Online-Konferenz mit Prof. Dr. Jürgen Meyer
Dienstag, 22. Oktober 2002
Transkripte der Online-Konferenz
Prof. Dr. Jürgen Meyer, SPD, ist der Vertreter des Deutschen Bundestages im Europäischen Konvent. In diesem Gremium aus 105 Delegierten der Parlamente und Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, der Beitrittsländer, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission berät er aktuell in Brüssel über die zukünftige Gestalt und die Aufgaben der EU.
Mehr als 500 Millionen Menschen wird die EU nach der Erweiterung von heute 15 auf bis zu 27 Länder umfassen. Damit werden wir Europäer nicht nur zur größten Wirtschaftsgemeinschaft der Welt: Die EU wird sich auch als international handlungsfähige Wertegemeinschaft beweisen müssen, die den Grund- und
Menschenrechten, der Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Solidariät und Bürgernähe verpflichtet ist. Ziel des Europäischen Konvents ist es darum, einen Entwurf für eine Europäische Verfassung mit der Grundrechtecharta der EU als Kernstück zu erarbeiten.
Folgende Fragen hat Prof. Dr. Jürgen Meyer mit den Internet-Nutzern diskutiert:
"Soll der Präsident der Europäischen Kommission vom Europäischen Parlament gewählt werden?
oder
soll ein Präsident Europas von den Staats- und Regierungschefs bestimmt werden?"
und
"Sollen die nationalen Parlamente (z.B. der Deutsche Bundestag) mehr Mitspracherechte in der Europapolitik erhalten?"
Soll der Präsident der Europäischen Kommission vom Europäischen Parlament gewählt werden, oder soll ein Präsident Europas von den Staats- und Regierungschefs bestimmt werden?
Die aktuelle Diskussion im Europäischen Konvent über eine zukünftige Verfassung der Europäischen Union zeigt vor allem, dass die EU ein machtpolitisches und legitimatorisches Gesicht braucht. Nur - wie soll es aussehen, also konstruiert sein, und welchen Namen soll es tragen?
Zwei grundlegende Meinungen haben sich zur Architektur einer künftigen europäischen Exekutive herausgebildet: Einige Staats- und Regierungschefs plädieren dafür, dass ein "Präsident Europas" von ihnen bestimmt werden sollte. Die Macht der einzelnen Staats- und Regierungschefs würde so ausgebaut und eine bürgernahe europäische Demokratie möglicherweise verhindert.
Der Deutsche Bundestag und andere hingegen schlagen vor, dass der Präsident der Europäischen Kommission gestärkt und vom Europäischen Parlament unter Beteiligung des Rates gewählt wird. Seine demokratische Legitimation wäre weit größer, da die EU-Bürger mit ihrer Wahl zum Europäischen Parlament direkten Einfluss auf die Wahl ihres Kommissionspräsidenten hätten.
Welche Zukunft für die Europäischen Union brauchen wir?
Sollen die nationalen Parlamente (z.B. der Deutsche Bundestag) mehr Mitspracherechte in der Europapolitik erhalten?
Ein weiteres im Konvent zur Diskussion gestelltes und in einer Arbeitsgruppe im Einzelnen behandeltes Thema ist die Rolle der nationalen Parlamente in der EU-Architektur.
Derzeit ist die Position der nationalen Parlamente auf europäischer Ebene schwach ausgestaltet. Mittelbar sind sie selbstverständlich über die Beteiligungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten vertreten. Zudem sind ihnen ausdrücklich Rechte im Protokoll über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der EU zugewiesen.
Jedoch reicht der momentan den nationalen Parlamenten verliehene untergeordnete Status im Gefüge der Union aus, um ihrem Legitimationscharakter gerecht zu werden? Oder ist eine Stärkung ihrer Position zu fordern - beispielsweise in Form einer direkten Klagemöglichkeit vor dem EuGH oder einer Beteiligung am Rechtsetzungsprozess?