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Dezember 05/1998
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Bemühen um außenpolitischen Grundkonsens prägte Debatte

(aw/eu/vt) Das Bemühen um einen außenpolitischen Grundkonsens über Fraktionsgrenzen hinweg hat die Aussprache des Bundestages zur Regierungserklärung des Bundeskanzlers am 10. November geprägt. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) dankte im Rahmen der Debatte sowohl Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) als auch seinem eigenen Vorgänger im Auswärtigen Amt, Klaus Kinkel (F.D.P.), "für das Geleistete im Interesse unseres Landes". Spürbar war aber auch, daß es in einzelnen Sachfragen Akzentunterschiede gibt. Minister Fischer machte deutlich, die Berechenbarkeit der Grundlagen deutscher Außenpolitik sei ein "sehr, sehr hohes Gut", das von der Bonner in die Berliner Republik mitgenommen werde müsse. Insofern sei es sehr wichtig, nochmals daran zu erinnern, daß Deutschland an einer Politik der Selbstbeschränkung festhalten müsse.
Zur deutsch-französischen Freundschaft merkte der Minister an, angesichts "bestimmter Töne" und einer bestimmten Politik der früheren Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Euro ("Der Euro spricht deutsch") seien "selbst die Dinge, die hier gemeinsam getragen wurden, mit einer gewissen nationalen Arroganz rübergebracht" worden. In Paris habe dies nur negativ aufgenommen werden können. Der Außenminister verdeutlichte zudem, so sehr das deutsch-französische Verhältnis aus seiner Sicht für die Fortentwicklung Europas ohne Alternative sei, so sehr freue er sich auch, daß die Regierung von Tony Blair in Großbritannien entscheidende Schritte hin zur europäischen Integration mache.

Türkeipolitik kritisiert

Mit Blick auf das Verhältnis Deutschlands zur Türkei äußerte Fischer, er sehe einen großen Fehler darin, den Türken die Tür vor der Nase so zuzuschlagen, wie es die vorherige Bundesregierung getan habe. Die EU ist dem Außenminister zufolge keine Religionsgemeinschaft, sie gründe sich auf Werte und Interessen. Die Türkei müsse, wenn sie zu Europa gehören wolle, den Weg des Beitritts erhalten. Genauso klar müsse aber sein, daß auch die Türkei die innerhalb der EU gültigen Werte umgesetzt haben müsse, bevor es zu diesem Beitritt kommen könne.
Als einer der Redner der Opposition erwiderte Helmut Haussmann (F.D.P.) dem Außenminister, dieser habe nur deshalb einen guten Start im Amt gehabt, weil er auf einer "exzellenten Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik" habe aufbauen können, zu der seine "eigenen Leute bisher überhaupt nichts beigetragen" hätten. Ein guter Start bedeute aber noch nicht belastbare Außenpolitik. Deshalb solle sich der Minister "mit der Opposition sehr gut stellen". Haussmann: "Sie werden uns noch brauchen. Das sage ich Ihnen voraus."
Der Liberale kritisierte zudem, daß Fischer das künftige Verhältnis Deutschlands zu den Vereinigten Staaten von Amerika in seiner Rede am kürzesten abgehandelt habe. Dies sei zu wenig.
Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) verdeutlichte in seiner Rede, die Politik der Bundesregierung verfolge das Ziel umfassender Sicherheit. Dabei komme es zum einen darauf an, Ursachen für Krisen in Zukunft früher zu erkennen und entschlossener zu handeln als in der Vergangenheit. Die Probleme im Kosovo seien ein sehr nachdrücklicher Hinweis darauf, wohin es führen könne, wenn man über Jahre hinweg deutliche Hinweise auf eine sich immer stärker verschärfende krisenhafte Entwicklung ignoriere.
Zweitens, so Scharping weiter, müsse die internationale Staatengemeinschaft im Bereich der Krisenprävention wesentlich besser werden, als sie es derzeit sei. Und drittens schließlich könne diese Politik nur dann erfolgreich sein, wenn deutsche Außen- und Sicherheitspolitik konsequent demokratische und zivile Entwicklungsprozesse fördere und gleichzeitig zur Achtung der Menschenrechte beitrage.
Scharping sprach sich ferner mit Blick auf notwendige Entscheidungen im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik dafür aus, die interne Bestandsaufnahme der Bundeswehr so voranzutreiben, daß sie im März des nächsten Jahres abgeschlossen sein wird.
Diesen Ausführungen entgegnete für die CDU/CSU Amtsvorgänger Volker Rühe, wenn Scharping sich den Vorstellungen der Grünen widersetze, in die Strukturen der Bundeswehr einzugreifen, so habe er dabei die Unterstützung der Union. Diese werde ihn aber auch daran messen. Es sei deswegen ganz wichtig, so Rühe, daß die geplante Wehrstrukturkommission nicht "sozusagen jahrelang ein Fragezeichen für die Bundeswehr bedeutet". Die Soldaten hätten es nicht verdient, über ihre Zukunft im Ungewissen gehalten zu werden, so Rühe.
Er merkte zudem an, die Politik, in deren Kontinuität die neue Bundesregierung sich jetzt stelle, habe irgendwann "im Kampf" durchgesetzt werden müssen, national und auch international. Die eigentliche Bewährung für die neue Regierung werde deshalb erst dann kommen, wenn neue Fragestellungen auftauchten. Dann werde sich zeigen, ob auch die neue Koalition etwas "im Kampf" werde durchsetzen können, was den deutschen Interessen diene und was eine vernünftige internationale Politik sei.

Rühe: "Starkes Stück"

Es sei schon ein "starkes Stück", so Rühe, wenn Scharping dafür plädiere, Krisen früher zu erkennen. Das Drängen, beispielsweise im ehemaligen Jugoslawien zu intervenieren, um dort Massaker und Krieg zu stoppen, sei schließlich nicht von der früheren Opposition gekommen, sondern von der seinerzeitigen CDU/CSU und F.D.P.-geführten Regierung.
Für die PDS führte Wolfgang Gehrcke aus, deutsche Außenpolitik sollte Friedenspolitik sein. Diese sollte zivile, nichtmilitärische Konfliktlösungen befördern und darauf verzichten, militärische und ökonomische Stärke zur eigenen internationalen Dominanz einzusetzen.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9805/9805024
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