Presse im März 2005
Kritik an den
Kritikern
Benachteiligungsgesetz war Sache des ganzen
Kabinetts VON KNUT PRIES
BERLIN 8. MÄRZ Am Dienstag meldete erneut ein
Politiker aus dem rot-grünen Lager Bedenken gegen das
Antidiskriminierungsgesetz (ADG) an. Harald Schartau, SPD-Chef in
Nordrhein-Westfalen (NRW), klagte über Bürokratie,
Gefährdung von Arbeitsplätzen und Nachteile im
Landtagswahlkampf. Ähnlich hatten sich SPD-Bundesminister Otto
Schily, Wolfgang Clement und Hans Eichel geäußert,
zuletzt der brandenburgische Ministerpräsident Matthias
Platzeck (alle SPD). Besonders die Kommentare aus dem Kabinett
stoßen in den Regierungsfraktionen auf
Unverständnis.
Die Regierung sei an der Erarbeitung des Textes von Anfang bis Ende
beteiligt gewesen, legt Volker Beck, Parlamentarischer
Grünen-Geschäftsführer, in einer Chronologie des
Gesetzentwurfs dar. Zunächst gab es Eckpunkte aus dem
Familienministerium. Dann nahmen Clements Wirtschaftsministerium
und das Justizressort von Brigitte Zypries (SPD) teil. Zum Konsens
über den Ende November fertig gestellten Text trugen
überdies die Ressorts Innen, Verteidigung, Gesundheit und
Soziales bei.
Namentlich Clement wettert also gegen ein Gesetz, das er
mitformulierte: Der arbeitsrechtliche Teil stammt aus dem
Wirtschaftsministerium - und entspricht den Vorgaben der
EU-Richtlinie, die wiederum von der Bundesregierung in Brüssel
mitbeschlossen wurde. Darauf verwies am Dienstag DGB-Vize Ursula
Engelen-Kefer.
Sie, so Engelen-Kefer, könne sich Clements
Äußerungen und die Kritik an den vermeintlichen
negativen Folgen für Arbeitsplätze kaum
erklären". Der Entwurf gehe nur in seinem zivilrechtlichen
Teil erkennbar über die EU-Vorgaben hinaus. Das wirkt
sich ja aber gerade nicht in den Betrieben aus." Der DGB
unterstütze die Parteichefs Franz Müntefering (SPD),
Reinhard Bütikofer und Claudia Roth (beide Grüne) im
Bemühen, Ziel und Stoßrichtung des Gesetzes zu retten.
Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz verwahrte sich gegen
Schartaus Ankündigung, die NRW-Abgeordneten im Bundestag gegen
das ADG in Stellung bringen zu wollen.
Frankfurter
Rundschau 9.März 2005
Streit ums
Brandenburger Tor
Union will Ausweitung der Bannmeile des Bundestags
durchsetzen
VON MARTIN LUTZ
Berlin - Die von der Union geforderte Ausweitung der Bannmeile um
den Bundestag auf das Brandenburger Tor hat die rot-grüne
Koalition erneut abgelehnt. CDU und CSU kündigten an, diesen
Vorschlag am Freitag dennoch ins Parlament einzubringen. SPD und
Grüne hatten sich nach einer Anhörung von
Sachverständigen zum Versammlungsrecht im Innenausschuß
auf mehrere Nachbesserungen an ihrem bisherigen Gesetzentwurf
geeinigt.
Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) warf den Grünen
vor, eine Ausweitung des sogenannten befriedeten Bezirks auf das
Brandenburger Tor verhindert zu haben. Dies bedeute aber nicht,
daß die Union die anderen Änderungen ablehne.
Die Koalition will entgegen ihrem vorangegangenen Gesetzentwurf nun
darauf verzichten, daß der Bundestag die Orte festlegt, die
als Stätten zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus
besonderen Schutz genießen. Nach dem neuen Koalitionspapier
sollen nun die 16 Bundesländer - wie von der Union gefordert -
diese Orte per Landesgesetz bestimmen, an denen Demonstrationen
verboten werden können.
An historisch herausragenden Gedenkstätten von
überregionaler Bedeutung wie etwa an KZ-Gedenkstätten und
dem Berliner Holocaust-Denkmal für die ermordeten Juden
Europas kann die Versammlungsbehörde Demonstrationen verbieten
oder mit Auflagen versehen. Voraussetzung ist die Feststellung
konkreter Umstände, nach denen durch eine Demonstration die
Würde der Opfer beeinträchtigt wird.
