ENERGIEWIRTSCHAFTSRECHT NOVELLIERT
"Gute fachliche Praxis" soll Zugang zu Gasversorgungsnetzen gewährleisten
(wi) Der Bundestag hat am 17. Mai den Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (14/5969) gegen das Votum von CDU/CSU, FDP und PDS in geänderter Fassung angenommen. Er folgte dabei einer Empfehlung des Wirtschaftsausschusses vom 15. Mai (14/9081).
Damit wird der jetzige Ordnungsrahmen für die Gaswirtschaft ergänzt, wobei sich die Ergänzungen vor allem auf die Netzdefinition und den Netzbetrieb, auf das Netzzugangsrecht, auf die Veröffentlichung der wesentlichen geschäftlichen Bedingungen für den Netzzugang, die Trennung der Rechnungslegung und eine Schutzklausel ("Reziprozitätsklausel") bei Elektrizitätsimporten beziehen. Eine entsprechende Klausel für Gasimporte wurde angesichts des hohen Importanteils von rund 80 Prozent als überflüssig angesehen.
Durchleitung ermöglichen
Der Zugang zu den Gasversorgungsnetzen wird nach dem System des "verhandelten Netzzugangs" möglich werden. Die Netzbetreiber werden verpflichtet, anderen Unternehmen das Netz für Durchleitungen zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihnen in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen in Rechnung gestellt werden.
Durch einen Änderungsantrag im Wirtschaftsausschuss hat die Koalition die Bedingungen näher konkretisiert, zu denen die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen den Netzzugang einräumen müssen. Es wird ausgeschlossen, dass Netzbetreiber von Netzkunden unangemessene Bedingungen fordern. Dem wird durch die zusätzliche Anforderung an eine "gute fachliche Praxis" vorgebeugt. Die Geltung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs befristete der Bundestags bis Ende 2003. Er verweist auf die Verbändevereinbarung der Stromwirtschaft, die den Netzzugang verbessere und den Lieferantenwechsel auf Privatkunden vereinfache, heißt es im Gesetz. Die Ausgestaltung der Verbändevereinbarung schaffe Transparenz über Preise des Netzzugangs und rechtfertige somit eine Vermutung für eine "gute fachliche Praxis". Dies erhöhe die Rechtssicherheit aller Beteiligten.
Die Betreiber von Gasversorgungsnetzen werden verpflichtet, die wesentlichen geschäftlichen Bedingungen für den Netzzugang zu veröffentlichen, damit Dritte die Bedingungen beurteilen können. Dazu zählten Preise, Tarifstrukturen, Netznutzung und aktuelle Netzkarten der Betreiber von Gasversorgungsnetzen. Ferner werden im Internet regelmäßig aktualisierte Angaben über die Kapazitätssituation an den für den Netzzugang wesentlichen Einspeisepunkten der Gasversorgungsnetze und der Erdgasspeicher gemacht. Die Gemeinden erhalten das Recht, Wegenutzungsverträge nicht nur mit Elektrizitätsversorgungsunternehmen, sondern auch mit Gasversorgungsunternehmen abschließen zu können.
Keine Braunkohleklausel
Die Koalitionsfraktionen hatten zudem die so genannte Braunkohleschutzklausel des Regierungsentwurfs aufgehoben. Ihr Ziel wäre die Stabilisierung der ostdeutschen Braunkohleverstromung gewesen. An die Stelle der Braunkohleschutzklausel war inzwischen eine vertragliche Zusage der Hamburgischen Elektrizitäts-Werke (HEW) gegenüber der Bundesregierung getreten, die Braunkohleverstromung in den neuen Ländern langfristig zu sichern. Damit kann die ostdeutsche Stromwirtschaft vollständig in den liberalisierten Strommarkt integriert werden, so die Fraktionen.
In das Gesetz aufgenommen hat der Bundestag zudem die gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von Verfügungen der Kartellbehörden. Damit soll erreicht werden, dass Netzbetreiber, die sich missbräuchlich verhalten, nicht allein durch langjährige Rechtsstreitigkeiten Wettbewerber mit Erfolg vom Marktzutritt abhalten können.
Nein zu Oppositionsvorlagen
Keine Mehrheit fanden im Bundestag ein Gesetzentwurf der PDS zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes (14/6796) und Anträge der CDU/CSU (14/7614) zum fairen Wettbewerb im Strom- und Gasmarkt sowie der PDS (14/6795), in dem eine Zugangsverordnung für Stromnetze verlangt wird. Ein Änderungsantrag der FDP (14/9115), der statt der "Vermutungsregelung" bei der guten fachlichen Praxis für eine "Berücksichtigungsregelung" eintrat, fand im Bundestag ebenfalls keine Mehrheit. Im Ausschuss war ferner ein Entschließungsantrag der CDU/CSU abgewiesen worden. Darin hieß es unter anderem, die Verrechtlichung der Verbändevereinbarungen dürfe nicht dazu führen, dass der Anwendungsbereich des Kartellrechts im Hinblick auf die Missbrauchsaufsicht eingeschränkt wird.
Diese "Verrechtlichung" war am 13. Mai unter den Sachverständigen einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses umstritten. Kartellamtspräsident Ulf Böge hielt sie für unnötig. Das Kartellamt habe deutlich gemacht, dass es die Verbändevereinbarung toleriere und den Beteiligten Sicherheit für deren Anwendung gebe. Der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft begrüßte dagegen die Regelung.