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Debatte
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Wortlaut der Reden

Gert Wartenberg (Berlin), SPD Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer, FDP >>

Ich werde mich bemühen. -- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einige Kolleginnen und Kollegen, die Bonn-Befürworter sind, haben hier ausgeführt, daß dieses Deutschland, diese Bundesrepublik, keine nationale Repräsentation im Sinne einer Hauptstadt mehr braucht, daß das Europa der Regionen gefragt ist, daß Nüchternheit und Sachlichkeit gefragt sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann frage ich aber: Warum wird im Bonn-Antrag ausdrücklich festgeschrieben, daß Berlin nationale Repräsentation darstellen soll? Warum ist dann Berlin für nationale Repräsentation, Bundespräsident und Sondersitzungen mit Lorbeerbaum gedacht.

(Dr. Horst Ehmke [Bonn] [SPD]: Wenn ihr das nicht wollt, dann lassen wir das hier!)

Ich möchte, daß Berlin Arbeitssitz dieses Parlamentes und dieses Staates wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/

GRÜNE)

Wer keine hohle Repräsentation in unserer Gesellschaft möchte, muß seiner Hauptstadt auch die Alltagsarbeit der Politik zubilligen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/

GRÜNE)

Das ist der entscheidende Punkt. Denn sonst kommen wir in den Widerspruch, daß wir hier den Arbeitssitz haben und dort nicht ernstgemeinte Repräsentation. Das ist keine gute Entwicklung.

Der zweite Punkt. Einige Jüngere haben fast mit Stolz auf ihre Nachkriegsgeschichte hingewiesen. -- Der Ursprung der demokratischen Anfänge in Deutschland wird mit dem Beginn in Bonn 1949 festgelegt. Das ist eine Verkürzung; das ist Geschichtslosigkeit; das geht nicht.

Bonn hat 40 gute Jahre für die Bundesrepublik Deutschland gebracht.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP])

Aber nach dem 9. November zu meinen, diese 40 Jahre einfach nur so fortführen zu können, reicht nicht aus. Die Zukunftsentwicklung dieses Landes, die kompliziert genug sein wird, wird den Politikern neue Entwürfe abfordern. Für diese Herausforderung ist Berlin ein Symbol. Das

geht nicht einfach nach dem Motto: 40 Jahre war es so, und so bleibt es. Das ist gerade für junge Leute ein extrem konservatives Argument, auch für Peter Glotz.

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Rezentralisieren ist

konservativ!)

Es wundert mich, daß Leute, die sich sonst immer für Veränderungen als das Salz in der Suppe stark machen und auch so sein wollen, die vergangenen 40 Jahre einfach nur zum alleinigen Maßstab machen. Das ist kein ehrliches Argument, gerade für solche Leute.

Ein weiterer Punkt, die Kostenfrage. Das ist eine wichtige Frage. Aber dazu gibt es eine Gegenrechnung. Es wird gesagt, der Umzug koste

60 Milliarden DM. Das mag richtig sein. Hat eigentlich einmal jemand darüber nachgedacht, daß Berlin im Augenblick -- nicht für Investitionen, sondern nur für Leistungen -- in jedem Jahr 30 Milliarden DM Subventionen bekommt?

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Die kriegen sie ja auch noch weiter! Das andere kommt noch dazu!)

Jeder sagt: Das ist zu wenig; das muß mehr werden. Andererseits wird gesagt: Wenn die Hauptstadt dorthin kommt, gibt es einen Investitionsboom, den die Stadt nicht verkraften kann; das bedeutet jedoch erhöhtes Steueraufkommen.

Diese Stadt wird sich erst in dem Augenblick selber tragen können, in dem eine Funktionsänderung für die Stadt beschlossen wird. Ansonsten wird sie auf ganz, ganz lange Zeit ein Bittsteller sein. Auch das ist keine gute Lage für Berlin. Übrigens ist das eine Lage der Nachkriegszeit, die Berlin manchmal für die Bonner so unbequem und unbeliebt gemacht hat, weil es immer als Bittsteller auftreten mußte. Wenn ihm die Bittstellerhaltung auf Dauer zugewiesen wird, ist das für Berlin ebenfalls nicht sehr angenehm.

Der letzte Punkt. In Berlin hat der Bund enorme Verpflichtungen über die erwähnten Subventionen hinaus. Fast die gesamte Innenstadt gehört dem Bund oder ausländischen Botschaften. Diese müssen unterhalten werden; dafür muß eine Verwendung gefunden werden. Berlin-Mitte steht de facto im Moment leer. Die Stadt ist, was ihr Zentrum angeht, in einer ganz schwierigen Situation. Ich muß sagen, es ist fast zynisch, wenn mir einige Kolleginnen und Kollegen sagen: Verkauft das alles; werft das auf den freien Markt!

Das ist eine Argumentation, die, glaube ich, der Bedeutung dieser Stadt und der Festlegung im Einigungsvertrag, daß Berlin Hauptstadt ist, nicht gerecht wird. Man hat dieser Stadt den Titel gegeben, und man kann diesen Titel nicht auf Dauer sinnentleert, verbunden mit einer finanziellen Bittstellerposition, halten.

Berlin muß der Arbeitssitz der deutschen Demokratie werden. Nur das hat eine Perpektive für die Entwicklung in Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP und des Bündnisses 90/GRÜNE)

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort hat die Kollegin Irmgard Adam-Schwaetzer.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_031
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