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Florian Kain
Senat will das Prozedere verändern
Hamburg: Volksentscheide künftig unter
erschwerten Bedingungen?
In Hamburg hat der Kampf um den Volksentscheid das friedlich
ausgegangene Gezerre um die Lande-bahnverlängerung in
Finkenwerder als Zankapfel Nummer eins abgelöst.
Hintergrund ist eine von Senat und CDU-Fraktion vorgesehene
Änderung des Volksgesetzgebungsverfahrens, für die in der
von Udo Nagel geführten Innenbehörde bereits ein
Gesetzesentwurf ausgearbeitet wurde. Ziel: Die Hürden für
den Erfolg von Gesetzgebungsinitiativen durch Bürger deutlich
nach oben zu schrauben. Denn der seit 1996 geltende Zustand macht
den Regierenden wenig Freude - hat er doch unter anderem dazu
geführt, dass bei Bürgerschaftswahlen in der Elbmetropole
künftig ein neues, extrem kompliziertes Stimmrecht mit
gigantisch großen Wahlzetteln zum Einsatz kommen muss ("Das
Parlament" berichtete). Bislang gilt, dass zum Beschluss eines
Gesetzes durch das Volk drei Stufen zu überwinden sind. Die
erste ist die "Volksinitiative". Um erfolgreich zu sein, muss sie
von 10.000 Bürgern unterzeichnet werden. Dann folgt das
"Volksbegehren": Überall in der Elbmetropole dürfen die
Initiatoren Unterschriften einsammeln. Haben mindestens fünf
Prozent der wahlberechtigten Hamburger ihr Autogramm auf den
Antragslisten hinterlassen, kommt es zur dritten und entscheidenden
Stufe - dem Volksentscheid, der bislang fast immer parallel zu
Wahlen abgehalten wurde. Zum Beschluss eines Gesetzes per
Volksentscheid gilt außerdem, dass die Mehrheit der
Abstimmenden (und mindestens ein Fünftel der Wahlberechtigten)
zustimmen.
Was soll sich jetzt ändern? Erschwernisse will der Senat
für alle drei Stufen herbeiführen. So heißt es im
Gesetzesentwurf des parteilosen Innensenators, Volksinitiativen
müssten künftig grundsätzlich einen
Finanzierungsvorschlag für ihre Forderungen beibringen. Folge:
Es könnten sich weniger Bürger als bisher dazu
hinreißen lassen, mit ihrer Unterschrift eine
kostenträchtige Initiative zu unterstützen, wenn sie
gleichzeitig sehen, in welchen Bereichen anderswo der Rotstift
angesetzt werden soll.
Eine weitere Änderung: Bei Volksbegehren dürfen
Unterschriften nach den Vorstellungen der Regierung nicht mehr frei
auf Marktplätzen der Stadt oder an diffusen Infoständen
zusammengesammelt werden, sondern sie müssen in Ämtern
geleistet werden. Das erschwert ein Gelingen durchaus, denn die
jeweiligen Themen müssen den Bürgern schon am Herzen
liegen, wenn sie dafür den Behördengang antreten.
Andererseits verringert eine solche Auflage aber die Gefahr, dass
die Menschen nicht unbedacht Zettel unterschreiben, der ihnen im
Vorbeigehen unter die Nase gehalten werden - und sich stattdessen
gewissenhafter mit den jeweiligen Themen auseinandersetzen.
Last but not least: Der Volksentscheid. Die CDU will ihn nicht
länger an der Urne veranstalten, sondern lieber eigens
Briefwahlunterlagen verschicken lassen. Die Durchführung,
argumentiert ihr Fraktionsvorsitzender Bernd Reinert, werde dadurch
billiger: "Denn wenn es nach geltendem Recht zu einem
Volksentscheid kommt, der nicht mit dem Tag einer allgemeinen Wahl
zusammenfällt, muss dennoch die gesamte Maschinerie einer Wahl
in Gang gesetzt werden." Das ist freilich selten der Fall, weil die
Bürgerinitiativen aufgrund der jeweils zu erwartenden hohen
Beteiligungszahlen selbst ein Interesse daran haben, die Abstimmung
über ihr Anliegen am Tage einer allgemeinen Wahl stattfinden
zu lassen. Sie befürchten nun, es werde, wie Angelika Gardiner
vom Verein "Mehr Demokratie" sagt, "kaum noch eine erfolgreiche
Initiative in Hamburg mehr geben." Dem ließe sich
entgegenhalten, dass die Verschickung eines Briefes jedem
Bürger zuzumuten ist, der am Beschluss von Gesetzen beteiligt
werden will. Doch ein Bündnis aus Gewerkschaften, den
Oppositionsparteien SPD und GAL (Grün-Alternative Liste), der
Patriotischen Gesellschaft und dem Mieterverein sieht das ganz
anders - und hat deshalb am 10. Dezember eine Volksinitiative
"Rettet den Volksentscheid" gestartet. Bis Anfang Februar sollen
die nötigen 10.000 Unterschriften herbeigeschafft worden sein.
Aber auch die CDU drückt nun aufs Tempo: Segnet die mit
absoluter Mehrheit regierende Partei die Reform bereits (wie jetzt
geplant) im Januar in der Bürgerschaft ab, dann muss die
Volksinitiative gegen die Änderung der Volksgesetzgebung
bereits unter den neuen, erschwerten Bedingungen für ihre
Sache kämpfen. Es bleibt also spannend.
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