Die Union will am Mittwoch im Innenausschuß nochmals
über Details beraten. Bosbach verwies hierbei auf den
bayerischen Ort Wunsiedel, wo regelmäßig Veranstaltungen
zum Gedenken an den früheren Hitler-Stellvertreter Rudolf
Heß stattfinden. SPD-Innenexperte
Dieter Wiefelspütz bekannte sich zu der auch von der Union
erhobenen Forderung, die Festlegung der geschützten Gedenkorte
in die Zuständigkeit der Länder zu übertragen.
Dem werden wir uns nicht versagen", so Wiefelspütz.
Die Koalition will zudem den Paragraphen zur Volksverhet
zung im Strafgesetzbuch verschärfen. Dem nachgebesserten
Gesetzentwurf zufolge kann künftig wegen Volksverhetzung
bestraft werden, wer öffentlich oder in einer Versammlung den
öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer
verletzenden Weise stört, indem er die NS-Gewalt- und
Willkürherrschaft billigt, verherrlicht oder
rechtfertigt.
Die Welt
9.3.2005
Schuld und
Bühne
Rot gegen Grün - in der
Visa-Affäre ist sich jeder selbst der
Nächste
VON TINA
HILDEBRANDT,BERLIN
Drei Wochen lang war Joschka Fischer abgetaucht, selbst
langjährige Weggefährten ließ der
Außenminister kaum an sich heran. Parteifreunde erlebten
ihren "Leitganter" ungewöhnlich verzagt und grüblerisch.
Fischer habe schlichtAngst, sich öffentlich zur
Visa-Affäre zu äußern und sich dabei in
Widersprüche zu verwickeln, die ihn das Amt kosten
könnten, hieß es.
Zwischenzeitlich soll Fischer gar so demütig geworden sein,
dass er mit dem Gedanken spielte, sein weiteres Schicksal mit dem
Kanzler in einem Vier-Augen-Gespräch zu beraten. Doch dann
raffte sich der leicht derangierte Obergrüne zum Angriff auf.
Beim Landesparteitag der Grünen in Köln räumte
Fischer erstmals persönliche Fehler ein und gab zu, auf die
Missstände in der deutschen Botschaft in Kiew falsch reagiert
zu haben. Anstatt sich lange mit Schlussfolgerungen aus dieser
Selbstkritik aufzuhalten, blies Fischer dann sogleich zur Attacke
gegen die Opposition, die das "tapfere Volk der Ukrainer" in
Misskredit bringen wolle. Ergriffen nahm der Außenminister
anschließend den Applaus des linken Landesverbands
entgegen.
Wie er es denn finde, dass nun der niedersächsische
Ministerpräsident Christian Wulff vor ihm als beliebtester
Politiker rangiere, wollte ein Reporter anschließend wissen.
"Da würde ich an Ihrer Stelle mal Frau Merkel fragen", gab
Fischer schlagfertig zurück. Joschka, das war die Botschaft
dieses Auftritts an die Partei, ist wieder ganz der alte, der
Wahlkampf kann beginnen.
"Die Luft ist raus", hofft Olaf Scholz, Obmann der SPD im
Visa-Ausschuss. Gemeint war die Visa-Affäre. Doch Fischers zum
Befreiungsschlag verklärter Notauftritt kann nicht
darüber hinwegtäuschen: Nach dem kurzen Zwischenhoch zum
Jahresbeginn liegen die Nerven in der Koalition schon wieder blank.
Die SPD hat die massen- und medienpsychologische wirkung von
fünf Millionen Arbeitslosen unterschätzt und ist nun tief
verunsichert. Die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern ist
mies. Alte Animositäten brechen wieder auf, aber auch
unterschiedliche Vorstellungen vom künftigen Kurs der
Regierung.
Monatelang hatten die Grünen sich als der intelligentere,
dynamischere Teil der Koalition gefühlt und die SPD dies
spüren lassen. Der Kanzler solle nicht vergessen, wer ihm die
Bundestagswahl gewonnen habe, ließen die Grünen ihren
Koalitionspartner gelegentlich wissen. Die Genossen ihrerseits
fanden es ungerecht, dass sie den ganzen Unmut über die Agenda
2010 abbekamen, während die Grünen unangreifbar zu sein
schienen. Das seien eben alles Besserverdiener, hieß es halb
neidisch, halb hämisch.
