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Oktober 10/2000
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VIDEOÜBERWACHUNG:

Schutz für die Bürger oder Bedrohung ihrer Privatsphäre?

Überwachung durch Videokameras.
Überwachung durch Videokameras.

Schon heute werden Menschen Tag für Tag von Videokameras beobachtet: beim Abschiedskuss am Bahnhof, beim Tanken, im Parkhaus, in der Bank. Bundesweit wird darüber debattiert, ob die Überwachung durch Videokameras weiter ausgedehnt und Kriminalitätsschwerpunkte auf öffentlichen Straßen und Plätzen beobachtet werden sollen. Der nordrhein-westfälische Innenminister Dr. Fritz Behrens forderte ein neues Bundesdatenschutzgesetz, das die Videoüberwachung für jüdische Einrichtungen erleichtert, um ihre Sicherheit zu steigern. Auch der Innenausschuss des Bundestages befasste sich im Rahmen einer Expertenanhörung mit der Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze durch Videokameras.

Die Befürworter von mehr Videoüberwachung glauben, dass sie so Verbrechen vorbeugen, das Sicherheitsgefühl der Bürger erhöhen und ihnen ermöglichen, ohne Angst auf die Straßen zu gehen. Die Gegner einer stärkeren Beobachtung befürchten, dass die Privatsphäre der Menschen verletzt wird, weil die Kameras auch völlig unverdächtige Bürger beobachten und dass die Kriminalität nur an Orte verdrängt wird, die nicht per Video überwacht werden.

Blickpunkt Bundestag fragte sachverständige Abgeordnete aller fünf Bundestagsfraktionen nach ihrer Meinung zu diesem Thema.

Barbara Wittig, SPD
Barbara Wittig, SPD
barbara.wittig@bundestag.de.



Einsatz von Videokameras ist kein Allheilmittel

Für eine flächendeckende Videoüberwachung besteht in Deutschland – auch in Großstädten – kein Bedarf. Innere Sicherheit lässt sich nicht auf Sicherheit vor Straftaten reduzieren, denn das positive Lebensgefühl in einer Stadt oder einem Wohngebiet hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise von guter Nachbarschaft und einem funktionierenden Gemeinwesen. Dazu gehört unter anderem die Freiheit, sich auch im öffentlichen Raum grundsätzlich unbeobachtet bewegen zu können.

Deshalb muss sorgfältig ausgewählt und entschieden werden, an welchen Orten zu welchen Zwecken Kameras zum Einsatz kommen sollen. An erwiesenen Kriminalitätsbrennpunkten kann Videoüberwachung dazu beitragen, die Kriminalitätshäufigkeit zu verringern, die Aufklärungsquote zu erhöhen und das Sicherheitsgefühl zu verbessern – ein Allheilmittel zur Lösung von Sicherheitsproblemen ist sie allerdings nicht. Insbesondere kann sie nicht von der Aufgabe entbinden, ursachenorientiert die Entstehung von Kriminalität zu verhindern.

Polizei muss schnell an Ort und Stelle sein

Videoüberwachung ersetzt keineswegs die polizeiliche Präsenz. Die Sicherheitserwartungen der Bürgerinnen und Bürger würden enttäuscht, wenn sich nicht ein schneller Zugriff durch die Polizei anschließen würde. Dazu benötigt die Polizei eine entsprechende Personalausstattung.

Ob die Videoüberwachung wirklich zu einem echten Rückgang von Straftaten führt, hängt auch davon ab, ob und in welchen Bereichen sie einen Verdrängungseffekt auslöst. Im Bereich z.B. der Rauschgiftkriminalität sind solche Verdrängungsprozesse bekannt: Die Szene wandert aus überwachten Bereichen in andere Gebiete ab. Dieser Effekt muss deshalb untersucht und analysiert werden, und zwar auf längere Sicht. Das gilt für den Videoeinsatz insgesamt: Notwendig ist eine zeitliche Evaluation hinsichtlich seiner Effektivität und seiner Effizienz.

