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Helmut Merschmann
Was Sie schon immer wissen wollten
Wissen ist Macht: Leser beherzigen den Grundsatz
und Verlage produzieren Hefte und Journale
Was haben die Optimierung von Damenhygiene,
Supersprengstoff, grippale Killerviren und Methusalem-Mäuse
gemeinsam? Sie passen locker zwischen die beiden Heftdeckel von
"SZ-Wissen", einer Anfang Dezember zum ersten Mal erschienenen
Hochglanz-Zeitschrift. Der Süddeutsche Verlag betritt damit
den hart umkämpften Markt der "Wissensmagazine". Dort tummeln
sich bereits alt eingeführte Titel wie "Geo", "Bild der
Wissenschaft", die "P.M."-Hefte oder der deutsche Ableger von
"National Geographic". Macht nichts. Konkurrenz belebt das
Geschäft. So dachte auch der Holtzbrinck-Verlag und schickte
seinerseits "Zeit-Wissen" ins Rennen. Beide neuen Magazine zielen
auf dasselbe Marktsegment: höher gebildete Leser, die sich
über vorwiegend naturwissenschaftliche Themen informieren
wollen, allerdings auf unterhaltsame Weise. Bunte Hefte zum
Blättern und Verweilen.
Christoph Drösser, Chef von
"Zeit-Wissen", will ein "anderes Wissensmagazin" produzieren,
"eines, das sich nicht an wissenschaftliche Experten wendet, aber
trotzdem Tiefe hat, das Wissen in moderner und unterhaltsamer Weise
präsentiert". Patrick Illinger, Chefredakteur von "SZ-Wissen",
hält dagegen: "Wir haben versucht, an vielem zu sägen.
Auch an falschen Wahrheiten und an veralteten Versionen von
Wissenschaftsjournalismus." Gemessen an diesen Ansprüchen,
sind beiden moderne Magazine gelungen. Aufgeräumt, optisch
ansprechend, flott geschrieben. Inhaltlich mangelt es ihnen
allerdings bisweilen an genügend Trennschärfe.
Beide Hefte bieten intelligente Unterhaltung:
"Zeit-Wissen" kredenzt vier feste Rubriken, von Gesundheit
über Technik bis zu Wissenschaft und Leben, in die sich
notfalls auch historische und Psycho-Themen packen lassen. Bei
"SZ-Wissen" jongliert man Freihand. Auch Gedanken zu Kunst
("Skulpturen aus Plankton") und Architektur ("In Dubai entsteht ein
705-Meter-Koloss") gehören zum Themenspektrum. Ein bisschen
Spaß muss sein: Während die Redaktion von "Zeit-Wissen"
etwas respektlos Gegenstände wie Alufolie, Seife und CD's in
der Mikrowelle explodieren lässt, zersägt "SZ-Wissen",
nicht minder übermütig, eine Espressomaschine in der
Mitte und erklärt ihre Funktion auf zwölf Zeilen. Und
warum so viel Wissen? Beide Zeitungen haben in Lesebefragungen
festgestellt, dass bei die Lesern die Wissensthemen zum Teil noch
vor der Politik auf dem ersten Platz rangieren.
Der Trend, wissenschaftliche Themen quasi wie
in einer Auto- oder Frauenzeitschrift aufzubereiten, kommt vom
Fernsehen. Dort verbuchen Wissenssendungen wie "Galileo" (Pro7), "W
wie Wissen" (ARD) oder "Wer wird Millionär" (RTL) seit
längerer Zeit beträchtliche Einschaltquoten. "Wer wird
Millionär" ist mit bis zu zehn Millionen Zuschauern der
Abräumer schlechthin. So unterschiedlich im Ansatz diese
Sendungen auch erscheinen, dienen sie als Vorbild für die
Print-Titel insofern, als auch bei ihnen der Unterhaltungsfaktor
und die bunte Aufmachung groß geschrieben werden. Vom Ideal
eines gültigen Bildungskanons haben sie sich zugunsten
modischer Zeitgeist-Themen verabschiedet.
Dagegen ist nicht viel zu sagen. Denn niemand
weiß mehr so recht (mal abgesehen von schulischen
Kernkompetenzen), was man noch definitiv wissen muss. Die Zeiten
von Universalgelehrten, die das Wissen ihrer Epoche noch
überschauten, sind längst passé. Spezialisierung ist
seit langem gefragt. Alle Versuche, einen Wissenskanon der
Gegenwart zu definieren, wirken unvollkommen - angesichts der
angeblichen Verdopplung des gesamten Weltwissen alle fünf
Jahre - aussichtslos. Aus diesem Grund ist es wichtiger geworden zu
wissen, wie man eine Information bekommt, findet oder recherchiert,
als das Wissen selbst parat zu haben.
