsam, sehr langsam zu einer Lockerung der Fronten führten.
Sein Buch spiegelt den starken Eindruck, den King und seine
Mitstreiter auf den jungen Deutschen machten, unmittelbar wider. Es
ist einerseits eine genau recherchierte Biographie, zum anderen
aber ein packend geschriebener Bericht über die von Hass und
Gegenhass geprägten Aktionen in Chicago und anderswo.
Psychologisch geschickt setzt Bahr unmittelbar bei den Ereignissen
in Chicago im Sommer 1966 an und rückt hier wie dann auch im
Lebensbericht immer wieder Kings Ziele in den Mittelpunkt: Durch
Gewaltlosigkeit und christliche Nächstenliebe können
Hass, Armut und Unterdrückung der Schwarzen in Amerika und
generell der Unterprivilegierten überall in der Welt
überwunden werden.
"Ich werde nicht aufhören, unsere
weißen Brüder zu lieben" wird King mehrfach zitiert, des
weiteren seine große Rede vom August 1963 beim berühmten
"Marsch nach Washington": "Ich habe einen Traum, dass eines Tages
auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer
Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander
am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. Ich habe einen
Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation
leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern
nach ihrem Charakter beurteilen wird."
Bahr sieht in Martin Luther King, der
für seine Überzeugung 29mal im Gefängnis saß,
ein Symbol des, wie er es nennt, "besseren Amerika" - ein Amerika,
das der Welt durch Friedfertigkeit, durch Toleranz und Bereitschaft
zu politischer und ökonomicher Teilhabe ein Vorbild sein
könnte. Scharf wendet er sich gegen die Absicht des
gegenwärtigen Präsidenten, durch Besuche an Kings Grab
diesen für sich und seine Politik zu vereinnahmen: "King tritt
als symbolische Gegenfigur zur George Bush und seiner
Kreuzzugs-Politik ins Rampenlicht." Aufgenommen sind mehrere von
Kings großen Reden, der letzte Text am Vorabend seiner
Ermordung. Eine ausführliche Bibliographie macht deutlich, wie
umfangreich auch in Deutschland die Literatur über King und
die amerikanische Bürgerrechtsbewegung inzwischen
ist.
Schwerter zu Pflugscharen
Der sächsische Landesbischof Johannes
Hempel hat an dem Ort, "an den mich Gott gestellt hat", eine
ähnlich mutige Haltung und Standfestigkeit bewiesen, wenn auch
weniger spektakulär als der schwarze Amtsbruder im fernen
Chicago. Hempel, 1929 in Zittau geboren, war von 1972 bis 1994
Bischof der evangelischen Kirche in Sachsen; sein Dienstsitz war
Dresden. Daneben hat er sich ungewöhnlich intensiv beim
Ökumenischen Rat der Kirchen engagiert, dessen Präsidium
er von 1983 bis 1991 angehörte.
Hempel gehörte zu den bekanntesten
Kirchenführern in der DDR. Nach seinem Studium in der
Bundesrepublik ging er nach Sachsen zurück; die
argwöhnische Politik der SED gegenüber den Kirchen - mal
schroffe Konfrontation, mal Appeasement und Lockerung - hat er seit
der Ulbricht-Ära bis zur Wende hautnah miterlebt und ihr nach
den Prinzipien, die für ihn wichtig waren, "gerecht und
barmherzig, barmherzig und gerecht" wiederstanden.
In mehreren Gesprächen mit dem aus
Bayern stammenden Journalisten Udo Hahn gibt er Rechenschaft
über sein Tun und Handeln. So ist das Buch mit seinen neun
Kapiteln nicht nur eine lebendig erzählte, teilweise ungemein
spannende Biographie, sondern darüber hinaus auch eine
Geschichte der evangelischen Kirchen in der DDR. Berührt
werden - in der Antwort mitunter zögernd, nachfragend und
immer wieder die Worte wägend - alle bekannten Streitpunkte
wie Jugendweihe, Gründung des Kirchenbundes, "Kirche im
Sozialismus", Friedensgebete, "Schwerter zu Pflugscharen" (wo
Hempel 1982 in einer berühmten Predigt viele junge Menschen
gleichzeitig ermutigte und besänftigte) und
Ökumene.
Sein Credo sei gewesen: "Wir hatten uns
vorgenommen, nicht zu resignieren, nicht nur irgendwie
durchzukommen, sondern gefragt und ungefragt Gottes Zeugen und
Dienerinnen zu sein." Davon zeugt dieses Buch, und wenn der hier am
Ende zitierte Bischof von Hannover, Horst Hirschler, sagt, man sei
- noch vor der Wende - "reicher" zurückgefahren, als man
gekommen sei, so gibt er einen Eindruck wieder, den viele von
Johannes Hempel hatten.
Hans-Eckehard Bahr
Martin Luther King. Für ein anderes
Amerika.
Aufbau Verlag, Berlin 2004; 160 S., 8,95
Euro
Johannes Hempel
Erfahrungen und Bewahrungen. Ein
biographischer Rückblick im Gespräch mit Udo
Hahn.
Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2004;
364 S., 12,80 Euro
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