Im Sicherheitsbereich kein Handlungsbedarf für den Bund

Die Überwachung von Straßen und Plätzen ist schwerpunktmäßig eine Aufgabe der allgemeinen Gefahrenabwehr. Damit sind für die Regelungen der Zulässigkeitsvoraussetzungen von Videoaufnahmen und -aufzeichnungen in erster Linie die Länder zuständig. Voraussetzungen, die in die Bundeszuständigkeit fallen, sind durch bereichsspezifische Spezialgesetze wie etwa das Bundesgrenzschutz- oder Bundeskriminalamtgesetz hinreichend geregelt. Es gibt klare Vorgaben darüber, wer Überwachungen anordnen darf, wann ein Richter einzuschalten ist, nach welcher Zeit Aufzeichnungen zu löschen sind. Daher besteht im Sicherheitsbereich für den Bund kein Handlungsbedarf.

Anders stellt sich die Situation im Bereich des Bundesdatenschutzgesetzes dar, da es bisher keine Vorschrift zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum enthielt. Der nunmehr vorliegende Gesetzesentwurf der Bundesregierung dient der Anpassung an die Richtlinie 95/46 EG des Europäischen Parlaments. Ein neu zu schaffender Paragraph 6 b befasst sich ausschließlich mit der Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Unter anderem wird im 6 b die Transparenz der Videoüberwachung und die alsbaldige Löschung der aufgezeichneten Daten geregelt. Eine Speicherung von Daten ist nur zulässig, soweit sie für den verfolgten Zweck erforderlich ist.

Erwin Marschewski, CDU/CSU
Erwin Marschewski, CDU/CSU
erwin.marschewski@bundestag.de.



Überwachung verringert die Kriminalität

Der verstärkte Einsatz von Videoüberwachungen öffentlicher Orte ist dringend notwendig, um insbesondere in Großstädten Kriminalitätsschwerpunkte rechtzeitig zu erkennen, die Kriminalitätshäufigkeit zu reduzieren, die Aufklärung von Straftaten zu steigern und das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit zu verbessern. Dies bestätigen zahlreiche Fall- und Erprobungsbeispiele. So wurde etwa im September 1995 zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität, von Taschendiebstählen und Diebstählen rund ums Kfz die Videoüberwachung im Bereich des Leipziger Bahnhofs als einem Kriminalitätsbrennpunkt initiiert. Bereits nach kurzer Zeit reduzierten sich die Fälle der Kfz-Diebstähle und der Taschendiebstähle um die Hälfte. Die insgesamt außerordentlich positiven Erfahrungen haben die Polizei in Leipzig dazu bewogen, das Projekt fortzuführen. Messbare Erfolge zeigten auch Überwachungsmaßnahmen in Regensburg und Berlin (Bahnhof Zoo).

Bundesländer müssen die Grundlagen schaffen

Deshalb müssen Videoüberwachungen möglich sein. Die gesetzlichen Grundlagen hierfür müssen in erster Linie die Bundesländer schaffen. Die Regelungen sind nämlich in den Landespolizeigesetzen zu treffen. Dabei ist genau zu bestimmen, in welchen Fällen Videoüberwachungen und deren Aufzeichnung zulässig sein sollen.

Falsch ist die immer wieder von Bündnis 90/Die Grünen erhobene Behauptung, die CDU/CSU wolle eine flächendeckende Videoüberwachung oder gar einen totalen Überwachungsstaat. Für einen flächendeckenden Einsatz der Videoüberwachung besteht in Deutschland – auch in Großstädten – kein Bedarf. Es geht vielmehr darum, Videoüberwachungsmaßnahmen ganz gezielt an Kriminalitätsbrennpunkten durchzuführen, d.h. an Orten, an denen ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht, weil sich dort erfahrungsgemäß Straftäter verbergen, Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben. Deshalb müssen auch laufende Überwachungsmaßnahmen ständig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Auf Veränderungen im Kriminalitätsgeschehen muss lagebildorientiert und flexibel – insbesondere durch Einsatz mobiler Überwachungsanlagen – reagiert werden.

Wir wollen keine heimliche Videoüberwachung. Die Durchführung von Videoüberwachungsmaßnahmen ist durch umfassende Information der Bevölkerung über Zweck und Umfang der Überwachung transparent zu machen. Denkbar ist auch, durch das Anbringen von Hinweisschildern auf die Videoüberwachung aufmerksam zu machen.

