NOVELLE ZUR AUFHEBUNG VON NS-UNRECHTSURTEILEN VERABSCHIEDET
Keine Einzelfallprüfung mehr für homosexuelle Männer und Deserteure
(re) Einzelfallprüfungen für homosexuelle Männer oder Deserteure, die entsprechend den Strafvorschriften des Reichsstrafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzbuches verurteilt worden waren, sollen künftig entfallen. Einen entsprechenden Beschluss fasste der Bundestag am 17. Mai auf Empfehlung des Rechtsausschusses (14/9092).
Eine hierzu verabschiedete Novelle zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (14/8276), die die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen eingebracht hatten, wurde gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und FDP angenommen. Ohne Erfolg blieb ein Antrag der PDS-Fraktion (14/5612), der die Bundesregierung aufgefordert hatte, noch vor Ablauf der Legislaturperiode einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den die Regelfälle der durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege aufgehobenen Entscheidungen um Urteile gegen Deserteure der Wehrmacht ergänzt werden.
Mit der verabschiedeten Novelle soll das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. August 1998 ergänzt werden. Dieses hatte vorgesehen, dass strafgerichtliche Entscheidungen, mit denen unter Verstoß gegen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 die Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militärischen, rassischen, religösen oder weltanschaulichen Gründen durchgesetzt wurde, aufgehoben werden sollten.
Bei den Beratungen des Rechtsausschusses am 15. Mai hatte die CDU/CSU-Fraktion deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf erhebliche Entschädigungsleistungen für die Betroffenen und ihre Angehörigen auslösen kann. Unter Berufung auf Schätzungen verwies die Fraktion darauf, dass etwa 250.000 Urteile aufzuheben seien. Hinsichtlich der Höhe und der Anspruchsvoraussetzungen einer möglichen Entschädigung enthalte der Gesetzentwurf jedoch keine Angaben. Auch würden durch das Gesetz Urteile aufgehoben, die nach heutigem Rechtsempfinden rechtmäßig ergangen seien. Eine Aufhebung würde daher neues Unrecht gegenüber den damaligen Richtern bedeuten, die bei weitem nicht alle Nationalsozialisten gewesen seien.
Die SPD-Fraktion stellte klar, dass die Frage einer möglichen Entschädigung bewusst nicht in das Gesetzeswerk aufgenommen worden sei. Sie hielt der Union entgegen, dass diese die Entschädigungsfrage als ein vorgeschobenes Argument benutze, um sich gegen das eigentliche Anliegen des Gesetzentwurfs zu wenden. Mit ihrem Antrag, den Gesetzentwurf auch an den Haushaltsausschuss zur Mitberatung zu überweisen, konnte sich die Unionsfraktion nicht durchsetzen. Aus Sicht der Bündnisgrünen geht es darum, anerkanntes Unrecht im Nachhinein aufzuheben, um den Opfern ihre Würde zurückzugeben. Auch sei die Frage einer Entschädigung unabhängig von dem vorliegenden Gesetzentwurf zu beurteilen. Sie verwiesen darauf, dass bereits bei dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege das Gesetz selbst keine unmittelbare entschädigungsrechtliche Wirkung auslöse.
Ihre prinzipielle Zustimmung zu dem Anliegen signalisierte die FDP. Allerdings sah sie keinen Bedarf für das vorliegende Gesetz. Auch hielt sie eine Einzelfallprüfung für viel wirksamer als eine pauschale Aufhebung, da sie den Einzelnen intensiver rehabilitiere. Die PDS erklärte, dass sie den vorliegenden Gesetzentwurf begrüße und ihm zustimmen werde, obwohl eine Aufnahme des Themas Kriegsverrat wünschenswert gewesen wäre, wie sie es in ihrem abgelehnten Änderungsantrag (14/9116) gefordert hatte.