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November 04/1998
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NATO-Militäreinsatz im Kosovo wäre parlamentarisch legitimiert

(aw) Ein Einsatz bewaffneter NATO-Streitkräfte, um eine humanitäre Katastrophe im Kosovo abzuwenden, wäre parlamentarisch legitimiert. Die große Mehrheit des Bundestages (13. Wahlperiode) schloß sich am 16. Oktober der Auffassung der vorherigen Bundesregierung an, das Bündnis sei zum Eingreifen berechtigt, sofern die Regierung in Belgrad in einer Resolution des UNO-Sicherheitsrates enthaltene Forderungen nicht erfüllt. Für einen Antrag der Regierung (13/11469) stimmten 500 Abgeordnete, dagegen 62 bei 18 Enthaltungen. Die Regierung hatte in ihrer Vorlage auf das unverhältnismäßige gewaltsame Vorgehen der serbischen Sicherheitskräfte verwiesen, das zu 290.000 Flüchtlingen und Vertriebenen geführt habe. Durch den herannahenden Winter werde die Lage für Tausende schutzlos der Witterung ausgesetzte Menschen äußerst kritisch.
Die von CDU/CSU und F.D.P. geführte Regierung hatte sich vor ihrer Entscheidung eng mit Vertretern der künftigen Machthaber von SPD und Bündnis 90/ Die Grünen abgestimmt. Abgeordnete beider Seiten hoben in Debattenbeiträgen hervor, diese enge Zusammenarbeit in einer Zeit des politischen Übergangs habe dazu beigetragen, die außenpolitische Handlungs- und Bündnisfähigkeit Deutschlands zu unterstreichen.
Die große Mehrheit des Parlaments wies gleichzeitig einen Entschließungsantrag der PDS (13/11470) zurück. Die Gruppe hatte dafür plädiert, eine Beteiligung der Bundeswehr an einer NATO-Militäraktion abzulehnen.

Rückhalt für Soldaten

Außenminister Klaus Kinkel (F.D.P.) verwies im Bundestag darauf, der jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic habe auf die monatelangen Bemühungen der Staatengemeinschaft um eine politische Lösung nicht reagiert. Dieser sei deshalb der Hauptverantwortliche für die Tragödie im Kosovo. Ihm dürfe nicht erlaubt werden, "sein zynisches Katz-und-Maus-Spiel" fortzusetzen. Die NATO, so der Minister weiter, habe mit ihrem Beschluß, angesichts der akuten humanitären Notsituation einzugreifen, kein neues Rechtsinstrument geschaffen und auch nicht schaffen wollen, das eine Generalvollmacht des Bündnisses für Interventionen begründen könnte. Es dürfe kein Präzedenzfall entstehen.
Bundesverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) machte darauf aufmerksam, die deutschen Soldaten bräuchten für ihre schwierige Mission den vorbehaltlosen und sichtbaren Rückhalt des deutschen Parlaments. Wenn es zu einer Operation der NATO komme, sei dies für die Bundeswehr der gefährlichste Einsatz, den sie bisher durchgeführt habe. Insgesamt würden durchschnittlich rund 500 deutsche Soldaten eingesetzt. Dieser Beitrag sei militärisch notwendig und bedeutend.
Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Rudolf Scharping, verwies darauf, da sich die Regierung Milosevic zu einem einigermaßen akzeptablen Handeln nur dann bewegen ließe, wenn es militärisch untermauerten Druck gebe, müsse dieser Druck auch für die Zukunft aufrecht erhalten bleiben. Nur dann bestehe überhaupt eine Chance, das eigentliche politische Ziel zu verwirklichen, den Albanern im Kosovo eine Autonomie innerhalb des jugoslawischen Staatsverbandes zu ermöglichen.
Der SPD-Politiker machte außerdem deutlich, eine für die Zukunft tragfähige Lösung des Konfliktes beinhalte auch, dafür zu sorgen, daß zivile, demokratische, rechtsstaatliche Entwicklungen in der Bundesrepublik Jugoslawien möglich werden. Den Kosovo-Albanern wiederum müsse gesagt werden, daß auch auf ihrer Seite jede Form der Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Ziele inakzeptabel sei und auf den gleichen entschiedenen Widerspruch der internationalen Staatengemeinschaft stoßen werde.
Wolfgang Schäuble, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, erklärte in der Debatte, die Entscheidung, einer NATO-Intervention im Kosovo-Konflikt zuzustimmen, stehe verfassungs- und völkerrechtlich auf sicherer Grundlage. Im internationalen Bereich könne man unter engen Voraussetzungen, die sehr sorgfältig zu prüfen seien, auf den Einsatz militärischer Mittel nicht generell verzichten, um den Frieden zu wahren und die Menschenrechte durchzusetzen. Insofern unterscheide sich die Situation von der des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats mit dessen Gewaltmonopol und seinen verbindlichen Entscheidungsinstanzen.

Abkommen umsetzen

Der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Joschka Fischer, verdeutlichte, von der Politik Milosevic' gehe eine dauerhafte Kriegsgefahr in Europa aus. Dies könne nicht akzeptiert werden. Das vom US-Sonderbeauftragten Richard Holbrooke erreichte Abkommen eröffne den Weg, ohne den Einsatz von Gewalt zu einer friedlichen und dauerhaften Lösung im Kosovo zu kommen. Festzuhalten sei aber, daß dieser Weg ohne die Androhung von Gewalt nicht eröffnet worden wäre. Wichtig, so Fischer weiter, sei, daß sich in dieser Frage die NATO nicht selbst ein Mandat gebe. Von großer Bedeutung sei deshalb Kinkels Erklärung, es handele sich nicht um einen Präzedenzfall.
Für die F.D.P. merkte deren stellvertretender Vorsitzender Ulrich Irmer an, die Liberalen hätten immer betont, der Einsatz von Militär sei nur dann für legitim zu halten, wenn er wirklich unausweichlich zur Wahrung von Menschenrechten sei. Dabei bleibe es. Der Vorwurf einer Militarisierung deutscher Außenpolitik sei deshalb "natürlich absoluter Unsinn".
Für die Gruppe der PDS äußerte deren Vorsitzender, Gregor Gysi, die Entscheidung der NATO verletze nicht nur das allgemeine Völkerrecht, sondern auch die spezielle Resolution der Vereinten Nationen zum Kosovo. Die Mehrheit des Bundestages, so Gysi, fasse einen Vorratsbeschluß für einen möglichen Krieg gegen Serbien. Dies sei indiskutabel und der falsche Weg.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9804/9804023
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