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März 02/2000
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EXPERTENANHÖRUNG

"Schulsport ist wichtiger denn je"

(sp) Die Förderung von körperlicher Aktivität im Vorschulalter sowie der Schulsport sind heute von größerer Bedeutung als jemals zuvor. Zu diesem Schluss kam der Mediziner Professor Wildor Hollmann vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin in Köln bei der Expertenanhörung des Sportausschusses "Aktuelle Situation im Schulsport" am 23. Februar.

Angesichts des stetig wachsenden Bewegungsdefizits bei Kindern und Jugendlichen durch Sitzzwang in der Schule und bei den Hausarbeiten, der noch immer zunehmenden Stundenzahl vor Fernsehern und Computern und neuer passiver Unterhaltungsmöglichkeiten sei Sport für den Gesundheitszustand der Schüler besonders wichtig. Eine Vielzahl von Untersuchungsergebnissen auf nationaler und internationaler Ebene belege heute, so Professor Hollmann, seine Bedeutung im Kindes­ und Jugendalter für das Herz­Kreislauf­System, die Atmung und den Stoffwechsel. Daneben seien in jüngster Zeit "ungeahnt enge Verzahnungen" zwischen muskulärer Tätigkeit einerseits sowie Gehirn und Geist andererseits beschrieben worden.

ýhnlich äußerte sich der Sachverständige Professor Klaus Bös vom Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe in seinem Statement. Bei der motorischen Förderung der Kinder in der Schule geht es nach seiner Ansicht auch um die Förderung der sportlichen Leistung, aber mehr noch um die Verhinderung oder Beseitigung von Fitnessmängeln, Koordinationsschwächen und Haltungsproblemen. Es gebe immer weniger Kinder, die motorisch hervorragende Leistungen erbringen, aber immer mehr inaktive ýit motorischen Leistungsschwächen. Nach Dr. Friedrich Fiegenbaum vom Evangelischen Krankenhaus Bethanien in Iserlohn (NRW) sollte der Sport aus gesundheitlicher Sicht in seinen Zielen und Inhalten durch Betonung der Ausdauer­komponente in Verbindung mit Spaß daher zumindest Gleichberechtigung, wenn nicht Vorrang vor dem Gedanken der Leistung bekommen. Ein breit gefächertes Angebot von Sportarten in der Schule in Verbindung mit den Vereinen stelle ideale Voraussetzungen für diese Umsetzung dar.

Die Vorsitzende des Bundeselternrats, Renate Hendricks, wies darauf hin, dass nach repräsentativen Untersuchungen rund siebzig Prozent aller Kinder heute mit psychosomatischen Auffälligkeiten in die Grundschule kommen. Unsere gesamte Umwelt erziehe Kinder und Jugendliche zu bewegungsarmen Menschen. Es müsse deshalb in einer modernen und präventiven Konzeption von Schule Anlässe und Räume zum Bewegen geben. Hendricks beklagte, dass aufgrund von Einsparungen regelmäßiger Sportunterricht nicht mehr in allen Schulformen gesichert sei. Zudem hätten Sportlehrer das Problem, in der Rangordnung der Pädagogen nicht ernst genommen zu werden. Die einseitige Entwicklung einer Prioritätenverschiebung zu mehr und besser unterrichteten Kernfächern lehne der Bundeselternrat ab.

Auf diese Problematik wies auch der Leiter des Sportgymnasiums Neubrandenburg, Winfried Schneider, hin. Notwendig sei hier eine Aufklärung der Eltern. Als "dramatisch" bezeichnete er die Altersstruktur der Sportlehrer. Die Schüler würden von immer älteren Sportlehrern unterrichtet. Drastische Einschnitte beim Sportunterricht beklagte der Vorsitzende des Deutschen Sportlehrerverbandes, Claus Umbach. Er forderte einen qualitativ und quantitativ ausreichen Sportunterricht sowie eine bundesweite Schulsportuntersuchung. Der Sachverständige Harald Schmid konstatierte ein grundlegend verändertes Bewegungsverhalten der Kinder. Zum Teil seien die Probleme so groß, dass normaler Schulsport die Defizite nicht ausgleichen könne. Er hielt es daher für dringend notwendig, Kinder auch zum außerschulischen Sport anzuregen. Der Beauftragte des Deutschen Sportbundes zum Schulsport, Norbert Petry, drückte den Wunsch nach stärkerer Unterstützung des Schulsports durch die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie die Wissenschaft aus. Auf Bundes­ und Landesebene seien durchaus fruchtbare Ansätze für Verbesserungen vorhanden. Doch letztlich müssten sich vor Ort die beteiligten Eltern, Schüler und Lehrer engagieren und zu Lösungen beitragen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0002/0002060a
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