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Juli 06/1999
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AKTUELLE STUNDE ZUM DIOXINSKANDAL

Vertrauen in Landwirtschaft gestört – harte Strafen gefordert

(ge) Obwohl die Bundesregierung sofort nach Bekanntwerden des Skandals die Öffentlichkeit umfassend informiert hat, ist der Imageschaden für die Landwirtschaft in ganz Europa "enorm", ebenso der wirtschaftliche Schaden. Das hob Karsten Schönfeld (SPD) am 11. Juni im Bundestag in der Aktuellen Stunde zur Haltung der Bundesregierung zum Skandal der dioxinverseuchten belgischen Lebensmittel hervor.

Die belgische Taktik im Umgang mit dem Dioxinskandal der Landwirtschaft sei vom Bundeslandwirtschaftsminister zu Recht scharf kritisiert worden. Die Belgier hätten alles tun müssen, die Öffentlichkeit frühzeitig und vollständig zu informieren. Die Reaktion der Bundesregierung habe allerdings gezeigt, daß sie nichts zu verbergen habe und man den Dialog mit allen Beteiligten und Betroffenen suche.

Die deutschen Einzelhändler in den Regionen an der Grenze zu Belgien, so Schönfeld, erlebten derzeit einen kräftigen Ansturm. Das Vertrauen in die deutschen Nahrungsmittel sei "mit Recht" weiterhin hoch. Nach Bekanntwerden des Dioxinskandals seien in allen Bundesländern Kontrollen durchgeführt worden und bisher keine höheren Dioxinwerte in Lebensmitteln festgestellt worden.

Wichtig sei es nun, auf europäischer Ebene die notwendigen politischen Konsequenzen zu ziehen. Die SPD­Bundestagsfraktion fordere deshalb zusätzliche Kontrollinstanzen für Lebensmittelkontrollen und eine offene Deklaration der Futtermittelinhaltsstoffe.

Konsequenzen ziehen

Für die CDU/CSU­Fraktion fragte Wolfgang Zöller nach dem Sinn der jetzigen Aktuellen Stunde. Das Verhalten der SPD bei der Frage, ob und wann es Sondersitzungen der Fachausschüsse bzw. eine Aktuelle Stunde im Plenum geben solle, sei zu kritisieren. Er werde "den Verdacht nicht los", daß die SPD mit einer vorgezogenen Aktuellen Stunde das Anliegen der F.D.P., eine Aktuelle Stunde zu einem wichtigen Thema abzuhalten, verhindern wollte.

In der Sache selbst sei festzuhalten, so Zöller weiter, daß der Dioxinskandal in Belgien passiert sei. Man müsse alles unternehmen, um "unsere Bürgerinnen und Bürger vor gesundheitlichen Schäden zu schützen". Den Vorschlag der SPD, für eine bessere Deklaration der Produkte zu sorgen, bewertet Zöller skeptisch. "Die Verbrecher in Belgien" würden wohl kaum auf die Deklaration schreiben, "wir haben ein bißchen Dioxin in die Produkte gemischt". Ebenso wie der Sozialdemokrat empfahl auch Zöller, deutsche Produkte mit Qualitätsnachweis zu kaufen. Im übrigen, so Zöller, sei es notwendig, das Strafmaß für solch kriminelles Handeln "schnellstmöglich europaweit" wesentlich zu verschärfen. Wer aus "Profitgier" wissentlich die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setze, dürfe nicht mit einer "läppischen Geldstrafe" davonkommen.

Verantwortung fehlt

Die F.D.P. fragte ebenfalls nach dem Sinn der Aktuellen Stunde. Marita Sehn legte für ihre Fraktion dar, die Haltung der Bundesregierung werde sich wohl kaum in der Zeit vom 2. Juni, als die Sondersitzung der Fachausschüsse war, bis zum jetzigen Zeitpunkt verändert haben. Es gehe lediglich darum, die von den Liberalen beantragte Aktuelle Stunde zu dem "Schröder/Blair­Papier" zu verhindern.

Zum Dioxinskandal erklärte Sehn, der Verlauf des Skandals sei leider nicht von "Verantwortung und Vertrauen" geprägt gewesen. Es sei unverständlich, daß zwar Paris und Den Haag von der belgischen Regierung über die entdeckten Dioxinverseuchungen informiert wurden, nicht aber Deutschland als Inhaber der EU­Ratspräsidentschaft und auch nicht die EU­Kommission. Entscheidend sei nun, so die Liberale, bestehende Kontrollen nicht zum "Selbstzweck verkommen" zu lassen. Aufgedeckte Verstöße müßten zu Konsequenzen führen und die "wenigen schwarzen Schafe hart bestraft werden", um die Mehrheit der vorbildlichen Betriebe zu schützen.

Das größte Kapital der Landwirte sei das Vertrauen der Verbraucher in die Qualität der Produkte und die Verläßlichkeit der Verbraucheraufklärung. Kriminelle Machenschaften und Schlampereien, die zwar entdeckt, aber nicht konsequent öffentlich gemacht und verfolgt würden, schadeten dem Verbraucherschutz und dem Ansehen der Landwirte erheblich.

Kersten Naumann erklärte für die PDS, die Gefahren, die von dem hochtoxischen Sevesogift Dioxin ausgingen, seien völlig unstrittig. Der feste Wille, alles dafür zu tun, daß dieses Gift nicht in die Nahrungskette gelangt, werde niemandem abgesprochen. Auch das Kontrollsystem zur Verhinderung der Belastungen von Nahrungsmitteln mit gesundheitsschädlichen Stoffen werde auf einem "hohen Niveau als ausreichend eingeschätzt". Aber schon bei der gemeinsamen Sondersitzung von Gesundheits­ und Agrarausschuß sei deutlich geworden, "daß alle ihre Hände in Unschuld waschen". Der Hintergrund dafür sei klar: Der "schwarze Peter" werde der belgischen Regierung zugeschoben. Auch Deutschland "hatte und hat seine Lebensmittelskandale" und Dioxinprobleme. Naumann erinnerte an die 4.000 notgeschlachteten Hormonkälber in NRW und an den Dioxinunfall im März dieses Jahres in Duisburg sowie an die Dioxinwolke durch PVC bei der Düsseldorfer Flughafenkatastrophe.

"Belgier machten Fehler"

Die Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen), erklärte, der Dioxinskandal habe weitreichende Folgen für die Verbraucherpolitik. Er habe nicht nur das Vertrauen in die Lebensmittelsicherheit erschüttert, sondern auch in die europäischen Institutionen, die diese zu wahren haben. Erschüttert sei zudem das Vertrauen in all diejenigen Produzenten und Händler, die mit dieser Verunreinigung gar nichts zu tun haben, weil sie "anständig produzieren". Dieser Vertrauensverlust werde die Politik sicher noch lange beschäftigen und nur "sehr schwer zu heilen sein".

Dem Vorwurf, man wolle alles auf die belgische Regierung schieben, hielt die Ministerin entgegen, es stehe fest werden, "daß die Ursache bei der belgischen Regierung liegt". Im übrigen hätten die belgischen Kollegen bereits ausdrücklich zugegeben, daß ihre Regierung einen Fehler gemacht habe.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9906/9906045
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