Bei der Suche nach den wichtigen und
richtigen Informationen sind Internet-Suchmaschinen unersetzbar
geworden. Ohne Suchmaschinen könnte sich kein Nutzer im
Informationsdi-ckicht und im Gewirr der abermilliarden Webseiten
zurechtfinden. Als Synonym für die Internet-Suche gilt Google.
Allein in Europa "googeln" über 55 Millionen Surfer
regelmäßig. Täglich gehen mehr als 200 Millionen
Suchanfragen bei der Suchmaschine ein. 30.000 dezentral vernetzte
Rechner bearbeiten den Wust an ständiger Neugierde, die
innerhalb von Millisekunden befriedigt wird. Nach firmeneigenen
Angaben sind derzeit 4,28 Milliarden Webseiten bei Google
verzeichnet. Hinzu kommen 880 Millionen Bilder in einer separaten
Datenbank sowie 650 Millionen Privatnachrichten aus den Newsgroups.
Neuerdings ist aber auch Google im Markt der Wissenschaft
vertreten: Die Datenbank "Scholar" soll die weltweiten
Wissenschaftspublikationen online zugänglich machen. Experten
schätzen, dass damit etwa die Hälfte des Internets
abgedeckt ist, welches aus zehn Milliarden HTML-Seiten bestehen
soll.
Der Erfolg der seit 1998 existierenden
Suchmaschine kann sich folglich sehen lassen. Kritiker sprechen
indessen von einem Monopol. Sie beklagen die Dis-kursmacht, die
Suchmaschinen wie Google gewonnen haben. Dadurch, dass sie
darüber entscheiden, was im Internet auffindbar ist und was
nicht, lenken sie die Aufmerksamkeit des Nutzers und erlangen eine
außerordentliche kulturelle wie auch ökonomische
Bedeutung. Einer Umfrage zu Folge beachten drei Viertel aller
Surfer lediglich die erste Seite der von Suchmaschinen
ausgespuckten Trefferliste. Dass kommerzielle Anbieter genau dort
auftauchen wollen, kann wenig erstaunen. Schließlich
hängt ihr Wohl und Weh von diesem Ranking ab. Dessen
Zustandekommen ist allerdings nicht ausreichend transparent. Bei
Google bestimmen die Zahl der Querverweise auf eine Webseite deren
Ranking in der Trefferliste. Bei anderen Suchmaschinen können
sich kommerzielle Anbieter bisweilen auch in die Reihenfolge
einkaufen.
Ohnehin findet das blinde Vertrauen, das in
Internet-Suchmaschinen gesetzt wird, immer weniger Beifall. Als an
der Hamburger Journalistenschule einmal der Internetzugang ausfiel
und auf konventionelle Weise in anderen Datenbanken recherchiert
werden musste, war das vielen Teilnehmern vollkommen fremd. Auch
Studenten, so klagen Professoren bereits, seien immer seltener in
der Uni-Bibliothek anzutreffen. Aus Bequemlichkeit googeln sie
lieber zu Hause und verlassen sich auf die Fundstücke aus dem
Internet, die sie oft genug bloß reproduzieren. Dabei ist nur
ein Bruchteil des wissenschaftlichen und journalistischen Wissens
im Internet vorhanden. Doch was sich bei Google nicht finden
lässt, so die bequeme Logik, existiert dann eben einfach
nicht.
Auch die Zuverlässigkeit der
Informationen aus dem Netz ist umstritten. Brauchbares Wissen liegt
dort nicht in jedem Fall vor. Am Beispiel des Online-Lexikons
"Wikipedia", einem Open-Source-Projekt, an dem jeder mitschreiben
kann, hat sich eine hitzige Diskussion über die
Vertrauenswürdigkeit der dortigen Informationen
entzündet. Weil eine Kontrollinstanz fehlt und jeder die
lexikalischen Einträge fortschreiben kann, gilt Wikipedia
vielen als unseriös. Doch was ist gesichertes Wissen?
Normalerweise entscheidet eine Gesellschaft in mühevollen
Kanonisierungsprozessen darüber. Die wiederum verlaufen immer
kurzfristiger, weil Wissen schnell veralten kann. Darunter haben
nicht zuletzt die großen Lexikon-Verlage mit ihren
schwergewichtigen Bänden zu leiden. Zeitschriften haben es da
einfacher: sie müssen keine letzten Wahrheiten
liefern.
Links:
www.sz-wissen.de
www.zeit-wissen.de
www.google.de
www.scholar.google.com
www.wikipedia.de
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