Aber die SPD nahm das pralle grüne Selbstwertgefühl
murrend hin, solange beide Parteien wie kommunizierende Röhren
funktionierten und die Grünen zum Gesamterfolg der Koalition
beitrugen. Nun verlieren zum ersten Mal seit langem beide zugleich
in den Umfragen, und der Ton zwischen den Koalitionspartnern wird
gereizter. In der SPD herrscht leise Genugtuung, dass es die
selbstzufriedenen Grünen nun auch mal beutelt. Einerseits.
Andererseits fürchten die Sozialdemokraten, die
Visa-Affäre könnte ihnen beim Wähler mehr schaden
als dem kleinen Koalitionspartner.
"Der Außenminister bleibt Außenminister", befand
Kanzler Schröder nach Joschka Fischers Auftritt. Nahezu
täglich versichert er seinem Vize derzeit seine
Rückendeckung - und macht damit deutlich, warum Fischer
Minister bleibt: weil Schröder es will. Eifersüchtig
hatte der Kanzler in den vergangenen Jahren beobachtet, wie Fischer
zum beliebtesten Politiker der Republik aufgestiegen war. Immer
wieder erinnerte er ihn daran, wer Koch und wer Kellner sei in der
Koalition - zuletzt beim Besuch des US-Präsidenten in Mainz.
Fischer seinerseits musste zusehen, wie der Kanzler immer mehr
Geschmack an der Außenpolitik fand und ihm vieles wegnahm.
Dass Fischer nun fürs Erste zurückgestutzt ist und mit
ihm seine Partei, betrachtet der SPD-Teil der Regierung denn auch
als "Normalisierung".
Die Reizschwelle für Attacken gegen den kleinen
Koalitionspartner sinkt jedenfalls. Joschka Fischer solle die
Kompetenz für die Visa-Erteilung an Innenminister Otto Schily
abgeben, verlangten SPD-Innenpolitiker wie Cornelie Sonntag-Wolgast
und Dieter Wiefelspütz. Hinter der Forderung steckt nicht nur
der geballte Arger vieler Genossen über den
Außenminister, dem die Stimmenverluste der SPD in
Schleswig-Holstein angelastet werden, sondern ein tiefer Argwohn
gegenüber seiner Partei, die in Fragen der
Ausländerpolitik als abgehoben gilt. "Ihr braucht euch
für nichts zu entschuldigen", mit diesen Worten hatte Fischer
den Grünen in Köln großzügig Absolution
erteilt. Ihm war es vor allem darum gegangen, der verunsicherten
Partei vor der Landtagswahl im Mai wieder Kampfesmut zu geben. Doch
nebenbei hat Fischer damit eine selbstkritische Revision
grüner Positionen für obsolet erklärt.
In der Regierung ist man gleichwohl froh, dass Fischer mit seinem
"mea culpa" die Debatte weg von seiner Partei und hin zu sich
selbst befördert hat. Denn nichts käme ungelegener als
ein ideologischer Grundsatzstreit um die richtige
Ausländerpolitik. Freiheit und Sicherheit, die beiden Pole der
Debatte, werden in der Regierung durch Otto Schily und Joschka
Fischer verkörpert. Einen offenen Konflikt zwischen den beiden
Ministern will der Kanzler vermeiden, sie gelten als markante
Köpfe in einem ansonsten bis auf wenige Ausnahmen
unscheinbaren Kabinett.
Innen- und Außenminister stecken in der Visa-Affäre in
einem Dilemma: Schily, der schon früh vor dem Missbrauch
gewarnt hatte, kann sich nur entlasten, wenn er seinen Kollegen
Fischer belastet. Also ist er zum Schweigen verdonnert. Im Kabinett
werden das Thema Visa und die damit verbundene kommunikative
Zwickmühle beschwiegen. Auch in einem Gespräch zwischen
Schröder, seinem Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier,
Fischer und Schily vermieden es die Regierungsspitzen, Klartext zu
sprechen, zumal das Verhältnis zwischen Fischer und dem
ehemaligen Grünen Schily auch emotional aufgeladen ist. Er sei
nur Minister, weil es die Grünen gebe, hatte Fischer Schily
einmal im Zorn entgegengeschleudert.