Aufnahmen sollen live überwacht werden

Um im Rahmen eines umfassenden polizeilichen Einsatzkonzeptes zur Bekämpfung des Kriminalitätsbrennpunktes eine schnelle polizeiliche Reaktion auf erkannte Gefahrensituationen und Straftaten zu ermöglichen, sind die Videoaufnahmen grundsätzlich in rund um die Uhr besetzte polizeiliche Einsatzzentralen live zu übertragen und ständig zu überwachen.

Gleichzeitig ist eine zeitweilige Speicherung der Videoaufnahmen erforderlich, um eine lückenlose Dokumentation des Tatgeschehens zur Beweisführung in Ermittlungsverfahren zu ermöglichen, auch nachträglich angezeigte Straftaten durch Geschädigte und Zeugen rekonstruieren zu können, um Vortatphasen nachvollziehbar zu machen oder weitere Ansatzpunkte für die Fahndung nach Straftätern zu erhalten, um Straftäter zu identifizieren oder Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren treffen zu können. Die Aufzeichnungen sind nach einer angemessenen Frist zu löschen, es sei denn, sie werden für die weitere Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten benötigt.

Volker Beck, B'90/Die Grünen
Volker Beck, B'90/Die Grünen
volker.beck@bundestag.de



Statt Videos mehr Polizisten auf die Straßen

Eine flächendeckende Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ist ein Orwellsches Horrorszenario. Diese Vision, wie sie seinerzeit vom NRW-Landeschef der CDU, Jürgen Rüttgers, gezeichnet wurde, stößt aber mittlerweile selbst bei Konservativen auf Bedenken. Und zu Recht: Bürgerinnen und Bürger dürfen nicht auf Schritt und Tritt überwacht werden. Statt in der Kriminalpolitik stur auf Kontrolle und Repression zu setzen, wollen wir Bündnisgrüne eine effektive Kriminalitätsbekämpfung, ein Ineinandergreifen von Prävention, Intervention und Repression. Wer sich aber – wie Teile der Union – aus alten ideologischen Mustern nicht lösen kann, verpasst in diesem Bereich einen Neuanfang.

Videoüberwachung gaukelt Sicherheit nur vor

Wenn ich in einem Straßencafé meinen Cappuccino trinke oder auf der Parkbank Zeitung lese, möchte ich nicht dabei gefilmt werden. Unabhängig davon, ob oder wie lange die Videoaufnahme gespeichert werden würde: Dieser Eingriff in meine Privatsphäre ist vom Grundgesetz nicht gedeckt. Eine Totalüberwachung des öffentlichen Raumes bringt auch nicht den gewünschten Erfolg bei der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten. Schon jetzt weichen doch beispielsweise Drogendealer einfach dem Blick der Kamera aus und dealen eben an anderer Stelle, wo sie nicht beobachtet werden. Zu Recht hat deshalb die Gewerkschaft der Polizei die Rüttgers-Idee für untauglich gehalten: Diese Form der Überwachung gaukele nur Sicherheit vor.

Um das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung an neuralgischen Punkten wie Bahnhofsvorplätzen, U-Bahnstationen etc. effektiv zu stärken, sollte statt auf kostenintensive Elektronik eher auf Präsenz von Beamten aus Fleisch und Blut zurückgegriffen werden. Mehr Grün auf der Straße als hinter dem Bildschirm!

Massive Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger lassen sich allenfalls rechtfertigen, wenn die Maßnahme zur Bekämpfung schwerer Straftaten erforderlich ist. Dort, wo das Gefährdungspotential für die Bevölkerung latent hoch ist und wo auch feststeht, dass die Kriminalität sich nicht einfach verlagert, kann eine Videoüberwachung sinnvoll sein.

