Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP
Deutsche Menschenrechtspolitik
Die Universalität der Menschenrechte ist integraler Bestandteil liberaler Politik im umfassenden Sinne und eine Querschnittsaufgabe in allen Politikbereichen. Wie die FDP in den 16 Jahren ihrer Regierungsbeteiligung gezeigt hat, ist gerade in der Außenpolitik eine menschenrechtliche Konditionierung der Staatsführung möglich und notwendig. Damit steht die FDP für eine aktive Menschenrechtspolitik, die sich je nach Situation verschiedenster politischer Mittel bedient, von der öffentlichen Kritik bis hin zur stillen Diplomatie in besonders schwierigen Fällen. Nach dem 11. September hat die Gefahr zugenommen, dass die Menschenrechte beim Kampf gegen den Terrorismus für politische Zwecke instrumentalisiert werden und die Beteiligung an der Anti-Terror-Allianz die Beachtung der Grund- und Menschenrechte in den Hintergrund treten lässt. Freiheitliche Staaten dürfen auf die Bedrohung durch den globalen Terrorismus nicht mit dem Abbau ihrer freiheitlichen Standards antworten.
Was die Politik der rot-grünen Bundesregierung angeht, so gab es durchaus positive Anfänge: Mit der Aufwertung des bisherigen Unterausschusses für Menschenrechtsfragen in einen ordentlichen Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe erhielt die Menschenrechtspolitik im parlamentarischen Alltag einen höheren Stellenwert. Mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte wurde ein neues Instrument deutscher Menschenrechtspolitik geschaffen, dessen Aufbau leider nur sehr schleppend vorangeht und dessen organisatorische Zuordnung seine Arbeitsfähigkeit und Unabhängigkeit deutlich schwächt. Zu begrüßen ist weiter die Neufassung der Rüstungsexportrichtlinien, die Menschenrechtsverletzungen im Exportland zu einem der wichtigsten Kriterien machen. Zum Ende der Legislaturperiode - beispielsweise nach der Genehmigung der Lieferung einer Munitionsfabrik an die Türkei - ist jedoch festzustellen, dass sich die Rüstungsexportpolitik dadurch kaum geändert hat. Die hehren Prinzipien der rot-grünen Koalition sind im Regierungsgeschäft untergegangen sind, nicht wegen Unerfahrenheit, sondern wegen der Aufgabe der eigenen Prinzipien der Grünen und eines ausgeprägten Opportunismus. Neben den Rüstungsexporten ist das Verhalten gegenüber der Volksrepublik China ein Beispiel für den geringen Stellenwert der Menschenrechte. Mit dem Bekenntnis des Bundeskanzlers, sich nicht am "Ritual" der Betonung der Menschenrechte gegenüber dem chinesischen Regierungschef zu beteiligen, hat er die beharrliche Diplomatie, wie sie noch von Hans-Dietrich Genscher und Klaus Kinkel praktiziert wurde, aufgegeben.
Der 11. September hat deutlich gemacht, dass die Globalisierung und die länderübergreifenden Konflikte und Probleme eine Lösung fordern, die internationale Instrumente zur Terrorbekämpfung und Friedenssicherung in ein neues Licht rückt. Dafür sind starke internationale Organisationen - insbesondere natürlich die Vereinten Nationen - unerlässlich. Hier darf sich die deutsche Außenpolitik nicht auf den eher halbherzig vorgetragenen Wunsch einer Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat beschränken, sondern sie muss sich für die organisatorische und finanzielle Stärkung der Vereinten Nationen mit allem Nachdruck einsetzen. Einer Schwächung der Vereinten Nationen durch die Vereinigten Staaten von Amerika muss entgegengewirkt werden. Ebenso sollte die OSZE zukünftig als entscheidender Baustein einer gesamteuropäischen Sicherheitsstruktur eine führende Rolle bei Präventionsmaßnahmen sowie beim Krisen- und Konfliktmanagement übernehmen.
