Anfragen und Fragen
Die Kontrolle der Exekutive übt das Parlament nicht nur aus, indem es der Regierung Vorschriften macht (Gesetzgebung), sondern auch indem es Auskunft fordert oder in, zurückhaltender Form Fragen und Nachfragen stellt.
Die Große Anfrage wird an die Bundesregierung insgesamt gestellt, sie wird - "kurz und bestimmt gefasst" und meist mit einer Begründung versehen - dem Präsidenten zur Weiterleitung eingereicht. Der Präsident fordert die Regierung zur Erklärung auf, ob und wann sie die Große Anfrage beantwortet. Die Antwort wird auf die Tagesordnung gesetzt; aber auch die Ablehnung der Beantwortung oder eine Verzögerung der Antwort über eine Frist von drei Wochen hinaus kann im Plenum behandelt werden, falls eine Fraktion oder fünf Prozent der Abgeordneten dies verlangen. Nimmt die Zahl der Großen Anfragen jedoch so sehr überhand, dass sie die Parlamentsarbeit behindern, so kann der Bundestag deren Beratungen ausnahmsweise auf einen Sitzungstag beschränken.
Die Kleinen Anfragen nehmen ebenfalls den Weg über den Bundestagspräsidenten zur Bundesregierung. Sie verlangen eine Antwort "über bestimmt bezeichnete Bereiche". Die Geschäftsordnung legt den Fragestellern auf, in der Frage oder deren Begründung keine unsachlichen Feststellungen oder Wertungen zu treffen. Die Regierung hat vierzehn Tage - oder im gegenseitigen Einvernehmen auch etwas mehr - Zeit für ihre Antwort, die bei Kleinen Anfragen schriftlich erfolgt.
Das Recht jedes Abgeordneten, mündliche und schriftliche Fragen an die Regierung zu stellen, ist grundsätzlich unbeschränkt - aber eben deswegen von der Geschäftsordnung in der Anlage 4 besonders kleinlich geregelt. In jeder Sitzungswoche findet eine Fragestunde statt, die bis zu drei Stunden dauern kann. Jeder Abgeordnete darf bis zu zwei Fragen stellen, die je in zwei Unterfragen unterteilt werden können. Der Text dieser Fragen muss bis zum Freitag vor der Sitzungswoche um zehn Uhr dem Präsidenten und um zwölf Uhr der Bundesregierung vorliegen. Es gibt auch als dringlich bewertete Fragen, für die läuft die Frist erst am Tage vor dem Tag der Fragestunde ab. Antwortet ein Mitglied oder Vertreter der Bundesregierung (oft ist damit ein Parlamentarischer Staatssekretär beauftragt) mündlich, so darf der Fragesteller zwei Zusatzfragen anbringen; andere Abgeordnete können weitere Zusatzfragen anfügen, wobei der Präsident darauf zu achten hat, dass nicht ein Gegenstand die Fragen zu anderen Gegenständen verdrängt. Erlaubt sind auch bis zu vier Fragen im Monat, die von der Bundesregierung schriftlich beantwortet werden. Ist die Regierung säumig, können diese Fragen auch in der Fragestunde vorgebracht werden.
Eine besondere Form der Fragemöglichkeit ist der beschriebenen Fragestunde zeitlich vorangestellt. Da beantworten Regierungsmitglieder dreißig Minuten lang (Verlängerung ist auf Kosten der Fragestunde möglich) spontane Fragen zu aktuellen Themen aus der vorausgegangenen Sitzung des Kabinetts. Anders als diese halbe Stunde ist die Aktuelle Stunde ein parlamentarisches Großereignis. Auch da regelt das Nähere eine Anlage zur Geschäftsordnung, das Wesentliche jedoch ist, dass in der Aktuellen Stunde, die sich bisweilen an die Beantwortung mündlicher Anfragen anschließt, die Redner ein Gefecht, im Fünf-Minuten-Takt austragen - Vorlagen und Beschlussfassung gibt es nicht. Die Redezeiten von Ministern oder Vertretern des Bundesrates werden nicht auf die Gesamtzeit angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Exekutive oder des Bundesrates das Wort so spät, dass darauf keine Erwiderung mehr möglich wäre, so können die üblichen Antragsberechtigten eine zusätzliche Runde für die Sprecher jeder Fraktion verlangen. An einem parlamentarischen Sitzungstag wird nur eine Aktuelle Stunde abgehalten. Antragsberechtigt sind eine Fraktion oder ein Zwanzigstel der Mitglieder des Bundestages; oft aber wird die Aktuelle Stunde einvernehmlich im Ältestenrat vereinbart.
Was die Abgeordneten gerne in Frageform kleiden - neben Beschwerden auch die Forderung nach der Lösung von Problemen in ihren Wahlkreisen -, können die Bürger als Petition beim Bundestag vorbringen. Das Parlament bündelt diese Bitten und Verlangen nach Heilung von Missständen bei einem besonderen Ausschuss, dem Petitionsausschuss, dessen Aufgaben im Grundgesetz und in einem besonderen Gesetz geregelt sind. Die Geschäftsordnung bestimmt nur noch das Verfahren der Zuleitung der Begehren, der Beiziehung weiterer Ausschüsse, der Unterrichtung der Bundesregierung, der Beauftragung besonderer Abgeordneten oder Abgeordnetengruppen zur Behandlung einer Sache und die Berichtspflicht an das Plenum. Monatlich legt der Ausschuss eine Sammelübersicht sowie eine Beschlussempfehlung und jährlich einmal Rechenschaft über seine Arbeit vor. Über diese Vorlagen gibt es nur dann eine Aussprache, wenn die üblichen Antragsberechtigten diese verlangen.