AUSSPRACHE IM FINANZ- UND WIRTSCHAFTSAUSSCHUSS
Sachverständige erwarten günstigeren Verlauf der Konjunktur im nächsten Jahr
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Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung informierte den Finanzausschuss. Von links: Professor Wolfgang Wiegard, Reinhard Schultz (SPD), Barbara Höll (PDS), der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor Jürgen B. Donges, Ausschussvorsitzende Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen), Professor Jürgen Kromphardt, Professor Bert Rürup, Heinz Seiffert (CDU/CSU), Carl-Ludwig Thiele (FDP) und der Generalsekretär des Sachverständigenrates, Jens Weidmann.
(fi) Im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung herrscht weitgehende Übereinstimmung darüber, dass die wirtschaftliche Entwicklung im kommenden Jahr wieder günstiger verlaufen wird. Dies betonte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Professor Juergen B. Donges, am 12. Dezember im Finanzausschuss, wo er zusammen mit drei weiteren "der Fünf Weisen" das Jahresgutachten 2001/2002 des Sachverständigenrates (14/7569) vorstellte.
Bei den Berechnungen sei das Gremium allerdings davon ausgegangen, dass eine moderate Tariflohnpolitik fortgesetzt wird. Die Tarifparteien müssten dafür sorgen, dass nicht zusätzliche Beschäftigungsrisiken durch die Lohnpolitik geschaffen werden. Schon jetzt werde mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen im nächsten Jahr gerechnet.
Der Sachverständigenrat sieht nach den Worten seines Vorsitzenden keinen Grund, die Konjunktur durch Einzelmaßnahmen anzukurbeln. Weltweit werde mit einer Wiederbelebung gerechnet. Deshalb laute der Titel des Gutachtens auch "Für Stetigkeit – gegen Aktionismus". Es gebe aber ein paar Sektoren, wo die Regierung nichts oder das Falsche tue. Beim Arbeitsmarkt sei man in Sachen Elastizität und Flexibilität nicht zufrieden. Das von der Regierung geplante Tariftreuegesetz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hält der Sachverständigenrat für falsch. Reformen seien im Gesundheits- und im Bildungswesen erforderlich. Die CDU/CSU sah zu wenig Anreize für Investitionen im Inland. Es sei notwendig, mehr Freiraum für eine stärkere Entlastung breiter Einkommensschichten zu schaffen.
Auf unterschiedliches Echo stieß das Jahresgutachten 2001/02 des Sachverständigenrates am gleichen Tag im Wirtschaftsausschuss. Die Union bemängelte, dass die Bundesregierung kein wirtschaftspolitisches Konzept habe, um auf die konjunkturellen Herausforderungen zu reagieren. Wirtschaftspolitik werde, wenn überhaupt, im Bundesfinanzministerium gemacht. Eine eigenständige Wirtschaftspolitik des Bundeswirtschaftsministeriums finde nicht statt, so die Kritik der Union. Beispielsweise werde nicht genügend thematisiert, dass die Investitionsquote im Haushalt ein Rekordtief erreicht habe, während der konsumtive Anteil bemerkenswert hoch bleibe. In dieser Situation einfach zu warten, was passiert, werde sich bitter rächen. Eine Insolvenzwelle sei zu befürchten.
Die Liberalen stießen ins gleiche Horn. Es sei unbestreitbar, dass Deutschland europaweit beim Wachstum den letzten Platz einnehme. Seit Januar steige die Arbeitslosigkeit von Monat zu Monat.
Die SPD teilte diese Einschätzung nicht. Im Gutachten heiße es auch, dass eine allmähliche Verbesserung der Konjunktur sehr wahrscheinlich sei. Die Opposition habe in letzter Zeit immer wieder das Vorziehen der Steuerreform und Konjunkturprogramme gefordert. Der Sachverständigenrat äußere sich aber skeptisch über eine konjunkturelle Feinsteuerung. Weitere Strukturreformen in der Gesundheitspolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Bildungspolitik seien dennoch erforderlich.
Bündnis 90/Die Grünen sahen in dem Gutachten eine Bestätigung der Politik der Bundesregierung.