Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1998 > Blickpunkt Bundestag - Juni 1998, Nr. 1/98, Seite 2, Inhalt >
Juni 01/1998
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

N. Foster

"Bauen für die Demokratie"

Exklusiv-Interview mit Sir Norman Foster, dem Architekten des Reichstagsumbaus


Beim Umbau des Reichstagsgebäudes für den Deutschen Bundestag wird von einem Energiekonzept mit ökologischer Signalwirkung gesprochen. Welche Bereiche dieses innovativen Konzeptes sind für Sie die wichtigsten?
Die Idee, den neuen Bundestag als Beispiel für ein nachhaltiges Energiekonzept zu gestalten, war einer der Vorschläge aus unseren vier Wettbewerbsbeiträgen. Unsere ökologische Variante verbindet mehrere Komponenten zu einem Energiesparsystem " sie gehören alle zusammen.
Zunächst schlagen wir vor, auf keinerlei fossile Brennstoffe wie Öl oder Kohle zurückzugreifen. Abgesehen davon, daß wir früher oder später das Ende unserer schnell schwindenden Vorräte erleben werden, bedroht uns das gefährliche Begleitprodukt ihrer Umwandlung in Energie mit der zunehmenden Emission von Treibhausgasen und einer globalen Erwärmung. Die erste strategische Entscheidung war daher, eine stets erneuerbare Energiequelle einzusetzen,
d.h. ein landwirtschaftliches Produkt, wie zum Beispiel Raps- oder Sonnenblumenöl. Dabei ist zu bedenken, daß das Wachstum solcher Pflanzen Sauerstoff erzeugt und Kohlendioxid, eines der umweltschädlichsten Gase, verbraucht.
In der Vergangenheit verursachte der Reichstag im Jahr einen Ausstoß von etwa 7.000 Tonnen CO2 " das neue Konzept mit Rapsöl ist so viel sauberer, daß es eine Reduktion um 94% auf nur 440 Tonnen CO2 pro Jahr erzielt. In unserem System wird das Öl zur Elektrizitätserzeugung in einem Gemeinschaftsgenerator verbrannt. Dieses ökologische Kraftwerk versorgt nicht nur den Reichstag, sondern auch eine größere Zahl von Gebäuden der Gegend mit Strom. Die Abwärme dieses Prozesses wird in Kühlung umgewandelt, so daß Kühlwasser im Gebäude als Teil der Klimatisierung zirkuliert. Dazu kommen natürliche Beleuchtung und Belüftung als weitere Posten der Energieeinsparung. In den Sommermonaten wird die gesamte überschüssige Wärme unterirdisch in 330 m Tiefe als Heißwasser gespeichert, das im nächsten Winter als Wärmequelle genutzt werden kann.
Die außergewöhnliche Dachkonstruktion des neuen Bundestages ist ein deutliches Zeichen des neuen Energiekonzepts. Der spiegelbesetzte Kegel transportiert Licht weit in die Tiefe des Gebäudes. In Windtunneln ist die Aerodynamik erforscht worden, die jetzt wie ein natürlicher Schornstein funktioniert und Luft aus dem Gebäude als Teil des natürlichen Belüftungssystems abzieht.

Wird es aus Ihrer Sicht schon bald eine Architektur geben, die aufgrund der ökologischen Erfordernisse gänzlich anders sein wird?
Ja, ohne jeden Zweifel. Nebenbei hatte die wirklich volkstümliche Architektur in den alten Zeiten ihre Wurzeln immer auch in einer Reaktion auf die Umwelt über Gebäudeformen, Baustoffe und die Technologie.

Ihr Büro ist weltweit tätig und erfolgreich. In diesem Jahr wird u. a. Ihr neuer Flughafen von Hongkong fertiggestellt. Haben Sie sich schon einmal mit dem Einfügen neuer Architektur in einen bedeutenden Altbau wie das Reichstagsgebäude befassen können?
Ja, schon mehrmals. Sehen Sie sich nur unseren Umbau der historischen Royal Academy im Londoner Picadilly an. Wir haben ihn vor einigen Jahren durchgeführt. In jüngerer Vergangenheit haben wir damit begonnen, im Herzen des British Museum in London, das ja aus dem 19. Jahrhundert stammt, einen neuen Hof zu errichten, den New Great Court. Wir haben auch die Ausschreibung zur Umkonstruktion des Treasury Building am Parliament Square aus der Zeit der Jahrhundertwende gewonnen. Dazu kommt noch der neue Flügel der Joslyn Gallery in Omaha, Nebraska, wo wir einen Anbau zu einem Gebäude geschaffen haben, das im Original "Egyptian Prairie Style" errichtet wurde " einer Art Jugendstil aus den zwanziger Jahren.

Welche sind Ihre wichtigsten Prämissen beim Planen? Hatte der Begriff "Bauen für die Demokratie" Einfluß auf Ihren Entwurf für den Deutschen Bundestag?
Ja. Der Ausdruck der neuen Demokratie eines wiedervereinten Deutschland war besonders wichtig. Auch die im Stoff, im Material des Gebäudes enthaltene Geschichte bloßzulegen, war wichtig. Einen weiteren Aspekt stellt die Schaffung von bedeutenden öffentlichen Räumen dar, und hinter den Kulissen war der Arbeitsablauf des Bundestages zu berücksichtigen.

1992, beim Wettbewerb für den Umbau des Reichstagsgebäudes, hatten Sie mit einer anderen Entwurfsidee Erfolg. Wie sehen Sie heute Ihr damals vorgeschlagenes riesiges Dach?
Für die erste Etappe des Wettbewerbs, in der ja ein immenser Raumbedarf bestand, wesentlich mehr an Quadratmetern als das vorhandene Gebäude bieten konnte, war das absolut geeignet. Im zweiten Stadium, als der Raum dramatisch auf einen Bruchteil des ursprünglichen Bedarfs reduziert wurde, war es verständlicherweise nicht mehr angemessen. Also zurück ans Zeichenbrett! Aber übersehen Sie nicht, daß alle Vorbedingungen, der Ausdruck der Demokratie, die Transparenz, der öffentliche Raum, Geschichte und Ökologie, die im gegenwärtigen Schema enthalten sind, aus dem ursprünglichen Wettbewerbsbeitrag der ersten Ausschreibung herrühren.

Die Kuppel des Reichstagsgebäudes ist schon sehr gut erlebbar. Übertrifft sie noch Ihre Erwartungen?
Ja. Obwohl sie doch im Aussehen den Darstellungen unglaublich nahekommt, die wir in Fotomontagen und Modellen entwickelt hatten.

Welcher Bereich des Entwurfs für den Deutschen Bundestag hat Ihnen und Ihren Mitarbeitern die größte Freude bereitet?
Der radikale Ausdruck einer neuen Demokratie in all ihren unterschiedlichen Aspekten.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9801/9801010
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion