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Dezember 05/1998
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Auf der Brust schimmert's schwarz-rot-gold

Die Fussballmannschaft des Deutschen Bundestages Wenn Trainer Stefan Hebbeker seine Kicker über den Platz treibt, haben die meist einen anstrengenden Tag hinter sich. Sitzung im Bundestag, Fraktionsarbeitskreis, Pressekonferenz, Treffen mit der Besuchergruppe aus dem Wahlkreis. Aber auf dem Platz, da verwandeln sich auch prominente Bundestagsabgeordnete zu ganz normalen Fußballern, die vor allem eins wollen: gewinnen. Und da spielt es keine Rolle, ob die entscheidende Flanke vom sozialdemokratischen Linksaußen und Vizekapitän Günter Graf vors Tor segelt und vom christdemokratischen Mittelstürmer Klaus Riegert unhaltbar im gegnerischen Tor versenkt wird.
Die beiden politischen Konkurrenten sind auf dem Fußballplatz ein Super-Team. 23 Tore hat Riegert 1998 geschossen ­ mehr als eines pro Spiel und über die Hälfte aller Tore, die der "FC Bundestag" in der Saison erzielt hat. "Das habe ich in meiner aktiven Zeit nicht geschafft", gesteht Riegert dem Blickpunkt Bundestag. Mit seiner Torbilanz würde der sportpolitische Sprecher der CDU in der Bundesliga sogar Schützenkönig Ulf Kirsten in den Schatten stellen. "Klaus Riegert hat einen ordentlichen Bums", lobt Coach Hebbeker die Qualitäten seines Torjägers. Und das kommt nicht von ungefähr. Riegert spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Fußball, zuletzt aktiv in der Landesliga.
Rund 70 Mitglieder hat der 1967 gegründete parlamentarische Fußballclub, in dem auch die politische Spitze des Parlamentes eine zweite Heimat gefunden hat. Zumindest als passives Mitglied. Selbst Kaiserslautern-Fan und Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl, Rennradfahrer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), Marathonläufer und Außenminister Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) , Radelfreund und Ex-Finanzminister Theo Waigel (CDU/CSU),  Peter Struck, SPD-Fraktionsvorsitzender, und der bisherige Bauminister Eduard Oswald (CDU/CSU) haben den Mitgliedsausweis in der Brieftasche.

Freude am Sport

"Die Parteizugehörigkeit spielt beim Fußball keine Rolle. Wir sind ein Team", freut sich Kapitän Klaus Riegert. Vor allem die Freude am Sport sei der Grund, daß Abgeordnete trotz ihrer zahlreichen Verpflichtungen noch Zeit für den Fußball finden. Das gemeinsame Spiel habe aber nicht nur für die Fitneß, sondern auch für die Politik gute Folgen. "In der 3. Halbzeit, nämlich beim gemütlichen Beisammensein nach dem Spiel, spricht man auch über anderes als die Politik und lernt sich besser kennen." Und deshalb könne man am Ende auch in der Politik besser zusammenarbeiten.
Zeit allerdings haben die meisten der Promis kaum, aktiv gegen das Leder zu treten. Beispiel Peter Struck. Der war von 1981 bis 1995 an fast 50 Länderspielen gegen andere Parlamentsmannschaften beteiligt. Nach seiner Berufung zum Parlamentarischen Geschäftsführer und nunmehr zum Fraktionsvorsitzenden findet Peter Struck allerdings keine Zeit mehr. An Länderspielen wird der prominente SPD-Politiker nur noch von Ehrenspielführer und Staatsekretär
 a. D. Klaus Rose (CDU/CSU) und dem Hamburger Abgeordneten Dirk Fischer (CDU/CSU) übertroffen. Auch Außenminister Joseph Fischer ist einer der aktiven Fußballer. Er kickt nicht nur bei der "Grünen Tulpe", der grünen Fraktionsmannschaft, die auch schon durch parlamentarische Initiativen in die Schlagzeilen geraten ist, sondern auch immer wieder beim "FC Bundestag". Dabei war Fischer als vielgefragter Fraktionschef der Grünen ein verläßlicher Sportsmann: "Fischer meldete sich sogar ab, wenn er nicht zum Training kommen konnte", freut sich Trainer Hebbeker.  "Ob er als Außenminister weiterhin mitkicken kann, wird sich zeigen. In läuferischer Hinsicht wäre er natürlich eine Verstärkung für die Mannschaft."

