Reisebericht
vom 05. bis 09. Juni 2000 in New York
Programm und Abläufe während der Konferenz
Montag, 05. Juni 2000
Erste Delegationsbesprechung und Briefing aller Delegationsmitglieder (Ständige Vertretung, Konferenzraum im 12. Stock)
Bereits beim ersten Treffen wies Bundesministerin Dr. Bergmann im Rahmen der
Unterrichtung über den Sachstand auf die Notwendigkeit hin,
die Verabschiedung eines sinnvollen Abschlussdokuments anzustreben.
Besonders strittige Punkte seien Menschenrechte, sexuelle
Orientierung, sexuelle Selbstbestimmung und Fragen im Zusammenhang
mit den Themen Globalisierung und Familie.
Wichtige Punkte seien vor allem die Menschenrechte und
Frauenrechte. Bedauerlicherweise gebe es keine Übereinstimmung
zu Zeitvorgaben im Hinblick auf die Umsetzung des CEDAW-Protokolls,
die Eliminierung der Diskriminierung in nationalen Gesetzen
betreffend. Konsens zeichne sich beim Thema Gewalt über die
Notwendigkeit von Untersuchungen und Maßnahmen ab, aber nicht
zur Frage der Aufnahme häuslicher Gewalt in nationale
Gesetzgebung. Beim Frauenhandel liege kein Konsens über
zwischenstaatliche Kooperation vor. Viele Übereinstimmungen
gebe es im Bildungsbereich, z.B. hinsichtlich des Zuganges zu
Bildungseinrichtungen auch in ländlichen Räumen.
Ein schwieriger Punkt sei der Themenkomplex NGOs und
Zivilgesellschaft.
Es sei anzunehmen, dass bestimmte Positionen aufgegeben werden müssten, um eine Verabschiedung des Gesamtdokuments zu ermöglichen. Dabei handele es sich natürlich nicht um bedeutsame Punkte; Schwerpunktsetzung sei hier notwendig. Als Ziel unterstrich sie ebenfalls vor allem, dass das Dokument nicht hinter die Standards von Peking zurückfallen dürfe. Auf Fragen erläuterte sie, dass möglicherweise entfernte Punkte nicht notwendigerweise endgültig aus der Diskussion seien. Abschließend unterstrich sie die Bedeutung der Teilnahme der MdB auch in ihrer Funktion als Ansprechpartner und Personen, die in Diskussionen für die deutsche Position werben und damit Einfluss nehmen können.
Eröffnung der Plenarveranstaltung durch den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan
In seiner Eröffnungsansprache konzentrierte sich der Generalsekretär auf den Erziehungsbereich und unterstrich, dass Erziehung und Ausbildung die besten Voraussetzungen zur Teilhabe an globalisierter Wirtschaft gebe und den besten Schutz gegen negative Auswirkungen derselben biete. Wenn Frauen eine Ausbildung abgeschlossen hätten und in das Arbeitsleben integriert seien, könnten sie wählen, wann sie heiraten und wie viele Kinder sie bekommen möchten. Die Frauen und ihre Kinder erhielten dann auch einen Zugang zu besserer Ernährung, Gesundheitsvorsorge und Kinder wiederum zur Ausbildung. Es gebe keine bessere Entwicklungsstrategie für die Gesellschaft als ganzes, als eine, die Frauen als gleichberechtigte Akteure in der Gesellschaft anerkenne. Aufgrund dessen hatte er die Regierungen in seinem Millenniumsbericht aufgefordert, die Ausbildung von Mädchen zu einem zentralen Ziel zu machen.
Side Events
Eine Veranstaltung am Montag mittag stieß besonders wegen der Popularität der Hauptrednerin, Hilary Rodham Clinton, auf besonderes Interesse:"Kleinstkredite - mehr als Zugang zu Geld". Vor fünf Jahren hatte die Frauenkonferenz in Peking eine Kampagne gestartet, um 100 Mio. der ärmsten Familien der Welt zu erreichen, und dabei insbesondere die Frauen dieser Familien. Die in New York gezogene Bilanz zeigt, dass 13,8 Mio. Menschen erreicht wurden, davon 75 % Frauen. Die besondere Bedeutung der Aktion liegt darin, dass oftmals die ärmsten Menschen keinerlei Kredite erhalten können, die aber - nach einem solchen Programm - ihr Leben gänzlich verändern können, indem z.B. ein Kleinstunternehmen gegründet wird, das Wege aus der Armut ermöglicht.
Eine weitere Veranstaltung befasste sich mit dem "Fortschritt der Frauen der Welt 2000". Veranstaltet von UNIFEM (United Nations Development fund for Women), war der zentrale Punkt die Vorlage eines Berichts, der die Fortschritte seit Mitte der achtziger Jahre untersucht. Er konzentriert sich auf die ökonomischen Dimensionen von Gleichberechtigung und der Stärkung der Frauen im Zusammenhang mit der Globalisierung. Dabei zeigt er auch Wege, in denen die Globalisierung für den Fortschritt auch armer Frauen genutzt werden kann. Er untersucht generell die Beteiligung von Frauen in verschiedensten Bereichen und deren Veränderung. In der Veranstaltung wurde die Bedeutung der Setzung von Zielen als Maßstab und auch als Anreiz unterstrichen. Es müsse sichergestellt werden, dass die Globalisierung, die nun das Leben jeder Person betrifft, eine positive Kraft entwickelt. Diese führe einerseits zu mehr Möglichkeiten für den einzelnen, aber vergrößere auch die Möglichkeiten der Ausbeutung.
Treffen mit Frau Yakin Ertürk, Leiterin der VN-Abteilung für die Gleichstellung von Frauen
Yakin Ertürk unterstrich die Rolle der Parlamentarierinnen in dem Konferenzprozess und erklärte, zusammen mit der IPU-Veranstaltung könne ein deutlicherer Akzent gesetzt und mehr Bewusstsein dafür geschaffen werden.
Auf Fragen, ob sich zum Beispiel die gender-orientierte Haushaltsdarstellung, die die Berücksichtigung auch dieses Aspekts deutlich macht, weiterentwickelt hätte, erklärte Frau Ertürk, es gebe hier keine durchgängigen Methoden, die entsprechende Aussagen ermögliche. Hier sei es von Bedeutung, dass im jeweiligen Haushaltsaufstellungsverfahren der Aspekt der Auswirkung auf Frauen und Männer berücksichtigt werde. Auf Fragen nach der Rolle der Weltbank in diesem Zusammenhang erklärte sie, dort gebe es gender-Programme, Einzelheiten seien aber in Ermangelung direkter Zusammenarbeit unbekannt. Auf Fragen nach verstärkten Beteiligungsmöglichkeiten der Parlamentarier erklärte sie, die Regierung treffe den Parlamenten gegenüber eine Informationspflicht und die Parlamentarierinnen könnten sich für frauenrelevante Aspekte im Gesetzgebungsverfahren besonders einsetzen. Wichtig sei eine bessere Streuung der Informationen. Sie wies im Zusammenhang mit Haushaltsfragen auch darauf hin, dass es einen Überblick gebe, wie viele Entwicklungshilfemittel für Aktionen im Nachgang zu Peking verwandt wurden. Diskutiert wurde auch die Frage, inwieweit - nämlich eher wenig - die Konferenz und die zugrundeliegende Problematik in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde. Frau Ertürk teilte die Einschätzung, dass klassische "Frauenthemen" nicht eben an erster Stelle des öffentlichen Interesses stünden.