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November 10/1999
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ANHÖRUNG ZUM SANIERUNGSGESETZ

Experten sprechen sich für Sparmaßnahmen im Haushalt aus

(hh) Der Bund muss sparen. Darüber waren sich alle Experten bei der Anhörung des Haushaltsausschusses am 15. und 26. Oktober zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Sanierung des Bundeshaushaltes (14/1523) einig. Unterschiedliche Meinungen herrschten aber darüber, ob die vorgesehenen Maßnahmen des so genannten Sparpaketes ausreichend und richtig sind.

"Mit dem Haushaltssanierungsgesetz korrigiert die Finanzpolitik zwar ihren Kurs, eine Wende in der Ausgabenpolitik ist damit aber noch nicht gesichert", erklärte Dr. Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel in seiner Stellungnahme. Dies werde anders, wenn ein Rückgang der Ausgaben über einen Mehrjahreszeitraum angestrebt würde. Tatsächlich solle zwar auf der einen Seite die Neuverschuldung des Bundes auf 30 Milliarden DM im Jahr 2003 verringert werden, die Ausgaben sollten aber auf der anderen Seite im Zeitraum 2000 bis 2003 um jahresdurchschnittlich fast 2 Prozent zunehmen, kritisierte er. Weiter hielt er eine Steuersenkung verbunden mit Ausgabenkürzungen für sinnvoll und forderte, die Subventionen um 20 Prozent zu streichen.

Konsolidierung unverzichtbar

Auch Professor Norbert Walter von der Deutschen Bank hielt eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte für "unverzichtbar". Beim vorgelegten Gesetzentwurf fehlte ihm aber ein "Richtungsweisungsschild". Er wies darauf hin, dass das Sparpaket nur 1,5 Prozent des öffentlichen Gesamthaushalts umfasse. Auch er sprach sich für den Abbau von Subventionen aus.

Professor Rudolf Hickel, Bremen, hielt das Ziel für unbestritten, dass die öffentlichen Haushalte angesichts der hohen Schuldenlast konsolidiert werden müssten. "Das gut gemeinte Ziel, die Neuverschuldung zu reduzieren, führt am Ende wegen sinkender Steuereinnahmen und wachsender Krisenkosten zum Anstieg der Staatsverschuldung", sagte er voraus. Dies müsse dann zu neuen Einsparrunden führen. Er schlug der Bundesregierung vor, sich wieder an der finanzpolitischen Strategie ihrer Koalitionsvereinbarungen zu orientieren: Konsolidierung der öffentlichen Haushalte durch Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums, ökologischer Umbau, sozialgerechte Steuerpolitik und Abbau der Arbeitslosigkeit.

Professor Helga Pollack von der Universität Göttingen meinte, dass Bestrebungen, die Konsolidierung des Bundeshaushaltes entgegen bisherigen Absichtserklärungen der Bundesregierung doch noch im verstärkten Maße über Steuererhöhungen zu betreiben, sich als verhängnisvoll für den Produktionsstandort Deutschland und den Wohlstand der in diesem Land lebenden Bevölkerung auswirken könnten. Dies treffe besonders für die erneut aufgeflammte Diskussion um die Wiedererhebung einer Vermögenssteuer oder die Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe zu.

Nachhaltige Maßnahmen

Dr. Dieter Engels vom Bundesrechnungshof betonte, dass die vorgesehenen Minderausgaben aufgrund der enthaltenen gesetzlichen Leistungseinschränkungen und Einnahmeverbesserungen im wesentlichen Teil nachhaltig angelegt seien. Damit könne die Neuverschuldung des Bundeshaushaltes dauerhaft gemindert werden.

Zu der Rentenanpassung in den Jahren 2000 und 2001 an die Inflationsrate erklärte Professor Franz Ruland vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, mit dem zusätzlichen Bundeszuschuss sei eine ordnungspolitisch richtige Finanzierung der nicht beitragsgedeckten Leistungen erreicht worden.

Zum einen sei das Versicherungsprinzip mit seiner Beitragsäquivalenz wieder gestärkt worden, zum anderen seien die Beitrags­ und Steuerfinanzierung wieder "klar" voneinander getrennt. Ruland bedauerte die rentenpolitische Auseinandersetzung, da die Kurve der Rentenverläufe sowohl beim Konzept der vorherigen Regierung als auch bei den vorliegenden Plänen "sehr ähnlich" verliefe.

Professor Bert Rürup aus Darmstadt legte dar, mit der geplanten Aussetzung der Nettoanpassung in den kommenden zwei Jahren werde gegen die Prinzipien der langfristigen Vorhersehbarkeit und Stetigkeit verstoßen. Obwohl es in einer alternden Gesellschaft kein "gerechtes Umlageverfahren" geben könne, sollten politische Gestaltungsmöglichkeiten für mehr generative Gerechtigkeit ausgenutzt werden. Er forderte dazu auf, die Kosten der Alterung nicht nur den "Jungen" zuzuweisen, gleichzeitig aber auch die Lebensleistung und Lebensplanung der Rentner und rentennahen Jahrgänge zu berücksichtigen.

Professor Ernst Bienert, Berlin, lehnte das geplante Gesetz ab, da es die Politik des Sozialabbaus auf Kosten der Alten und Arbeitslosen fortsetze. Er forderte, dass der Nachweis eines positiven Effekts dieser Maßnahmen auf die Arbeitslosigkeit erbracht werden müsse. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betonte, die "Armutsvermeidung" müsse Vorrang vor der Armutsbekämpfung haben.

Verlagerung auf Länder

Mit Blick auf die Auswirkungen des Haushaltssanierungsgesetzes auf das Wohngeld betonten die Sachverständigen die Bedeutung des Wohngeldes als sozialpolitisch "treffsicheres" Instrument. Laut Professor Johann Eekhoff, Bonn, verletzt aber die staatliche Eigentumsförderung das staatliche Gleichbehandlungsprinzip. Wohneigentümer würden zulasten der Personen, die kein Wohneigentum bilden können, unterstützt. Der Wegfall der Bundesbeteiligung am Wohngeld für Sozialhilfeempfänger bedeute eine Verlagerung von finanziellen Lasten auf die Länder. Die Bundesvereinigung kommunaler Spitzenverbände warnte, dass die Länder diese Zusatzbelastung an die Kommunen weiterleiten würden. Der Zentralverband der Deutschen Haus­, Wohnungs­ und Grundeigentümer (Haus & Grund) erklärte, die steuerlichen Rahmenbedingungen für selbst genutztes Wohneigentum werde durch die Koalitionsinitiative bereits zum vierten Mal seit 1996 verschlechtert. Wohneigentum sei einer der wichtigsten Säulen der Altersvorsorge.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9910/9910025
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