Klare datenschutzrechtliche Regelungen schaffen

Lässt man Videoüberwachung unter diesen Voraussetzungen ausnahmsweise zu, so muss man jedenfalls klare datenschutzrechtliche Regelungen schaffen. Videotapes, die nicht für ein Strafverfahren benötigt werden, müssen innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden. Nur wenn die Videoüberwachung auf einer rechtsstaatlich einwandfreien Grundlage steht, kann man den Bürgerinnen und Bürgern dieses Mittel auch zumuten. Dies wird im Übrigen die Koalition auch im neuen Bundesdatenschutzgesetz tun.

Jörg van Essen , F.D.P.
Jörg van Essen , F.D.P.
joerg.essen@bundestag.de.



Wir brauchen den Mut zu neuen Wegen

Videoüberwachung gehört in Deutschland längst zum Alltag. Ob im Bahnhof, in Kaufhäusern oder an Tankstellen: Die Kamera überwacht jeden Schritt. Nur wenige regt dies auf. Als ganz selbstverständlich werden die Kameras akzeptiert. Die Videoüberwachung hat sich bewährt und wesentlich zur Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bürger beigetragen.

Wirksames Mittel zum Schutz der Bürgerrechte

Es ist daher legitim, über eine Überwachung von öffentlichen Plätzen nachzudenken. Die Überwachung an Stellen und Plätzen, die besonders zu Straftaten einladen, kann zu einem besseren Schutz der Bürger führen. Gerade in Zeiten steigender Kriminalität und täglicher rechtsradikal motivierter Anschläge auf Mitbürger müssen wir den Mut haben zu neuen Wegen im Bereich der Kriminalitätsprävention und Kriminalitätsbekämpfung. Der Einsatz von Videokameras zur polizeilichen Überwachung öffentlich zugänglicher Straßen und Plätze stellt aus Sicht der F.D.P. ein wirksames Mittel zum Schutz der Bürgerrechte auf Eigentum und körperliche Unversehrtheit vor Straftaten dar. Dies wäre eine weitere Maßnahme zur Stärkung des Opferschutzes.

Regelmäßig fehlen jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine öffentliche Videoüberwachung. Die Überwachung des Bürgers mithilfe der Videokamera stellt einen staatlichen Eingriff in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dar. Dies bedarf einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben. Weiterhin muss die Ermächtigungsgrundlage dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die Polizei muss durch geeignete Maßnahmen darauf hinweisen, dass beobachtet bzw. aufgezeichnet wird. Die F.D.P. begrüßt eine diesbezügliche Forderung der Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern. Ebenso begrüßt die F.D.P. die Forderung nach einer Vorschrift, die den Missbrauch von Videoüberwachungskameras künftig unter Strafe stellt.

Freie Demokraten gegen flächendeckenden Einsatz

Eine flächendeckende Überwachung von öffentlichen Plätzen lehnt die F.D.P. ab. Weder flächendeckende Überwachung des gesamten Landes, wie sie die CDU fordert, noch die kategorische Ablehnung, wie sie insbesondere von den Grünen erfolgt, sind deshalb das Gebot der Stunde. Die Videoüberwachung darf nur an den Orten zulässig sein, bei denen nach den Erfahrungen der Polizei mit erheblichen Straftaten zu rechnen ist. Die Videoüberwachung darf jedoch nicht als Alibifunktion oder Entlastung der Polizei gesehen werden. Die F.D.P. fordert nach wie vor für die Polizei eine bessere technische Ausrüstung sowie eine gründlichere Ausbildung. Die Polizei muss auch weiterhin bürgernah sein und verstärkt Präsenz vor Ort zeigen. Das mit dem Einsatz der Videokamera gesteckte Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Polizei auch tatsächlich in der Lage ist, dem Bürger im Fall einer Straftat oder sonstigen Gefahr schnell zur Hilfe zu kommen.

Petra Pau, PDS
Petra Pau, PDS
petra.pau@bundestag.de.



Prinzip des Rechtsstaats wäre außer Kraft

Die Experten sind sich beim Thema "Videoüberwachung auf öffentlichen Straßen und Plätzen" uneins. Das ergab eine Anhörung des Innenausschusses am 5. Juli dieses Jahres. Gleichwohl fühlte ich mich nicht nur durch Prof. Thomas Feltes von der Hochschule der Polizei bestätigt. Er warnte vor einer Praxis, die mit dem Einsatz von Videokameras beginnt, sich weitere technische Möglichkeiten erschließt und auf den "total überwachten Alltag" zusteuert. Was übrigens grundgesetzwidrig wäre, weil es mit dem informellen Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger über Kreuz läge.

