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November 10/1999
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Online-Diskussion mit Bundestagsabgeordneten

"10 Jahre ohne Mauer: Sind wir ein Volk?"

Schnell und direkt wie selten konnten bei der jüngsten Online-Diskussion des Deutschen Bundestages die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Abgeordneten in Kontakt treten. Fünf Mitglieder des Ausschusses für Angelegenheiten der neuen Länder tippten sich die Finger heiß, um die Fragen ihrer Wählerinnen und Wähler zum Thema "10 Jahre ohne Mauer: Sind wir ein Volk?" zu beantworten. Blickpunkt Bundestag dokumentiert die Diskussion in Auszügen.

Frage an Dr. Mathias Schubert, SPD

Absender Simone Schröder: ... In der breiten Öffentlichkeit wird die Mauer wohl noch viele Jahrzehnte überdauern. Wie ist das bei Ihnen?

Antwort: Sehr geehrte Frau Schröder, 1961 wurde unsere Familie durch den Mauerbau getrennt. Deshalb war die Mauer für mich bis zu ihrem Fall nicht nur einfach eine Grenze, sondern ein Symbol für die Menschenverachtung des SED-Regimes. Insofern ist seit dem 9.11.89 in mir die Mauer gefallen. Selbstverständlich haben Sie Recht, dass sich viele Deutsche in Ost und West noch nicht als vereinigtes Volk empfinden. Genauso richtig ist jedoch auch, dass sowohl die Ostdeutschen wie auch die Westdeutschen in ihrer übergroßen Mehrheit die Mauer nicht wieder wollen. Diejenigen, die die Mauer wieder wollen, sollten sich fragen, ob sie persönlich genug getan haben, um ihren Teil, wie groß oder klein er auch immer sein mag, zur deutschen Einheit beizutragen. Die Einheit gestaltet man nicht durch Abgrenzung, sondern dadurch, aufeinander zuzugehen.

Frage an Katherina Reiche, CDU/CSU

Absender Zoltan Karacsony: ... Vor zehn Jahren waren wir, Ungarn und DDR-Bürger, noch in demselben politischen Lager. Unser Land war die "fröhlichste Baracke des Kommunismus", Ihr Land vielleicht eine der traurigen. Nach zehn Jahren haben Sie durch die Wiedervereinigung einen unheimlich großen wirtschaftlichen Fortschritt erzielt, weil Sie einen reichen Onkel hatten. Trotzdem meckern die Leute in den östlichen Bundesländern ständig. Haben Sie Verständnis dafür? Ich würde vielen Ostdeutschen empfehlen ... nach Ungarn zu fahren und das Lebensniveau zu beobachten. Dort werden sie sehen, wie viel Wert ihre D-Mark hat.

Antwort: Sie sprechen mir aus der Seele. Ich würde mir wünschen, dass die Menschen in den neuen Ländern, die überhaupt keine positiven Seiten der Wiedervereinigung sehen, ihren Blick gen Osten richten würden. Für unsere osteuropäischen Nachbarn ist es ungleich schwieriger, den Prozess der Demokratisierung und den Wechsel von Plan- zu sozialer Marktwirtschaft zu vollziehen.

Frage an Werner Schulz, B'90/Grüne

Absender Werner Klein: ... Wie lange soll es den Solidaritätszuschlag Ost noch geben? Ist der Osten nach zehn Jahren nicht selber in der Lage sich aufzubauen? ... Was wird von Regierungsseite konkret ... z.B. gegen den Rechtsradikalismus in den sog. neuen Bundesländern getan?

Antwort: Werter Herr Klein, wir sollten beim Soli-Beitrag nicht vergessen, dass er in Ost und West erhoben wird. Leider hatte die Bundesregierung unter Helmut Kohl nicht den Mut, sofort einen Lastenausgleich Deutsche Einheit einzuführen. Damals bestand die Bereitschaft dazu. ... So steht der Soli-darbeitrag eher für die Täuschung und Selbsttäuschung der Anfangsphase, der verpassten und verpatzten Chancen. Wir werden den Beitrag sicher noch so lange brauchen, bis der Osten aus eigener Kraft die weitere Entwicklung tragen kann. Der Rechtsradikalismus ist nicht nur ein ostdeutsches Problem. Wir müssen ihm überall entgegentreten. Das fängt in der Familie an und darf im persönlichen Bereich nicht aufhören. Wir dürfen nicht alle unangenehmen gesellschaftlichen Erscheinungen auf die Politik abschieben ...

Frage an Jürgen Türk, F.D.P.

Absender Peter Schwuchow: Hallo Jürgen! Als "Wossi", der schon fast zehn Jahre im alten Bundesland wohnt, finde ich, dass es leider zwischen den Menschen aus Ost und West noch viele Missverständnisse und Vorbehalte gibt, die in Gesprächen abgebaut werden könn(t)en. Aber ich bin ein Optimist und hoffe, dass auch bald die blöde Mauer in unseren Köpfen verschwindet.

Antwort: Hallo Peter! Ich bin mit dir der Meinung, dass wir, d. h. Ost- und Westdeutschland, uns tatsächlich mehr unterhalten müssen. Ich stelle immer wieder fest, dass dies wirklich zum Abbau vieler Missverständnisse beiträgt.

Frage an Gerhard Jüttemann, PDS

Absender Elfriede Schumann: Wie lange dauert es noch, bis Ost und West wirtschaftlich auf dem gleichen Stand sind, sprich: dass die Löhne im Osten so hoch sind wie im Westen?

Antwort: Liebe Frau Schumann, als ers-tes möchte ich doch mal klarstellen, dass auch im Osten die Menschen den Soli-Zuschlag bezahlen, nur die meisten nicht in der Höhe wie im Westen, bedingt durch die geringeren Löhne im Osten ... Es gibt nur wenige Branchen, in denen mittlerweile die Lohnanpassung erfolgt ... Das gesellschaftliche Problem liegt meines Erachtens nicht zwischen West und Ost, sondern zwischen oben und unten. Wenn wir gezielt hierüber diskutieren, werden wir eher die Ungleichbehandlung zwischen Ost und West lösen können.

Infos:

Online-Diskussionen finden regelmäßig statt. Thema, Uhrzeit und Transkripte älterer Online-Diskussionen finden Sie unter www.bundestag.de in der Rubrik "Unser Informationsangebot". Oder Sie tragen sich in die Mailingliste auf der linken Seite der Homepage ein.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9910/9910011
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