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März 02/1999
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STEUERENTLASTUNGSGESETZ IM PLENUM

SPD und Bündnisgrüne sehen mehr Steuergerechtigkeit verwirklicht

(fi) Mehr Steuergerechtigkeit in Deutschland herzustellen und Arbeitnehmer und Familien zu entlasten hat Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine (SPD) als Leitidee des Entwurfs von SPD und Bündnisgrünen für das Steuerentlastungsgesetz 1999/2002/2002 (14/23) bezeichnet. Der Bundestag hat das Gesetz am 4. März mit 311 Ja­Stimmen bei 251 Nein­Stimmen und 27 Enthaltungen auf Empfehlung des Finanzausschusses vom 2. März (14/442, 14/443) verabschiedet. Das Gesetz tritt im wesentlichen rückwirkend zum 1. Januar 1999 in Kraft.

Die Unternehmen seien in den letzten Jahren um 50 Milliarden DM entlastet worden, mit dem Versprechen, daß dadurch die Arbeitslosigkeit abgebaut werde, so der Minister. Alle wissenschaftlichen Institute hätten ermittelt, daß vor allem Arbeitnehmer und Familien überproportional belastet waren. Ihre Entlastung um über 20 Milliarden DM sei notwendig. Der Mittelstand werde um über 3 Milliarden DM entlastet. Man habe die Freibeträge bei Veräußerungsgewinnen beibehalten, weil dies beim Betriebsübergang wirtschaftlich begründbar sei. Auch bei der Ansparabschreibung, die bleibt, sei man den mittelständischen Betrieben entgegengekommen. Die Teilwertabschreibung sei zugunsten des Mittelstandes korrigiert worden, weil die Argumente vor allem aus Buchverlagen, Textilindustrie und Einzelhandel überzeugt hätten.

Steuersätze senken

An Lafontaine gewandt erklärte Friedrich Merz (CDU/CSU), wenn die steuerliche Bemessungsgrundlage verbreitet werden soll, müßten zeitgleich die Steuersätze für Privathaushalte und Betriebe gesenkt werden. Bei der Teilwertabschreibung stelle sich die Frage, welcher Betriebsprüfer beurteilen soll, was eine dauernde Wertminderung ist. Auch gebe es ein Abzinsungsgebot auf Sachleistungsverpflichtungen in der Steuerbilanz in keinem einzigen EU­Land. Wenn für die Braunkohle in den neuen Ländern Rückstellungen von etwa 1 Milliarde DM, die für die Rekultivierung vorgenommen werden müßten, in der Steuerbilanz aufzulösen und zu versteuern seien, stelle sich die Frage, was diese Regierung für die neuen Länder tue.

Für Christine Scheel (Bündnis 90/Die Grünen) hat die ungerechte Verteilung der steuerlichen Lasten zu einer immer stärker erodierenden Steuermoral geführt. Der Staat müsse nicht nur Steuerkriminalität verhindern, sondern auch eine effiziente und gerechte Steuerpolitik gestalten. Das Steuerentlastungsgesetz sei eine "sehr schwere Geburt" gewesen, räumte die Politikerin ein. Der Druck der Wirtschaftslobbyisten habe eine neue Qualität erreicht. Man habe mit Investitionsstopp, mit Entlassungen, mit Verfassungsgericht und Abwanderung ins Ausland gedroht. Es könne nicht sein, so Scheel, daß große Unternehmen auf diese Weise auf die Politik Einfluß zu nehmen versuchen. Auch sei die steuerliche Mehrbelastung überhöht dargestellt worden. Die Kritik der Energie­ und der Versicherungswirtschaft sei unberechtigt.

Dr. Hermann Otto Solms (F.D.P.) erklärte, er habe in über 25 Jahren in der Steuer­ und Finanzpolitik noch nie etwas so Chaotisches erlebt wie dieses Gesetzgebungsverfahren. Die Bundesregierung könne keine Auskunft geben, "wie das alles zusammenwirken soll". Notwendig sei eine Verbesserung der Kostenstruktur der deutschen Wirtschaft, damit sie preiswerter anbieten könne. Dann würden auch mehr deutsche Produkte gekauft. Die alleinige Betonung der Nachfrageseite führe in die Irre. Das Steuerrecht werde komplizierter, manipulationsanfälliger und interpretationsbedürftiger. Bis 2002 würden Zehntausende von Arbeitsplätzen verloren gehen, prophezeite Solms.

Dr. Barbara Höll (PDS) meinte, die Bürger hätten ein Recht darauf, daß Gesetze nachvollziehbar sind. Auch sie kritisierte das Gesetzgebungsverfahren, das weder geordnet noch sachgerecht gewesen sei. Die Streichungen bei der Bemessungsgrundlage seien willkürlich, sie träfen kleine und mittelständische Unternehmen sehr stark. Mit der Mindestbesteuerung habe der Finanzminister das "Kind mit dem Bade" ausgeschüttet. Es bestehe die Gefahr, daß Verluste aus realer Wertminderung, die die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen beeinträchtigen, nicht mehr geltend gemacht werden können. Höll empfahl der Regierung, konsequent zu sein und die Steuersparmodelle richtig abzuschaffen.

Für die SPD berichtete Detlev von Larcher, eine Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen Einkommen habe bereits in diesem Jahr 1.200 DM mehr zur Verfügung. Die Entlastung werde im Jahr 2000 auf 2.700 DM ansteigen. Die Steuerbelastung der Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen habe sich seit 1982 von 30 Prozent etwa halbiert, während die Steuer­ und Abgabenlast der Arbeitnehmer im gleichen Zeitraum von 30 auf 37 Prozent gestiegen sei. Bei der Teilwertabschreibung werde sichergestellt, daß dauerhafte Wertminderungen auch weiterhin steuerlich berücksichtigt werden können. Gleichzeitig werde ausgeschlossen, daß irreale Wertansätze in den Steuerbilanzen auftauchen.

"Ziele verfehlt"

Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) stellte für die CDU/CSU fest, daß die technische "Verkomplizierung" einen neuen Höhepunkt erreiche. Die Ziele des Entwurfs seien eklatant verfehlt worden. Nicht die Belebung der Nachfrage und die Stärkung der Massenkaufkraft, sondern die Verbesserung der Investitionskraft der Unternehmen schaffe mehr Wachstum und Beschäftigung und damit neue Arbeitsplätze. Durch die Belastung der Wirtschaft in diesem Gesetz werde kein neuer Arbeitsplatz geschaffen. Vielmehr würden düstere Prognosen über den Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen sehr schnell Realität werden.

In zweiter Lesung stimmte der Bundestag über vier Einzelregelungen des Gesetzes namentlich ab. Die Neuregelung zum Verlustausgleich wurde mit 313 Ja­Stimmen bei 277 Nein­Stimmen angenommen, die Regelung zur Teilwertabschreibung mit 342 Ja­Stimmen bei 246 Ablehnungen befürwortet. Der neuen Rückstellungsbewertung stimmten 308 Abgeordnete zu, während 271 ablehnten und drei sich enthielten. Die Streichung des Verlustabzugs im Zusammenhang mit der Veräußerung steuerfreier Schachteldividende erhielt 341 Ja­Stimmen bei 248 Nein­Stimmen und einer Enthaltung.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9902/9902018
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