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Juli 02/1998
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Nickels

Interview mit Christa Nickels

"Der Petitionsausschuß ist das Forum für den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern"

Der Petitionsausschuß des Bundestages ist ein ganz besonderes Gremium: Hier können die Bürgerinnen und Bürger direkt die Gesetzgebung und das staatliche Handeln beeinflussen. "Blickpunkt Bundestag" sprach mit der Vorsitzenden des Ausschusses, Christa Nickels (Bündnis 90/Die Grünen).

Der Petitionsausschuß scheint die Rolle eines Ombudsmannes übernommen zu haben. Wie bewerten Sie Ihre Rolle? Sind Sie Schiedsrichter, Vermittler oder Anwalt des Bürgers?
Unser Ausschuß ist der Ort des Parlamentes, in dem Veränderungen und Verbesserungen unseres Gemeinwesens durch direkte Impulse der Bürgerinnen und Bürger ausgelöst werden. Die Eingaben spiegeln die Konflikte und Möglichkeiten unserer Staates wider, wobei es unsere Aufgabe ist, Lösungsmöglichkeiten für die gesellschaftlichen Konflikte zu erarbeiten. Der Ausschuß erfüllt eine einzigartige politische Kontrollfunktion und eröffnet gleichzeitig den Menschen die aktive Teilnahme am politischen Willensbildungsprozeß. Denn unser Ausschuß bemüht sich ja nicht nur, im Einzelfall zu helfen, sondern macht dem Parlament und der Bundesregierung Vorschläge, wie sie demokratischer und bürgernäher nicht sein könnten.

Die große Zahl von Petitionen zeigt, daß sich der Ausschuß Vertrauen bei den Bürgern erworben hat ...
Ja, für den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ist der Petitionsausschuß das Forum des Bundestages. Bemerkenswert ist für mich, daß die Menschen über Unmuts- und Meinungsäußerungen hinaus die Diskussion mit dem Petitionsausschuß suchen, in einen kritischen Dialog eintreten und sachkundige und gründlich ausgearbeitete Stellungnahmen fordern. Um diese Aufgaben zu erfüllen, hat der Petitionsausschuß weitgehende Befugnisse, die anderen Ausschüssen verwehrt sind. Wir haben Anspruch auf Aktenvorlage, Zutritt zu Einrichtungen des Bundes, besondere Auskunftsrechte und können Sachverständige und Mitglieder der Bundesregierung vor den Ausschuß laden. Diese Befugnisse machen den Petitionsausschuß zu einem herausragenden Instrument der Regierungs- und Verwaltungskontrolle.

Nützen die Anregungen der Bürger auch direkt dem Parlament und der Gesetzgebung?
Durch die Briefe werden neuartige Probleme oft erstmals im Bundestag bekannt. Und nicht selten wird durch die bildhaften Schilderungen deutlich, daß sich die von Parlamentariern und Fachleuten klug durchdachten, wohlformulierten Gesetze in der Praxis und im Einzelfall nicht bewähren oder ungerecht sind. Deshalb haben wir eine große Verantwortung, weil die Bürgerinnen und Bürger nur über den Petitionsausschuß direkt und unmittelbar am Verfahren des Bundestages teilnehmen können.
Dabei übernehmen wir aber noch eine weitere Funktion: Wenn sich ein Bürger einer "Schreibtischherrschaft" gegenüber sieht, verliert er den Glauben an Recht und Politik. Oft kommen diese Leute dann hilfesuchend zu uns und zeigen damit, daß sie noch Vertrauen in demokratische Verfahren haben. Wir sind dazu da, dieses Vertrauen in das Parlament zu bestätigen und zu festigen.
Es hat fatale Folgen, wenn das nicht gelingt. Unsere Arbeit ist ein steter Drahtseilakt zwischen den hohen Erwartungen auf der einen Seite und der noch allzuoft erlebten Mißachtung dieser Arbeit durch Parlament und Regierung.

Woran machen Sie dies fest?
Man hört viele wohlfeile Sonntagsreden über unseren Ausschuß, aber wenn es darum geht, Tatsachen zu schaffen, sind wir nicht wichtig. Wir haben schlechte Debattenzeiten, zu kurze Beratungszeiten im Ausschuß, und ständig wird am Stellenplan des Ausschußdienstes herummanipuliert. Ich mag gar nicht mehr zählen, wie oft wir den Geschäftsordnungsausschuß anrufen mußten, um wenigstens unsere verbrieften Parlamentsrechte einzuklagen.

Kommen die Bürger nicht mit hohen Erwartungen auf Sie zu, die Sie zwangsläufig mangels Zuständigkeit oder Kompetenz enttäuschen müssen?
Wir können es nicht allen recht machen. Aber der Ausschuß kann sich mit seiner Arbeit der vergangenen vier Jahre sehen lassen. Unser Einsatz ist ein innerparlamentarischer Marsch durch die Institutionen. Aber wir stehen vor einer neuen Etappe. Mit den Instrumenten der Bonner Republik wird der nächste Bundestag nicht auskommen. Dies gilt auch für den Petitionsausschuß. Angesichts wachsender Probleme und schwindender Ressourcen wird das Leben für die Menschen in unserem Land schwerer. Aber die Erfahrungen im Petitionsausschuß zeigen, daß die Menschen trotzdem nicht egoistisch geworden sind. Sie sind bereit, mit eigener Leistung in einem gerechten, sozialen System auch für andere, für Schwache einzutreten. Diese wertvolle Ressource haben wir zu fördern. Unser Ausschuß ist ein Gradmesser für die Bereitschaft der Bürger, sich zu engagieren, und des Parlamentes, dies aufzunehmen und in bürgernahe Politik umzusetzen. Das Engagement der Bürger ist da. Das Parlament aber muß deutlich nachbessern.

Trügt der Eindruck, daß die Fraktionszugehörigkeit im Ausschuß eine geringere Rolle spielt und die Mitglieder eher parteiübergreifende Lösungen anstreben?
Die allermeisten Eingaben werden im Ausschu

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9802/9802006b
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