Gunnar Peters
Die Wiedergeburt eines Landes
Der Weg zum Freistaat Sachsen nach der
Wende
Mit Respekt nimmt man dieses Buch in die Hand. Auf über
1.000 engbedruckten Seiten hat Michael Richter die erste
zeitgeschichtliche Gesamtdarstellung zur Bildung des
sächsischen Freistaates im Zuge der friedlichen Revolution
1989/90 vorgelegt. Mit der Regionalstudie unternimmt er den zweiten
Schritt vor dem ersten, denn über die
Länderbildungspolitik der letzten DDR-Regierung liegen noch
keine vertiefenden historischen Untersuchungen vor.
Die dramatischen Ereignisse von den Herbstdemonstrationen bis
zur Verabschiedung der neuen sächsischen Landesverfassung sind
chronologisch und auf breiter Quellengrundlage dargestellt; selbst
mehrere westdeutsche Aktenbestände wurde vor Ablauf der
30-jährigen Sperrfrist freigegeben. In der Gemengelage aus
Bevölkerung, Ministerrat, Runden Tischen, Räten der
Bezirke, Regierungsbeauftragten, sächsischem
Koordinierungsausschuss und westdeutschen Partnerländern - es
waren Baden-Württemberg und Bayern - erzählt uns Richter
vor allem die Geschichte von Arnold Vaatz - keine Person wird von
ihm häufiger erwähnt oder zitiert.
Angesichts der Faktenfülle, belegt durch rund 5.000
Fußnoten, erscheint mancher Widerspruch im Detail kleinlich.
Falsche Schreibweisen oder ein unvollständiges
Literaturverzeichnis bleiben in Büchern solcher Dimension nie
aus. Die betont kritische Sicht auf die "zentralistische"
Länderbildungspolitik der Regierung de Maizière ist
freilich kaum gerechtfertigt angesichts des Handlungsdrucks, der
seinerzeit auf ihr lastete und von Woche zu Woche zunahm.
Vielleicht haben viele Sachsen damals argwöhnisch nach
Ost-Berlin geblickt. Wenn es um Landesidentität geht, regiert
das Herz über den Verstand.
Ein Leser, der sich in der ausführlichen Darstellung dieses
Buches verliert, mag leicht auf Kürzungen dringen,
während der Autor anführen kann, auf empirischem Neuland
sei nichts verzichtbar. Zumindest kapitelweise Zusammenfassungen
wären wünschenswert gewesen. Wer die vollständige
Lektüre nicht scheut, wird sich dennoch nachhaltig beeindruckt
zeigen von einer immensen Forschungsleistung. Richters Beitrag zur
sächsischen Landesgeschichte ist wahrlich eine Pionierarbeit
für die Erforschung des innerdeutschen
Vereinigungsprozesses.
Michael Richter
Die Bildung des Freistaates Sachsen.
Friedliche Revolution, Föderalisierung, deutsche Einheit
1989/90.
Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für
Totalitarismusforschung Dresden, Bd. 24.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004; 1183 S. + 1
CD-ROM, 96,- Euro
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