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Debatte
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Anlage 3 / Erklärung nach Paragraph 31 der Geschäftsordnung

Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Heinrich Kolb (FDP) zur Abstimmung über die Anträge zum Parlaments- und Regierungssitz (Tagesordnungspunkt 15)

Die Diskussion der letzten Wochen hat deutlich gemacht, dassdie Zahl der Argumente, die für Bonn oder Berlin sprechen, endlich ist.

Nachdem sich für die heutige Debatte mehr als einhundert Redner zu Wort gemeldet haben, ist davon auszugehen, dass alle diese Argumente hinreichend vorgetragen werden. Ich verzichte daher auf mündlichen Vortrag, möchte jedoch mein Abstimmungsverhalten wie folgt erläutern:

Erstens. Ich gehöre der Nachkriegsgeneration an und bin in meinem Entscheidungsverhalten nicht prädisponiert wie etwa Abgeordnete, die aus Bonn oder Berlin stammen. Allerdings ist festzuhalten: Seit ich politisch denke, habe ich Bonn als - zugegebenermaßen funktionsfähiges - Provisorium verstanden. Seit ich als Abgeordneter des Deutschen Bundestages zur Stellungnahme in der Frage des zukünftigen Parlaments- und Regierungssitzes aufgefordert werde, habe ich mich für Berlin ausgesprochen.

Zweitens. Eine Trennung von Regierung und Parlament halte ich nicht für praktikabel. Insbesondere scheint mir die Arbeit in den Ausschüssen durch eine Trennung unzumutbar beeinträchtigt zu werden.

Drittens. Einen Zweifel an der zukünftigen Hauptstadt Berlin mit allen damit verbundenen Funktionen im Rahmen der Vision des vereinigten Deutschlands habe ich nie empfunden und auch von deutschen Politikern nie gehört.

Viertens. Berlin ist in den letzten Jahrzehnten als Symbol der deutschen Teilung verstanden und in vielen wichtigen Reden führender Persönlichkeiten hochgehalten worden.

Bis jetzt ist nur die politische Teilung überwunden, die Teilung Deutschlands besteht jedoch als wirtschaftliche, soziale und mentale Teilung fort. Das wird nirgendwo deutlicher als in Berlin. Berlin bleibt für mich auch weiterhin Symbol dieser Teilung sowie des Wunsches und der Notwendigkeit, sie zu überwinden.

Fünftens. Die Überwindung der fortbestehenden Teilung Deutschlands ist die zentrale Aufgabe des nächsten Jahrzehntes, vielleicht gar der nächsten Generation.

Sechstens. In den sechs Monaten meiner bisherigen Tätigkeit in Bonn, nach einigen Aufenthalten in Berlin und auf Grund unternehmerischer Tätigkeit in Sachsen-Anhalt habe ich den Eindruck gewonnen: In Bonn werden die Probleme, die sich aus der wiedergewonnenen deutschen Einheit ergeben, nicht hinreichend greifbar.

Das Parlament sollte der »Temperaturfühler« der Nation sein. Ein Temperaturfühler muss dort installiert werden, wo »klimatische Veränderungen« am meisten spürbar sind. Das Parlament muss daher seinen Sitz in Berlin nehmen.

Siebtens. Mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit hat sich Deutschland verändert, und es wird sich zukünftig verändern. Mit einer Entscheidung für Berlin wird dokumentiert, dass man sich diesen Veränderungen stellt. Eine Entscheidung für Bonn würde den Erwartungen der Bürger im Osten unseres Landes, soweit ich sie aus zahlreichen Besuchen erkenne, nicht gerecht werden.

Achtens. Als das wesentliche Bedenken der Bonn-Befürworter habe ich in den letzten Wochen das Argument der Bedrohung von Arbeitsplätzen und der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region Köln-Bonn aufgenommen. Bei allem Verständnis für die Sorgen und Ängste der Betroffenen: Vor dem Hintergrund des viel umfassenderen strukturellen Umbruchs im Osten kann und darf dies nicht eine Entscheidung pro Bonn begründen.

Neuntens. Über die Politik in Deutschland wird oft gesagt, sie taktiere und operiere, anstatt strategisch zu entscheiden. Die heutige Entscheidung ist eine strategische Entscheidung.

Bonn kann - davon bin ich überzeugt - nicht Regierungssitz sein, wenn Berlin wirklich Hauptstadt ist.

Zehntens. Die Entscheidung heute zu treffen und nicht in die Zukunft hinauszuschieben, ist richtig. Denn beide Städte brauchen Klarheit, auch vor dem Hintergrund der in beiden Städten zu treffenden Investitionsentscheidungen.

Ich werde mich in der Abstimmung für Berlin als Parlaments- und Regierungssitz aussprechen.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bd_anl03
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