In der SPD vermischen sich die Angst vor weiteren Stimmenverlusten
durch die Visa-Affäre und den wachsenden Verdruss angesichts
von mehr als fünf Millionen Arbeitslosen derweil zu einer
Melange aus Nervosität und Lähmung. Der Kanzler
erklärte zwar den Streit zwischen Wirtschaftsminister Clement
und Hans Eichel um den richtigen Kurs in der Finanzpolitik
zugunsten des Finanzministers für beendet. Auch SPD-Partei-
und Fraktionschef Franz Müntefering lehnt kurzfristige
Steuersenkungen für Unternehmen oder teure
Investitionsprogramme ab. Doch die Debatte geht weiter. In der
Vorstandssitzung am vergangenen Montag geriet Müntefering
unter Druck. Während Kanzler Schröder auf Werbetour durch
Arabien war, forderte die Parteilinke ein "Sofortprogramm" von zwei
Milliarden Euro zur Förderung jugendlicher Arbeitsloser.
Versuche des Parteichefs, die Debatte darüber zu beenden,
schlugen fehl. Der Wille des Parteivorstands sei eindeutig klar
geworden, fasste Bundestagspräsident Thierse am Ende zusammen:
"Das geht jetzt ans Kabinett."
Andrea Nahles, eine der Initiatorinnen, will dafür sorgen,
dass das Konzept nicht wieder in der Schublade verschwindet.
Business as usual könne es angesichts von fünf Millionen
Arbeitslosen, davon rund 750 000 unter 25 Jahren, jedenfalls nicht
geben. "Wir können nicht einfach nur die Statistik
erklären", drängt Nahles, "wir müssen Politik
machen."
Die ZEIT
3.3.2005
Februar:
Wiefelspütz will gemeinsame Lösung bei
Versammlungsrecht
Union und SPD
wollen beim Versammlungsrecht Möglichkeiten für eine
gemeinsame Lösung suchen. Wie der heimische
SPD-Bundestagsabgeordnete im Deutschen Bundestag befriedigt
feststellte, sind die Innenexperten Wolfgang Bosbach (CDU) und
Dieter Wiefelspütz (SPD) zu Gesprächen über einen
fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf in der kommenden Woche
bereit. „Entscheidend ist für uns der Schutz des
Brandenburger Tors und des Holocaust-Mahnmals“ sagt
Unions-Fraktionsvize Bosbach. „Warum sollte im Interesse der
Demokratie kein gemeinsames Vorgehen gelingen?“ fragt Dieter
Wiefelspütz.
In der stark
beachteten Debatte des Deutschen Bundestages wies Dieter
Wiefelspütz darauf hin, dass das Grundrecht auf
Versammlungsfreiheit konstitutiv sei für unsere
Bundesrepublik. „Unsere Demokratie ist aber auch eine
wehrhafte Demokratie mit Null Toleranz gegenüber den Feinden
der Demokratie“ so Dr. Wiefelspütz. Gesetzliches
Vorgehen bedeute jetzt eine Gratwanderung.
Das
„Gesetz über befriedete Bezirke für die
Verfassungsorgane des Bundes“ trat im Jahr 1999 nach dem
Umzug von Bundestag und Bundesrat nach Berlin in Kraft. Es
löste das Bannmeilengesetz ab, das seit 1955 den
Regierungsbezirk in Bonn vor jeglichen Versammlungen schützte.
Anders als in Bonn ist die Regelung für Berlin nicht so
strikt: Öffentliche Versammlungen und Aufzüge im
befriedeten Bezirk um den Reichstag können hier dann verboten
werden, wenn eine Störung der Arbeit im Parlament zu
befürchten ist.
SPD und
Grüne wollen geschützte Bereiche auch um das
Holocaust-Mahnmal einrichten, in denen Versammlungen verboten
werden können. Außerdem versuchen sie, durch eine
Ausweitung des Tatbestands der Volksverhetzung ein Verbot von
NPD-Kundgebungen auch an anderen Orten zu erleichtern. Die
Unionsparteien fordern, Demonstrationen im befriedeten Bezirk
prinzipiell zu verbieten und nur in Ausnahmefällen zuzulassen.
Nach dem Willen der Union soll das Brandenburger Tor und das direkt
daneben liegende Holocaust-Denkmal in das Gebiet einbezogen
werden.
„Wir
werden die Probleme um das Versammlungsrecht konstruktiv
miteinander beraten“ sagt Dieter Wiefelspütz.
Dr. Dieter
Wiefelspütz MdB
- Büro
Berlin -
Lotti
Lietzmann
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