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Volker Koop
Normen- und Wertevermittlung statt zu früher
Bestrafung
Senkung der Strafmündigkeit ohne
Chance
Kinder unter 14 Jahren sind in Deutschland
schuldunfähig, so will es das Strafgesetzbuch. Die
uneingeschränkte Strafunmündigkeit eines Kindes bedeutet
ein absolutes Prozesshindernis, und daran hat auch die Tatsache
nichts geändert, dass Kinder immer "frühreifer" werden.
Zu Kaisers Zeiten konnten Kinder zwar bereits mit der Vollendung
des 12. Lebensjahres strafrechtlich belangt werden, doch gilt in
Deutschland - mit Ausnahme während der Nazizeit - seit 1923
das magische Alter von 14 Jahren. Es ist unverkennbar, dass viele
sich dieses zunutze machen. Die "Organisierte Kriminalität"
setzt für Straftaten häufig gezielt Kinder ein, und der
berühmt-berüchtigte "Fall Mehmet" zeigt, dass einige
wenige Kinder die Strafunmündigkeit in ihr Verhalten ganz
bewusst einbeziehen.
Dass daher von politischer Seite - speziell,
wenn Serientäter für schlagzeilenträchtige
Fälle sorgen - immer wieder die Forderung erhoben wird, das
Strafmündigkeitsalter herabzusetzen, verwundert wenig. Ob sie
allerdings Chancen hat, realisiert zu werden, ist fraglich. Joachim
Stünker beispielsweise hält fest, dass die Festlegung des
Alters, die nach einer langen rechtspolitischen Entwicklung und auf
der Grundlage fundierter jugendpsychologischer Erkenntnisse
festgesetzt worden sei, sich grundsätzlich bewährt habe.
Der SPD-Abgeordnete räumt aber ein, dass es trotzdem immer
wieder Ansätze gebe, delinquentes Verhalten von Kindern durch
schärfere Gesetze zu regulieren, statt die Ursachen zu
bekämpfen. Die frühere, um ein Jahr verschobene
strafrechtliche Verantwortlichkeit dürfte nicht geeignet sein,
um das Legalverhalten von Kindern grundlegend zu ändern, sagt
der rechtspolitische Sprecher seiner Fraktion und warnt: "Eine
frühere negative Stigmatisierung könnte eher noch dazu
führen, dass Kinder noch früher eine kriminelle Karriere
einschlagen." Um den Kindern das begangene Unrecht vor Augen zu
führen, setze dies eine zur Tatzeit nach der sittlichen und
geistigen Entwicklung ausreichende Reife voraus. Die
körperliche und intellektuelle Entwicklung möge
heutzutage früher erfolgen, jedoch gelte dies nicht unbedingt
auch für die Herausbildung sozialer Verantwortung.
Die Frage nach der Herabsetzung des
Strafmündigkeitsalters von derzeit 14 auf 13 Jahre stellt sich
auch für die FDP-Abgeordnete Sibylle Laurischk nicht
ernsthaft. Sie werde in der öffentlichen Diskussion als eine
Lösung für die Kinder- und Jugendkriminalität
gesehen. Ihr erscheine dies jedoch eher eine populistische
Betrachtungsweise zu sein, die außer acht lasse, wie formbar
und beeinflussbar Kinder und Jugendliche seien - und dies auch noch
deutlich über das Strafmündigkeitsalter von 14 Jahren
hinaus. Die Rechtsanwältin: "Unter Fachleuten gilt es als
Binsenweisheit, dass Kinder und Jugendliche in Strafanstalten genau
das lernen, was ihnen für eine lebenslange kriminelle Karriere
noch fehlt, aber nicht das erhalten, was sie brauchen, nämlich
Führung und Zuwendung, um ihre offenkundig problematische
Lebenssituation doch noch in die richtige Bahn lenken zu
können." Als Mutter von drei Kindern wisse sie, wie wenig
13-Jährige die Konsequenz ihres Handelns überblickten,
auch wenn sie sich selbst schon als den Wechselfällen des
Lebens völlig gewappnet empfänden. "Kinder, die in diesem
Alter mit ihren Verhaltensweisen auffallen, die in höherem
Alter strafwürdig wären, zeigen letzt-endlich ihre
Hilflosigkeit und Sprachlosigkeit durch Gewalttaten oder
Eigentumsdelikte." Ein krasses Beispiel in ihrem Wahlkreis in
Südbaden, so Sibylle Laurischk weiter, seien Sinti- und
Romakinder, die von ihren "Hinterleuten" aus Frankreich nach
Deutschland geschickt würden, um durch Einbruch und
Diebstähle Beute zu machen. Sie seien Werkzeuge ihres sozialen
Umfeldes und ohne jedes Unrechtbewusstsein. Eine angemessene
Erziehung fehle und sei auch nicht durch Inhaftierungen zu
erreichen.