Eine der wichtigsten Errungenschaften auf dem Gebiet der Menschenrechte wurde mit der Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs erreicht. Damit der Gerichtshof auch effektiv arbeiten kann, braucht er die Unterstützung vieler Staaten, vor allem aber der Weltmacht USA, die dem Projekt zutiefst ablehnend gegenübersteht. Die Verbündeten der USA sind nun gefordert, die Vereinigten Staaten zum Mitwirken zu bewegen, bestehende unbegründete Vorbehalte abzubauen und mit einer europäischen Stimme der Aushöhlung des Internationalen Strafgerichtshof durch bilaterale Verträge entgegenzutreten.
Aber auch in Deutschland gibt es, was die Menschenrechte und
insbesondere die Flüchtlings- und
Migrationspolitik anbelangt, noch viel zu tun. Die FDP sieht
es als positiv an, dass das sogenannte "Kleine Asyl" für die
Opfer nichtstaatlicher Verfolgung in Deutschland gewährt wird.
Auch die durch das Zuwanderungsgesetz getroffene Regelung, einen
Abschiebeschutz in Fällen von geschlechtsspezifischer
Verfolgung von Frauen zu gewährleisten und den
Flüchtlingsstatus sicherzustellen, ist eine Errungenschaft auf
dem Gebiet der Flüchtlingspolitik. Die Politik muss jedoch
noch viel stärker zwischen humanitären Zielen, der
Wahrung des Asylrechts und einer arbeitsmarktbezogenen
Einwanderungspolitik trennen. Der Missbrauch des Asylangebots
lässt sich nur mit einer Öffnung des Arbeitsmarkts
bekämpfen. Enttäuschend ist zudem die Integrationspolitik
der Regierungskoalition. Seit Beginn der Legislaturperiode hat es
auf diesem Gebiet keine substantiellen Fortschritte gegeben, eher
finanzielle Kürzungen.
Weitere Bereiche der Flüchtlingspolitik waren in dieser
Wahlperiode Anlass für Initiativen der FDP: Die Rücknahme
der Vorbehalte Deutschlands bei der UN-Kinderkonvention, die eine
Situation der Rechtsunsicherheit für minderjährige
Flüchtlinge zur Folge haben, sowie die Verbesserung des
Schutzes von Binnenvertriebenen, genauso wie ein besseres Vorgehen
gegen Sklaverei und Menschenhandel. Die Verletzung internationaler
und europäischer Konventionen durch das Vorgehen des
russischen Militärs gegen die Zivilbevölkerung in
Tschetschenien hat die FDP in mehreren Anträgen thematisiert
und eine deutlichere Position der Bundesregierung angemahnt.
Nach jahrelanger Vernachlässigung des Problems in
Öffentlichkeit und Politik sind in den letzten Jahren endlich
verstärkt Versuche unternommen worden, die Charakteristika und
das Ausmaß des Frauenhandels zu
erfassen und wirksame Schritte zu Prävention und
Bekämpfung zu unternehmen. Hier ist es von zentraler
Bedeutung, dass die Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten
Stellen und NGOs, sowohl in Deutschland, wie auch in den
Herkunftsländern intensiviert wird, Zeugenschutzprogramme und
besserer Abschiebeschutz ausgebaut werden. Es ist wichtig, im Fall
der Ausweisung der Frauen sicherzustellen, dass sie in ihrer Heimat
keinen Gefahren oder Repressalien durch die Täter ausgesetzt
sind.
Genauso wie Sklaverei und Menschenhandel lehnt die FDP Folter und Todesstrafe als Verletzung der
Menschenrechte ab. Zwar sind in den letzten Jahren zahlreiche
internationale Abkommen in diesem Bereich geschlossen worden, doch
es bleibt ein langer Weg hin zu einer Welt, in der keine Menschen
gefoltert oder hingerichtet werden.