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146/2005
Stand: 30.05.2005
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EU-Dienstleistungsrichtlinie bleibt unter Experten umstritten

Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit/Verbraucherschutzausschuss (Anhörungen)

Berlin: (hib/VOM) Die Dienstleistungsrichtlinie der Europäischen Union (Rats-Dok. Nr. 5161/05) stößt bei Wirtschaft und Gewerkschaften, aber auch innerhalb der Wirtschaft, auf unterschiedliches Echo. Dies ist am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit deutlich geworden. Knackpunkt ist dabei das so genannte Herkunftslandprinzip. Es besagt, dass für die im EU-Ausland tätigen Dienstleistungsunternehmen die Regeln des Staates gelten, aus dem sie kommen. Die EU-Kommission erhofft sich von dieser Liberalisierung zusätzliche 600.000 Arbeitsplätze, von denen knapp 100.000 in Deutschland entstehen sollen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks hat diese Zahl in der Anhörung vehement bestritten. Wenn überhaupt, so werde im deutschen Handwerk nur eine geringe Zahl von Arbeitsplätzen entstehen. Dagegen sei Deutschland als Hochlohn- und Hochpreisland attraktiv für Dienstleistungsunternehmen aus den Nachbarländern. Allenfalls dort könnte die Richtlinie zu neuen Arbeitsplätzen führen. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di erwartet dramatische Auswirkungen von der Richtlinie. Ver.di-Vertreterin Margret Mönnig-Raane sprach von einem "wahnsinnigen Dumping bei Löhnen und Arbeitsbedingungen". Es käme zu Lohn- und Preisdruck, zu sinkenden Einkommen, einer verschärften Nachfrageschwäche und damit wieder zu wegfallenden Arbeitsplätzen. Die von der EU-Kommission genannte Zahl sei "hoch spekulativ". Die Bundestagsfraktionen bedauerten im Übrigen, dass die ebenfalls zur Anhörung geladene EU-Kommission keinen Vertreter entsandt hatte. Die IG Metall plädierte dafür, das Herkunftslandprinzip durch das Bestimmungslandprinzip zu ersetzen, sodass die Regeln, die am Ort der Dienstleistung gelten, maßgeblich wären. Wilhelm Kübler vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie sagte, zwar sei die EU-Entsenderichtlinie vom Geltungsbereich Dienstleistungsrichtlinie ausdrücklich ausgenommen worden. Allerdings würden die Kontrollmöglichkeiten in dem Land, in dem die Dienstleistung erbracht wird, so eingeschränkt, dass die Entsenderichtlinie praktisch aushöhlt würde. "Der Wegfall der Kontrollmöglichkeiten auf deutschen Baustellen wäre das Ende der Entsenderegelung", so Küchler. Nach der Entsenderichtlinie, die auf dem Bausektor gilt, müssen aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer zu den am Tätigkeitsort geltenden Bestimmungen beschäftigt werden. Küchler appellierte, den Kontrollen erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen. Kontrolliert werden müsse dort, wo die Dienstleistung erbracht wird. Der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte darüber hinaus mehr Rechtsklarheit. Es müsse definiert werden, für welche Dienstleistungen die Richtlinie anzuwenden sei und welche Standards eingehalten werden sollten. Utz Schliesky (Universität Kiel) plädierte dafür, die Art und Weise der Dienstleistungserbringung dem Recht und den Behörden des jeweiligen Tätigkeitslandes zu unterwerfen. Die Richtlinie in der jetzigen Form würde die Überwachung der Wirtschaft erschweren. Für Schliesky führt das Herkunftsland-Prinzip in seiner jetzigen Form zum "Chaos". Funktionieren würde es nur bei transparenten und harmonisierten Bedingungen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erhofft sich demgegenüber positive Effekte von der Richtlinie. "Es zieht kein dunkles Szenario herauf", sagte Sigrid Hintzen. Der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) erhofft sich von der Richtlinie positive Auswirkungen bei den warenbegleitenden Dienstleistungen. Es gebe ein großes Potenzial, die Bürokratie im eigenen Land abzubauen und die Attraktivität des Binnenmarktes für ausländische Investoren zu steigern. Die Risiken für die Beschäftigten seien nicht auf die Richtlinie, sondern auf den Prozess der Globalisierung zurückzuführen, so Andreas Kammholz vom BGA. Im Verbraucherschutzausschuss waren die Auswirkungen der Dienstleistungsrichtlinie ebenfalls Gegenstand einer Anhörung. Dabei rückten die Koalitionsfraktionen die Fragen nach Auswirkungen auf nationale Standards im Verbraucher-, Tier- und Pflanzenschutz und der Sicherung eines hohen Verbraucherschutzniveaus in den Mittelpunkt. Mit Blick auf das Verbraucherschutzniveau empfahl Professor Norbert Reich von der Universität Bremen dem Ausschuss eine ablehnende Haltung gegenüber dem Vorschlag der Kommission, da er ihn bereits im Grundansatz für "verfehlt" hält. Er befürwortet vielmehr eine Öffnung der Dienstleistungsmärkte nach den einzelnen Sektoren, was die EU-Kommission "implizit" für Finanzdienstleistungen und andere ausgenommene Bereiche anerkenne. Als Mindestanforderung sei dann auch eine "Dienstleistungshaftung" einzufordern, wie sie von der Kommission bereits schon einmal angeregt worden war. Die in dem Richtlinienvorschlag vorgesehenen "Qualitätssicherungspflichten" garantierten kein ausreichendes Verbraucherschutzniveau, so Reich.
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/hib/2005/2005_146/02
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