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Oktober 09/1999
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GESETZENTWURF ZUR FAMILIENFÖRDERUNG

Familien sollen zuviel gezahlte Steuer zurückerstattet bekommen

(fi) Die Bundesregierung will Familien mit Kindern rund 900 Millionen DM an zu viel gezahlter Einkommensteuer zurückerstatten. Dies gab sie am 6. Oktober im Finanzausschuss bekannt, der die Beratung der gleichlautenden Gesetzentwürfe von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (14/1513) und der Bundesregierung (14/1670) zur Familienförderung aufnahm. Die geplante Regelung bildet die gesetzliche Grundlage für die Änderung von noch nicht bestandskräftigen oder mit Blick auf die Kinderfreibeträge vorläufig ergangenen Einkommensteuerbescheiden der Jahre 1985 bis 1995.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in Entscheidungen vom 10. November 1998 die steuerliche Berücksichtigung des sächlichen Existenzminimums eines Kindes in den Jahren 1985, 1987 und 1988 für nicht ausreichend angesehen und dabei allgemeine Kriterien für die Ermittlung des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes aufgestellt.

Keine Anträge erforderlich

Der Gesetzgeber will dies zum Anlass nehmen, über das "zwingend notwendige Maß hinaus" Nachbesserungen für die Jahre 1985 bis 1995 (mit Ausnahme des Jahres 1992, in dem die Freibeträge ausreichten) zu ermöglichen. Seit 1990 hatten die Finanzämter generell alle Steuerbescheide im Hinblick auf das steuerfreie Existenzminimum von Kindern unter Vorbehalt ausgestellt. Wie die Bundesregierung in der Sitzung erläuterte, werden die Finanzämter automatisch tätig und zahlen die Erstattungen ohne Antrag der Steuerpflichtigen aus.

In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses stießen die Gesetzentwürfe am 29. September nicht auf uneingeschränkte Zustimmung. Geplant ist, das Kindergeld für das erste und zweite Kind vom Jahr 2000 an von 250 DM auf 270 DM anzuheben und einen Betreuungsfreibetrag für jedes Kind bis zum vollendeten 16. Lebensjahr in Höhe von 3.024 DM für ein Elternpaar einzuführen. Ebenso soll es einen Betreuungsfreibetrag von 1.080 DM für ein Elternpaar und ein Kindergeld von 30 DM monatlich für volljährige behinderte Kinder geben. Für das kommende Jahr werden aufgrund dieser Vorgaben Steuermindereinnahmen von 3,8 Milliarden DM erwartet, von denen jeweils 1,62 Milliarden DM auf Bund und Länder und 570 Millionen DM auf die Kommunen entfallen.

Professor Theodor Siegel von der Berliner Humboldt­Universität hält die geplante Familienförderung für verfehlt. Sie laufe darauf hinaus, dass der Bürger umso mehr Förderung erhält, je weniger er sie benötigt. Die vorgesehene Kindergelderhöhung ändere daran nichts, weil der Effekt der Kinderfreibeträge, soweit sie den des Kindergeldes übersteigen, erhalten bleibe. Für Schneider bringt die Freibetragsregelung eine höhere Entlastung für Besserverdienende aufgrund der Progression der Einkommensteuer. "Wer für progressionsmildernde Kinderfreibeträge eintritt und eine Einführung eines Kinder­Grundfreibetrages ablehnt, muss sich fragen lassen, warum er beim Existenzminimum der Steuerpflichtigen selbst nicht für einen progressionsmildernden Freibetrag eintritt", heißt es in der Stellungnahme Schneiders.

"Mehrverdiener entlastet"

Professor Peter Bareis von der Universität Hohenheim wies darauf hin, dass der Freibetrag bei niedrigen Einkommen wenig oder nichts bewirkt, Mehrverdiener dagegen hoch entlastet würden. Der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband beklagte, dass Sozialhilfe beziehende Familien leer ausgingen, weil das Kindergeld voll angerechnet werde. Eine Minderheit profitiere von der Erhöhung durch den neuen Freibetrag, während eine Mehrheit von Familien "ins Abseits gestellt" werde. Für das Ifo­Institut für Wirtschaftsforschung stellen die Freibeträge dagegen keine Begünstigung dar, sondern verhindern nur eine "gleichheitswidrige Überbelastung".

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält das Modell eines Kindergrundfreibetrages, das zu einer gleichmäßigen Entlastung für die steuerpflichtigen Eltern führen würde, für sozial gerecht und finanzierbar. Trotz Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit dieses Modells empfiehlt der DGB, es rechtspolitisch im Auge zu behalten, weil auch Verfassungsurteile "keinen Ewigkeitswert haben".

Klage über die finanzielle Belastung der Kommunen führte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände. Schon jetzt erlitten die Städte und Gemeinden durch den Familienleistungsausgleich jährliche Steuerverluste bei ihrem Einkommensteueranteil, die sich nach der Kindergelderhöhung zu Beginn dieses Jahres schon auf netto rund 6 Milliarden DM jährlich summierten.

Länderforderungen abgelehnt

Der Bundestag hat den Regierungsentwurf am 30. September zur Beratung an den Finanzausschuss überwiesen. Die Bundesregierung erklärt darin in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates, die Forderungen der Länder nach einer Änderung der Umsatzsteuerverteilung seien nicht gerechtfertigt. Der Bund habe eine schlechtere Finanzsituation mit höheren Defizitquoten als die Länder einschließlich der Gemeinden, heißt es zur Begründung. Durch eine Neuregelung der Umsatzsteueranteile dürfe das Ungleichgewicht zu Lasten des Bundes nicht verschärft werden.

Der Bundesrat hatte in seiner Stellungnahme darauf hingewiesen, dass den Ländern verfassungsrechtliche Ausgleichsansprüche für die Mehrbelastungen zustehen, die sie bei der Neuordnung des Familienleistungsausgleichs vor drei Jahren übernommen hätten. Durch die Kindergelderhöhungen erhöhe sich der Ausgleichsanspruch der Länder gegen den Bund für das Jahr 2000 auf 4,7 Milliarden DM. Für die Jahre 1996 bis 1999 bestünden außerdem Ausgleichsforderungen von knapp 120 Milliarden DM. Weiterhin sind ungedeckte Einnahmeausfälle von durchschnittlich mehr als 3,5 Milliarden DM jährlich 2001 bis 2003 zu erwarten. Dagegen hält die Bundesregierung die Mindereinnahmen aus der Kindergelderhöhung zum 1. Januar 1999 für voll finanziert. Die Forderungen aus einer zu geringen Kompensation in den Jahren 1996 bis 1999 in Höhe von 10 Milliarden DM seien unbegründet.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9909/9909037
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