Gegensätzliche Reaktionen zur Positivliste
Berlin: (hib/OHO) Gegensätzliche Reaktionen bei Sachverständigen und Interessenvertretungen hat der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf (15/800) über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Positivlistengesetz) hervorgerufen. Dies zeigte eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherheit am Mittwochmittag. Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen künftig nur solche Medikamente von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden, die auf der Positivliste stehen. Die Regierung glaubt, damit eine dauerhaft hohe Qualität in der Arzneimittelverordnung gewährleisten zu können, und rechnet mit jährlichen Einsparungen in Höhe von 800 Millionen Euro.
Während unter anderem die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung die Einführung einer Positivliste grundsätzlich begrüßten, lehnten der Deutsche Generikaverband und der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) diese ebenso entschieden ab. Den Krankenkassen sei die Einführung einer Positivliste seit langem "ein Grundanliegen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Skeptisch stünden die Kassen der Aufnahme von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen in die Positivliste gegenüber. Wolfgang Kaesbach, der den Bundesverband der Krankenkassen vertrat, merkte an, dass die Arzneimitteltherapie damit zwar "anspruchsvoller" werde, aber ein Beitrag gegen "Placebomedizin" geleistet werde. Lothar Lieschke von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung begrüßte die durch die Positivliste gegebene "konkrete Hilfestellung für den Arzt". Die Sorge, dass mit der Positivliste therapeutische Lücken entstehen, teile die Vereinigung nicht. Diese Auffassung vertrat auch Professor Ulrich Schwabe vom Institut für Arzneimittelverordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dagegen befürchtete Günther Sauerbrey vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) das Entstehen von therapeutischen Lücken. Für ihn stellt die Positivliste auch deswegen "ein nicht zielführendes Instrument" dar, weil die Bürokratie zunehme und Einsparungen in der von der Regierung genannten Höhe wegen der tendenziell höheren Preise der Substitute nicht möglich seien.
Für den Deutschen Generikaverband ist die Positivliste ein falsches Instrument. Durch diesen Ansatz könne die Qualität der Arzneimittelversorgung abnehmen. Stattdessen plädiert der Verband für eine prozentuale Zuzahlung zu Arzneimitteln. Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller fordert in seiner schriftlichen Stellungnahme statt einer Positivliste eine "moderate Ausweitung der Negativliste über geringfügige Gesundheitsstörungen mit einem Einsparvolumen von über 800 Millionen Euro". Der Verband vertritt in dem Schreiben die Ansicht, die Einführung einer Positivliste könne wegen eines Substitutionseffektes hin zu teureren Verordnungsalternativen finanziell kontraproduktiv sein. BPI-Vertreter Sauerbrey bezeichnete das bezifferte Einsparvolumen als "völlig aus der Luft gegriffen".
Patientenvertretungen wie das Kuratorium Knochengesundheit, der Deutsche Diabetiker Bund und die Amputierten-Initiative kritisieren Einschränkungen der Verordnungsfähigkeit bestimmter Arzneimittel und fordern eine Anpassung der Positivliste. Für das Kuratorium Knochengesundheit ist der Entwurf "eine gesetzliche Festschreibung der Zwei-Klassen-Medizin". "Ein Skandal" sei die jetzige Form der Positivliste, nach der zum Beispiel Männer mit Osteoporose nicht behandelt werden dürften, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.