Die Forderung, das Strafmündigkeitsalter
herabzusetzen, sei zwar alt, werde dadurch aber nicht richtiger.
Für die Grünen lehnt deren rechtspolitischer Sprecher
Jerzy Montag entsprechende Forderungen daher konsequent ab. Es
bestehe gegenwärtig gar keine Notwendigkeit, darüber zu
diskutieren, die Strafmündigkeit abzusenken, sagt er und
weiter: "Diese setzte voraus, dass tatsächlich immer mehr
Kinder und jugendliche straffällig würden. Das ist jedoch
mitnichten der Fall: Die Kinderkriminalität in Deutschland ist
seit Mitte der 90er-Jahre kontinuierlich rückläufig."
Nach den Polizeilichen Kriminalstatistiken sei die Zahl der
tatverdächtigen Kinder zwischen 1998 und 2003 um mehr als 17
Prozent gesunken. Die Berichterstattung in den Medien über
spektakuläre Einzelfälle stelle diese Realität
völlig verzerrt dar. Davon unabhängig lehnten die
Grünen auch aus inhaltlichen Gründen die Forderung ab.
Kinderkriminalität verlange nach differenzierteren
Lösungsansätzen, als sie das Strafrecht bieten
könne. Auch 13-jährige Straftäter seien Kinder,
deren Persönlichkeit sich noch in der Entwicklung befinde.
Genau hier gelte es, "kriminellen Karrieren" vorzubeugen. Jerzy
Montag: "Es bedarf einer engen Vernetzung aller Gruppen im Umfeld
des Kindes, um im Einzelfall angemessen, wirksam und umfassend auf
das Kind einwirken zu können. Eltern, Polizei, Jugendhilfe und
Schule müssen an einem gemeinsamen Strang ziehen und nach
Analyse der konkreten Situation des Kindes die im Einzelfall
notwendigen Maßnahmen erarbeiten. Auch das Kind selbst ist
einzubeziehen."
"Der Anstieg der Kinder- und
Jugendkriminalität - besonders bei nur bedingt
Strafmündigen ist besorgniserregend und sollte von den
Politikern und der Gesellschaft nicht auf die leichte Schulter
genommen werden", sagt dagegen die CSU-Bundestagsabgeordnete
Daniela Raab. Es sei aber nicht Aufgabe der Politik, durch die
Herabsenkung der Altersgrenze im Jugendstrafrecht zu reagieren,
sondern die gesellschaftlichen Bedingungen müssten sich
ändern. Die Juristin fährt fort: "Unsere Gesellschaft
kümmert sich vermehrt zu wenig um unsere Kinder. Die Familien
- früher eine feste Bezugsquelle und Halt - zerbrechen. Werte
und Normen werden nicht mehr ausreichend vermittelt - es kommt zu
einer Entfremdung und Verwahrlosung vieler Kindern die in
Schulverweigerung, Jugendarbeitslosigkeit und letztendlich in
Kriminalität enden. Eine Spirale, die früh zu drehen
beginnt und von der Gesellschaft kaum noch abzufangen ist." Zu
Recht liege die Strafmündigkeitsgrenze in Deutschland bei 14
Jahren. Obwohl die Kinder sich heute immer schneller und
früher entwickelten, müssten aber Einsicht- und
Steuerungsfähigkeit gegeben sein. Dies müsse in vielen
Fällen überprüft werden und werfe immer wieder
schwierige gutachterliche Fragen auf - nicht nur bei Kindern,
sondern auch bei jungen Erwachsenen. Viele Gerichte neigten, so die
CSU-Abgeordnete, in der Praxis dazu, bei Angeklagten zwischen 18
und 21 Jahren im Regelfall einen Reiferückstand allein
aufgrund des Alters anzunehmen, was dann zu einer Anwendung des
Jugendstrafrechts führe. Hier sei sie aber der Meinung, dass
ein 18-Jähriger durchaus wie ein Erwachsener behandelt werden
sollte und somit die eigentliche Gesetzesgrundlage, nämlich
das allgemeine Strafrecht, als Regelfall und nicht als Ausnahme
angewandt werden sollte. Demgegenüber habe sich die
Grenzziehung der Strafmündigkeit bei 14 Jahren bisher
bewährt.
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