Die PDS ist also gegen den Einsatz von Videokameras auf öffentlichen Plätzen und Straßen, so, wie wir auch gegen den "großen Lauschangriff" waren. Sicher, es handelt sich um eine Abwägung zwischen dem Recht auf Sicherheit einerseits und dem Recht auf Selbstbestimmung andererseits. Damit stehen aber zugleich zwei weitere Pole zur politischen Wahl. Denn folgt man dem polizeivideobefürwortenden Zeitgeist, dann würden staatliche Interessen wieder einmal dem Schutz von Individualrechten vorgezogen.

Transparenz versinkt im Datenmeer

So umstritten der Umgang mit per Video gespeicherten Daten ist, so unumstritten dürfte allerdings sein, dass jede Bürgerin und jeder Bürger von den Kameras erfasst würde, egal ob es sich um Kriminelle handelt oder nicht. Mit anderen Worten: Jede und jeder fiele einem Generalverdacht anheim. Ein wesentliches Rechtsstaatsprinzip, nämlich die Unschuldsvermutung, wäre damit außer Kraft gesetzt.

Allein ein Streitpunkt zwischen jenen, die für eine Videoüberwachung öffentlicher Räume plädieren, sollte aufhorchen lassen. Denn wollen die einen das Filmmaterial eher online sichten und es sofort wieder löschen, sprechen sich andere für Speicherzeiten von mindestens zwei Wochen aus. Das ohnehin vage Gebot der Transparenz droht so in einem schwer durchschaubaren Datenmeer zu versinken.

Kriminelle Szene sucht sich videofreie Orte

Nicht zu überhören sind auch Befürchtungen, wonach die Technik nicht als Ergänzung, sondern eher als Ersatz für Polizistinnen und Polizisten vor Ort eingesetzt werden könnte. Bemerkenswert ist auch, dass alle, die der Videoüberwachung das Wort reden, gern auf das Londoner oder Leipziger Beispiel verweisen. Nur wurde bislang weder hie noch da empirisch seriös belegt, dass durch den Einsatz von Überwachungskameras die zu bekämpfende Kriminalität wirklich reduziert werden konnte. Bestenfalls, so das allgemeine Eingeständnis, treten Verdrängungseffekte ein, da sich die kriminelle Szene videofreie Orte suche. Dann allerdings läge es in der Logik der Befürworter, mehr und mehr öffentliche Räume in die Überwachung einzubeziehen, was wiederum die Tendenz des "total überwachten Alltags" stärken würde.

Es gibt für mich weitere, auch kriminaltaktische und sicherheitspsychologische Erwägungen, die gegen den Einsatz von Videokameras sprechen. Auf ein historisches Argument möchte ich als gelernte und kritische "DDR-Bürgerin" allerdings noch hinweisen. Ich habe 1989/90 erlebt und befürwortet, dass die Kameras, die das Leben auf dem Berliner Alexanderplatz "kontrollierten", abgebaut wurden. Das Ende dieser Überwachung ging wesentlich auf das Konto engagierter Bürgerrechtlerinnen und -rechtler. Es fand entsprechenden Beifall in den alten Bundesländern. Nun ist derselbe Alex erneut ein Platz beobachtender Begierde. Sage bitte niemand, das sei unvergleichlich.




Internet

Der Entwurf der Bundesregierung für eine Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes ist zu finden auf den Seiten des Bundesbeauftragten für den Datenschutz unter www.bfd.bund.de/aktuelles/index.html. Dort ist auch die Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten in der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Bundestages zur Videoüberwachung vom 5. Juli 2000 veröffentlicht. Weitere Informationen zu dieser Anhörung können schriftlich beim

Deutschen Bundestag,
Innenausschuss,
Platz der Republik 1
11011 Berlin

oder per Mail unter
www.vorzimmer.bf3a1@bundestag.de angefordert werden.


Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0010/0010012
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