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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Lydia Westrich, SPD Gabriele Wiechatzek, CDU/CSU >>

»Darüber hinaus werden für die Region Bonn -- von der Bundesregierung bzw. von einer unabhängigen Kommission -- unter Mitwirkung der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sowie der Stadt Bonn Vorschläge erarbeitet, die als Ausgleich für den Verlust des Parlamentssitzes und von Regierungsfunktionen die Übernahme und Ansiedlung neuer Funktionen und Institutionen von nationaler und internationaler Bedeutung im politischen, wissenschaftlichen und kulturellen Bereich zum Ziel haben.« So lese ich in einem Antrag von Abgeordneten für den Regierungssitz Berlin. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren, -- und Ihre eigenen Erfahrungen sagen es Ihnen auch -- das wird nichts!

Ich komme aus einer Region mit Strukturkrisen, aus einer Region, betroffen vom Abzug alliierter Streitkräfte und natürlich auch jetzt noch betroffen vom Abzug der Bundeswehr nach dem Willen des Verteidigungsministers Stoltenberg. Ich mag keinen Versprechungen mehr glauben! Strukturhilfeprogramme, Sonderprogramme, zugesagte Hilfe aus vielen, vielen Politikermündern, und was bleibt sind: Abwanderung, reduzierte Betriebsstätten, Überalterung, leerstehende Fabriken und leerstehende Wohngebäude.

Wir haben niedrige Mieten, aber keiner braucht Wohnungen. Bodenpreise betragen nur einen Bruchteil von denen in Ballungsgebieten, voll erschlossen, aber sie locken keinen Betrieb an. Vielleicht Forschung und Wissenschaft, aber da sagt die Bundesregierung, das kommt dorthin, wo schon was ist. Dorthin, wo schon was ist: das wird, nach einer Entscheidung für Berlin, nicht mehr Bonn sein. Sie werden es erleben: Alle Entscheidungen lukrativer Art aus Wirtschaft und Politik werden an Bonn vorbei getroffen werden. Bestenfalls könnten wir dann in einigen Jahren eine Nothilfe nach dem Motto »Notopfer Bonn« einrichten. -- Ich kenne Versprechungen und kenne Ergebnisse.

Wir in der Westpfalz können uns wohl bald überlegen, ob wir aus unserer Region nicht ein großes Naturschutzgebiet und Freilandmuseum machen. Die Bewohner stecken wir in Trachtenanzüge, üben heimische Gesänge und Tänze und versuchen, damit unser Brot zu verdienen, wenn es so weitergeht. Diese Bitterkeit kommt nicht von ungefähr. Deshalb dreht sich mir das Herz um, wenn ich an den Botschaftsgebäuden, Häusern der Verbände und Banken, Versicherungen, Kongreßzentren usw. vorbeifahre und sie mir gähnend leer vorstelle.

Bonn mit Umgebung hat in den letzten vierzig Jahren viele, viele Anstrengungen unternommen, um für die Bundesrepublik Deutschland als passable Hauptstadt zu dienen. Dafür haben die Menschen hier Veränderungen und Belastungen ertragen. Die Umwandlung des Universitätsstädtchens Bonn in die Bundeshauptstadt verlief doch nicht ohne Opfer, und die Menschen in Bonn haben es hinnehmen müssen, so wie wir in der Westpfalz es hinnehmen mußten, zum Waffenträger der Nation zu werden mit all den Beschränkungen, Sperrgebieten, Übungsplätzen, der Belästigung durch die Tiefflieger bis zur Bedrohung durch das Giftgas. Die Pfälzer haben das getragen, ertragen für die ganze Bundesrepublik Deutschland -- so wie die Bonner ihren Teil trugen.

Aus meinen Erfahrungen kann ich den Bonnern nur sagen: Undank ist der Welt Lohn! Ich kann und werde jedenfalls nicht mit ruhigem Gewissen meine Stimme dazu hergeben, Bonn nach so vielen Jahren in die Bedeutungslosigkeit versinken zu lassen. Wir tragen Verantwortung für die Stadt, für die Umgebung, für die vielen vielen Menschen, die hier mit uns und für uns arbeiten.

Wir tragen auch Verantwortung für Berlin, für unsere Hauptstadt, für Berlin, das überbrodelt vor Energie und Zukunftsplänen. Dort geben sich heute schon die Manager aus aller Welt die Klinke in die Hand. Sie wissen, daß Berlin eine große Zukunft hat, daß von dort neue Märkte zu erschließen sind. Bei allen augenblicklich großen Problemen dieser Stadt und den gebotenen Hilfestellungen ist doch heute schon in Berlin zu spüren: diese Stadt dehnt sich, reckt und streckt sich, sie hat tausend Möglichkeiten -- auch ohne Parlament und Regierung. Bonn -- hat nur eine Chance: Es muß Regierungs- und Parlamentssitz bleiben!

Schicken Sie den Mohren nicht in die Wüste, begreifen Sie die Verantwortung für Bonn, seine Umgebung und seine Menschen!

Gabriele Wiechatzek, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_206
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