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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Dr. Konrad Elmer, SPD Jochen Feilcke, CDU/CSU >>

Als ich 1949 in Thüringen geboren wurde, war die deutsche Teilung besiegelt. Meine Eltern blieben im Osten, weil mein Vater als Forstmeister den Thüringer Wald nicht dem Raubbau überlassen wollte und weil sie beide hofften, daß Stalins Diktatur nicht lange überdauern würde.

19 Jahre später war ich begeisterter Anhänger des Prager Frühlings, und als der Warschauer Pakt einmarschierte, stellte sich für mich auch die Frage, ob ich nicht besser über die offene tschechische Grenze nach Bayern statt nach Hause ziehen sollte.

Aber wir hatten wiederum die Hoffnung, daß der Prager Frühling irgendwann doch auch in Moskau Einzug hält. Wer sollte dann in der DDR den Durchbruch wagen, wenn die wenigen kritischen Leute dieses Land verlassen? Also ging ich statt nach Bayern noch einmal zurück.

Wir versuchten, einander bei der Stange zu halten, versuchten, die Freiräume, vor allem in der Kirche aufrechtzuerhalten, versuchten, dem einen oder anderen Jugendlichen andere Gedanken als die der SED-Erziehung zu vermitteln. Wir machten Pläne für eine friedliche Revolution, sobald aus Moskau bessere Zeiten kämen.

Es dauerte lange, verdammt lange, 20 Jahre, und wir haben uns nicht selten gefragt: Warum müssen wir um soviel mehr als die anderen Deutschen die schlimme Sache mit dem Hitler ausbaden? Es haben damals doch alle seinen Aufstieg nicht verhindert, wenn nicht gar befördert. Was uns aufrechterhielt, war die Hoffnung, daß die Sache mit dem falschen Sozialismus nicht mehr lange dauern könnte. Wir hofften, daß uns mit der Wende und der deutschen Einheit ein gerechter Ausgleich für die vielen Jahre Unterdrückung widerfahren würde. 89 war es dann soweit, daß wir den Aufstand proben und gewinnen konnten.

Doch je länger, je mehr fragen wir uns: Was ist das eigentlich, was bleibt, wofür wir 40 Jahre ausgeharrt haben? Die Wirtschaft geht den Bach hinunter. Die Jugend zieht erst recht gen Westen. Warum sind wir eigentlich noch dort im Osten? Nun, wir wollten so ein Stück von Deutschland über diese schweren Zeiten retten: die neuen alten Länder und vor allem auch Berlin als unsere Hauptstadt -- Berlin, die wie keine andere Stadt unter den Folgen des gemeinsam zu verantwortenden Krieges zu leiden hatte, sie, die den Funken der Revolution von Leipzig ans Ziel brachte, sie, die wie keine andere deutsche Stadt geeignet ist, die Einheit zwischen Ost und West voranzubringen. In ihr hätte jeder seinen Platz und auch sein Hinterland, die Westler in Westberlin, die Ostler in Ostberlin. Und jeder kann dort dem anderen vor Ort seine Probleme zeigen. Ein wahrer Glücksfall für die Einheit, daß wir eine solche Stadt in Deutschland haben!

Warum wollen hier so viele nicht verstehen, daß sich die durch Zufall Stärkeren zu den Schwächeren bewegen müssen? Wollt ihr uns das Wenige denn auch noch nehmen, was wir an Gewicht in diese Einheit bringen könnten? Wir in Ostberlin hatten, wie ihr in Bonn, all die Jahre den Regierungssitz mit allem drum und dran. Wir haben über Nacht zusätzlich die riesigen Probleme bekommen, die euch in Bonn behutsam, auf viele Jahre verteilt, aufgeladen wurden.

Warum wollt ihr uns nicht ein Stück entgegenkommen und begreifen, daß auch ihr euch verändern müßt? Dabei habt ihr doch in Berlin, dem westlichen, noch immer ein Stück Identität. Wir aber sind hier gänzlich in der Fremde. Als ich letztes Wochenende in der Frankfurter Paulskirche war, hingen dort die Fahnen eurer Bundesländer, aber nicht eine Fahne von den unsrigen -- wohlbemerkt, 33 Wochen nach der Einheit. Das ist kein Zufall, das ist das Schicksal des Ostens im Westen. Ihr geht doch in Berlin nicht unter, aber wir in Bonn. Und eben darum, um der Einheit willen, müssen wir gemeinsam nach Berlin.

Jochen Feilcke, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_119
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