Die Arbeit geht vor

Daß Fischer schon vor seiner Bestellung zum Außenminister über den Fußball internationale Kontakte suchte, zeigte sich bereits im Sommer. Da war zum ersten Mal die Mannschaft des russischen Parlamentes der Gegner. Fischer zog gegen die Russen das Trikot über, konnte aber nicht verhindern, daß die Kicker der Staatsduma das Bundestagsteam mit 1:0 in Bonn schlugen.
Ex-Finanzminister Theo Waigel findet trotz überquellenden Terminkalenders ab und an den Ausgleich beim Sport. Beim Spiel gegen die Spitzenköche Mitte Mai legte sich der CSU-Parteichef mächtig ins Zeug und erhielt von Teamchef Hebbeker ein dickes Lob: "Theo Waigel ist ein schneller Mittelfeldspieler und spielerisch gut." Auch Siegfried Scheffler (SPD), Staatssekretär beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen, kickt so oft er kann. Scheffler, Verteidiger im Team, organisierte auch ein Fußballturnier der Parlamentsmannschaften zwischen Österreich, Schweiz, Finnland und Deutschland 1997 in Berlin-Köpenick. Ganz besonders der Mannschaft verbunden ist Klaus Rose. Vor seiner Berufung als Staatssekretär im Verteidigungsministerium war der CSU-Mann zehn Jahre lang Kapitän. "Als Ehrenspielführer hat der Klaus nach dem Regierungswechsel hoffentlich wieder mehr Zeit zum Fußballspielen", meint Hebbeker. "Er ist in der Mannschaft immer noch ein sehr bedeutender Spieler." Doch nicht nur für die Prominenten gilt: Die Arbeit geht vor. Deshalb ist es für Trainer Hebbeker  auch nicht immer leicht, zu jedem Spiel eine vollzählige Mannschaft auf die Beine zu stellen.
Eigentlich ist der "FC Bundestag" trotz seiner prominenten 20 bis 25 aktiven Spieler eine ganz normale Fußballmannschaft. Sie ist eine von 16 Abteilungen der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag, die inzwischen 1.000 Mitglieder zählt. Die Fußballer werden schon seit Jahren von Hebbeker trainiert, der gleichzeitig Geschäftsführer der Sportgemeinschaft ist. Trainiert wird donnerstags um 17 Uhr auf dem Sportplatz neben dem Bonner Abgeordnetenhochhaus "Langer Eugen" ­ allerdings nur in den Sitzungswochen des Bundestages, wenn alle Abgeordneten am Rhein präsent sind.

