Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 1999 > Deutscher Bundestag - Blickpunkt Bundestag 6/99 Inhaltsverzeichnis >
Juli 06/1999
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

INTERNATIONALE FRIEDENSGRUPPE FÜR DAS KOSOVO GEBILLIGT

Nach dem Ende der Gewalt nunmehr den Balkan umfassend stabilisieren

(aw) Mit überwältigender Mehrheit hat der Bundestag am 11. Juni den Einsatz von bis zu 8.500 Bundeswehrsoldaten im Rahmen einer internationalen Friedenstruppe für das Kosovo gebilligt. Auf Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses (14/1136) stimmten 505 Abgeordnete für einen entsprechenden Antrag der Bundesregierung (14/1133). Es gab 24 Neinstimmen und 11 Enthaltungen.

Der Regierungsvorlage zufolge ist eine internationale Sicherheitspräsenz im Kosovo erforderlich, um den Rückzug der jugoslawischen Militär­ und Polizeikräfte sowie ein unverzügliches Ende von Gewalt und Unterdrückung zu überwachen. Die Rückkehr der Vertriebenen und Flüchtlinge sei zu ermöglichen, eine dauerhafte, selbsttragende politische Lösung für das Kosovo zu erreichen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte für ein solches Vorgehen am 10. Juni mit der Resolution 1244 (1999) das Mandat erteilt.

Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte dazu im Parlament, nunmehr sei der Weg frei für einen umfassenden Friedensprozeß für das Kosovo. Parallel dazu und eng eingebettet darin gelte es, den Stabilisierungsprozeß für den gesamten Balkan anzugehen. Am Ende dieses Prozesses müsse die Ankoppelung Südosteuropas – einschließlich eines demokratischen Serbien – an das "Europa der Integration" stehen.

Geschlossenheit entscheidend

Fischer betonte zudem, entscheidend für den errungenen Erfolg sei die Geschlossenheit der Staatengemeinschaft gewesen: "Es war eine der großen Fehlkalkulationen von Herrn Milosevic [dem jugoslawischen Präsidenten], darauf zu vertrauen, daß die NATO nicht zusammenhalten würde." Die Kooperation zwischen Europa, Rußland und den USA, so der Minister weiter, habe letztlich dazu beigetragen, daß sich die Politik der ethnischen Kriegsführung auf dem Balkan nicht habe durchsetzen können.

Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) erklärte, jetzt bestehe die Chance, daß für eine lange, gute Zukunft auf dem Balkan das Ende der Kriege in Europa gefunden werde. Wenn der Balkan insgesamt eine gute Perspektive haben solle, dann müßten alle dazu beitragen. Scharping: "Unser Appell gerade an das serbische Volk lautet: ,Nehmt euer Schicksal in die eigene Hand! Überlaßt es nicht einem Diktator, sondern kommt nach Europa!" Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck, warnte davor, den Menschen in der Region falsche Hoffnungen zu machen. Das Schweigen der Waffen und die Resolution der UNO seien nur der Anfang "auf einem langen, dornenreichen Weg zu wirklichem Frieden". Die internationale Gemeinschaft sehe sich nunmehr neben gravierenden militärischen Herausforderungen "gigantischen" Aufbau­ und Reparaturarbeiten gegenüber.

Struck versicherte den Soldaten im Einsatz und ihren Familien, der Bundestag stehe geschlossen hinter ihnen. Angelika Beer (Bündnis 90/Die Grünen) merkte an, Ziel des Einsatzes der Soldaten müsse es jetzt sein, den Menschen, die sie in den vergangenen Wochen versorgt hätten, nunmehr die Rückkehr ins Kosovo zu erleichtern. Karl Lamers (CDU/CSU) erklärte, die Union stimme dem Antrag der Bundesregierung "nicht ohne große Sorgen und nicht ohne Bedenken" zu. Diese Zustimmung werde durch den Umstand sehr erleichtert, daß die Friedensaktion nun unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfinde. Damit werde "eine Wunde geheilt", die "uns alle beschwert hat".

Die UCK entwaffnen

Lamers bezeichnete eine Entwaffnung der sogenannten kosovo­albanischen Befreiungsarmee (UCK) als unbedingt notwendig. Diese werde aber ganz ungewöhnlich schwierig sein. Der Unionspolitiker betonte zudem, Frieden auf dem Balkan könne nur dann sein, wenn beim serbischen Volk ein demokratischer Geist einkehre, der das Gegenteil "dieses ungezügelten und in gefährlichen Mythen wurzelnden Nationalismus" sei. Der überwältigenden Mehrheit des serbischen Volkes müsse deshalb jetzt das Gefühl gegeben werden, daß die Friedensordnung eine faire Ordnung sei. Helmut Haussmann (F.D.P.) erklärte, mit Milosevic werde es weder im Kosovo noch in Serbien Stabilität geben. Kein Kosovare werde bereit sein, "sich mit seinem eigenen Schänder an einen Tisch zu setzen", um über Wiederaufbauhilfe und zukünftige Autonomie zu verhandeln. Haussmann sprach sich außerdem dafür aus, die Europäische Union solle mit Albanien, Mazedonien, Kroatien und Bosnien­Herzegowina sofort Verhandlungen über Assoziationsabkommen aufnehmen. Dies wäre ein wichtiges Aufbruchsignal auch für dringend notwendige internationale Investitionen.

Berechnung abwarten

Gregor Gysi (PDS) begrüßte im Namen seiner Fraktion ausdrücklich das Ende der Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO "und damit das Ende eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges". Ebenso bestehe jetzt die Chance auf ein Ende von Vertreibung, Mord und anderen Menschenrechtsverletzungen im Kosovo. Dem Antrag der Bundesregierung, so Gysi, könnten die Abgeordneten der PDS aber nicht zustimmen, weil darin der Krieg nachträglich bestätigt werde. Bereits am 8. Juni hatte es der Bundestag erneut abgelehnt, wie in einem Entschließungsantrag der PDS (14/1120) gefordert, sich für ein vorzeitiges einseitiges Ende der NATO­Luftangriffe auf Jugoslawien einzusetzen.

Regierungsangaben zufolge werden über bereits bewilligte Mittel hinaus die zusätzlichen Kosten für den Kosovo­Einsatz etwa 140 Millionen DM im Haushaltsjahr 1999 betragen. Weitere finanzielle Festlegungen, so machte die SPD am 11. Juni im Haushaltsausschuß deutlich, seien zu einem späteren Zeitpunkt zu treffen. Zunächst müßten Berechnungen des Finanzministeriums abgewartet werden, um seriös entscheiden zu können. Die CDU/CSU kommentierte dazu, es gehe nicht an, der Bundeswehr schwierigste Aufgaben zuzuweisen und gleichzeitig über Kürzungen des Verteidigungsetats nachzudenken.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9906/9906020
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion