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Dezember 11/1999
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Lobbyisten in eigener Sache

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bekommt fast jede Gesetzesvorlage auf den Tisch

Noch muss der Bundestag in Berlin mit manchen Provisorien leben. Eines davon ist, dass die neuen Sitzungsräume für die Ausschüsse nicht fertig sind. Und so tagt der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in dem ihm zugewiesenen Fraktionssaal der PDS. Das war anfangs kein Problem. Dann aber schmückte die PDS-Fraktion den ihr offensichtlich zu sterilen Raum mit Plakaten aus dem Berliner Wahlkampf. Eigentlich ist das ihr gutes Recht. Sie hatte aber wohl nicht an die Mitbenutzer gedacht. Ein CDU-Mitglied des Familienausschusses beschwerte sich heftig über die Plakate. Eine hitzige Debatte schloss sich an. Am Ende war man sich einig und schritt zur Tat: Gemeinsam mit der Bundestagsvizepräsidentin Petra Bläss von der PDS, die auch stellvertretendes Ausschussmitglied ist, betätigten sich die Abgeordneten als "Bilderstürmer" und hängten die Plakate ab. Seitdem ist der Raum wieder politisch und architektonisch neutral ...

Sitzung des Ausschusses: Die Tagesordnung ist meist lang.
Sitzung des Ausschusses: Die Tagesordnung ist meist lang.

Ansonsten allerdings kämpfen die Mitglieder des Ausschusses eher an anderen Fronten. Denn obwohl die Familienpolitik in allen Partei- und Regierungsprogrammen seit jeher eine herausragende Stellung einnimmt, ist die parlamentarische Umsetzung nach Ansicht der meisten FamilienpolitikerInnen bisher nur unvollkommen gelungen. Beim Versuch, das zu ändern, hat der Familienausschuss eine ressortübergreifende Funktion. Er ist einer der Ausschüsse mit den meisten Vorlagen, weil bei fast allen Gesetzen mindestens eine der vier Gruppen - Familien, Frauen, Jugend oder Senioren - betroffen ist.

Die Resonanz der federführenden Ausschüsse auf die "Sonderwünsche" der FamilienpolitikerInnen ist oft wenig erbaulich, berichtet die Ausschussvorsitzende Christel Hanewinckel. Sie habe den Eindruck, das Eingreifen des Familienausschusses werde von manchen Kollegen als lästig oder wenig einsichtig empfunden. Selbst bei Anhörungen zu originären Themen der Familienpolitik, die aber von anderen Ministerien und damit auch Ausschüssen federführend behandelt werden (z.B. Kindergeld), wird der Familienausschuss nicht immer gleichberechtigt beteiligt, beklagen sich die Mitglieder. Schlichtweg "ärgerlich" sei das. Dass es auch anders geht, zeige die problemfreie Zusammenarbeit mit dem Rechtsausschuss.

Natürlich sind die Familienpolitiker manchem anderen Abgeordneten und der Regierung unbequem, weil sie immer wieder die Interessen ihrer "Klientel" vertreten. Das jüngste Beispiel: Während der Haushaltsdebatte stellte der Familienausschuss in einer Sondersitzung zum Gesetz über Täter-Opfer-Ausgleich fest, dass die Regierungsvorlage das Thema "Gewalt in der Familie" völlig ausgeklammert hatte. Jetzt bemüht sich der Ausschuss darum, auch diesen Opfern von Gewalt (meist sind Männer die Täter und Frauen sowie Kinder die Opfer) im neuen Gesetz Ansprüche einzuräumen. Gleichzeitig verhandelt er mit Innenminister Schily über die Behandlung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.

Aber nur bei wenigen spektakulären Themen gerät die Arbeit des Familienausschusses ins Licht der Öffentlichkeit und der Medien. Das galt zum Beispiel für die Schwangeren-Konfliktberatung, das Kindergeld oder für die Diskussion um die Abtreibungspille. Auch hier sind zwar andere federführend, dennoch handelt es sich um originäre Frauen- und Familienpolitik.

Ansonsten sind es eher angeblich "weiche" und deshalb wohl als unspektakulär angesehene Themen, die die FamilienpolitikerInnen umtreiben - etwa Gleichstellung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Jugendarbeit oder die Altenpolitik. "Wir müssen im Bundestag und seinen Gremien immer wieder kämpfen", meint Christel Hanewinckel. Und da ein Ausschuss nun einmal keine Machtmittel habe, sei hier dauernde Überzeugungsarbeit angesagt.

Das gilt ähnlich für die "Kinderkommission des Deutschen Bundestages", die ein Unterausschuss des Familienausschusses ist. Es gibt sie erst seit 1988. Jede Fraktion stellt ein Mitglied in der Kinderkommission. Die Besonderheit: Beschlüsse, Empfehlungen und öffentliche Äußerungen werden grundsätzlich nur einstimmig verabschiedet. Die Kinderkommission hat die zentrale Aufgabe, kinderpolitische Themen in den Mittelpunkt zu stellen. Sie ist auch direkter Ansprechpartner für Kinder und soll eigene kinderpolitische Initiativen entwickeln. Zudem überprüft der Unterausschuss Gesetze und Gesetzesvorhaben auf berechtigte Interessen der Kinder.

Der amtierende Vorsitzende Rolf Stöckel (SPD) bemängelt dennoch, dass die parlamentarische Kinderpolitik auch nach zehn Jahren immer noch in den "Kinderschuhen steckt". Die fraktionsübergreifenden Initiativen der Kinderkommission seien nur dann erfolgreich, "wenn sie auf das Wohlwollen der parlamentarischen Mehrheit stießen". Deshalb müssen beide Ausschüsse sehr intensive Lobbyarbeit im Parlament betreiben.

Infos

Weitere Infos zum Ausschuss und zur Kinderkommission im Internet: http://www.bundestag.de/gremien/a13_kk/index.html

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9911/9911070
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