Bis zu 18 Spiele pro Saison

Zum Wettkampf tritt das Team des Parlaments dienstags um 17 Uhr an, 15 bis 18 Mal pro Saison. Und damit alles mit rechten Dingen zugeht, haben sich die Parlamentskicker die Dienste eines der besten und zugleich prominentesten Schiedsrichter der Nation gesichert: Walter Eschweiler. Der ehemalige FIFA-Schiedsrichter arbeitet nur einen Steinwurf entfernt vom "FC Bundestag", im Auswärtigen Amt. Daß Kicker Joseph Fischer als Außenminister auch noch oberster Dienstherr von Schiedsrichter Eschweiler ist, dürfte auf dem Platz aber kaum zu Verwicklungen führen ­ schließlich sind beide nun Diplomaten.
Doch nicht nur auf einen Top-Mann im schwarzen Dress stützt sich der "FC Bundestag". Nicht weniger anspruchsvoll ist die Kluft. Das Team tritt in den offiziellen Trikots der Deutschen Fußballnationalmannschaft an. Der DFB sorgt dafür, daß der kleine Ableger der großen Nationalmannschaft eine gute Statur macht. Auch bei den Spielen sorgt der DFB für bleibende Erinnerungen. So ist Riegert ein Spiel gegen ehemalige DFB-Trainer wie Berti Vogts, Rainer Bonhof und Sepp Maier noch gut in Erinnerung. Ebenso ein Spiel gegen Behinderte aus dem Wahlkreis von Theo Waigel. Riegert: "Das war ein ganz ungewöhnliches Erlebnis."

Internationale Kontakte

Die Namen der Gegner sind entsprechend vielfältig: Gegen die Vereinigung der Spitzenköche Deutschlands und Wahlkreisteams wird ebenso um den Sieg gekämpft wie gegen die Mannschaften von ZDF und Deutscher Welle. Parlamentsmannschaften aus Tschechien, Ungarn und Namibia kickten schon gegen die Bonner, wobei das Spiel in Windhoek sogar live im Fernsehen übertragen wurde. Was nicht heißt, daß es bei diesen Begegnungen auf dem Fußballplatz diplomatisch zurückhaltend zugeht. "Wir sind eine ganz normale Fußballmannschaft und wollen unsere Gegner natürlich besiegen", so Hebbeker, der im Training vor allem auf Ballgefühl, Ausdauer und Taktik achtet. Die kam seiner Mannschaft im Mai gegen Azubis aus Namibia zugute. "Das waren richtig starke Burschen zwischen 20 und 28 Jahren", berichtet Hebbeker. "Wir dürfen uns nicht wundern, wenn wir uns eine 7:0-Niederlage abholen", stachelte der Trainer den Ehrgeiz des Teams an. "Wir machen deren Spiel einfach nicht mit, warten ab und halten den Ball zunächst in den eigenen Reihen", riet er seinen Mannen. Die Taktik ging auf. Während die Kicker aus Namibia das deutsche Tor bestürmten, ließen die Parlamentarier den Ball in der Abwehr laufen, um die Afrikaner zu überlisten und auszukontern. Ein gelungenes Rezept: Die Bundestagsmannschaft gewann gegen Namibia mit 4:1.

Besondere Beziehungen

Überhaupt verbindet die Parlamentarier mit Namibia eine besondere Beziehung. "Wir unterstützen den Bau eines Sportplatzes für Jugendliche", sagt Kapitän Riegert. Jeder Spieler hat dafür 500 Mark aus der eigenen Schatulle gespendet. Nicht nur solche Benefizveranstaltungen sind für Riegert ein Grund, daß die Bundestagsmannschaft zu einem Sympathieträger geworden ist. Nach den Spielen würde man häufig mit den Gegnern, meist ganz "normale" Bürger, gemütlich zusammensitzen. "Das sind Gelegenheiten, sich ganz unbefangen kennenzulernen. Dabei spüren die Menschen, daß auch wir Abgeordnete ganz normale Menschen sind, zumal auch wir uns während des Spiels eine Gelbe Karte einfangen können."
Durchwachsen war die letzte Saison der Mannschaft vor dem Umzug nach Berlin. "Wir haben ein ausgeglichenes Verhältnis geschafft", meint Vizekapitän Günter Graf, "aber schließlich ist das Siegen bei uns auch nicht die Hauptsache, sondern der Kontakt mit Menschen, der Austausch und der gute Zweck." Daß der "FC Bundestag" auch in Berlin glänzende Spiele hinlegen kann, dafür ist gesorgt: In der Hauptstadt ist inzwischen ein neuer Platz im Ludwig-Jahn-Park am Prenzlauer Berg gefunden.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9805/9805075
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