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Januar 01/2000
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Am Rechtsausschuss kommt keiner vorbei

Die Sachkenntnis und Kompetenz des Justitiarsdes Parlaments sind unumstritten. Seine Voten werden in aller Regel respektiert.

Alle Bundestagsausschüsse leisten zweifellos unverzichtbare Arbeit für Gesetzgebung und politische Meinungsbildung. Ein Wettstreit um Einfluss und Bedeutung der einzelnen Ausschüsse ist insofern müßig. Aber alle wissen auch, dass sich die "Haushälter" oft und gerne die Krone aufsetzen. Was den direkten politischen Einfluss und – vielleicht noch wichtiger – die Vergabe der Mittel betrifft, mag das zutreffen. Ansonsten aber machen die Mitglieder des Rechtsausschusses den Haushältern durchaus die Krone streitig. Immerhin fungieren sie als Justitiar des Bundestages und damit auch der gesamten Gesetzgebung. Insofern hat der Rechtsausschuss eine herausragende Rolle. Denn er berät nicht nur die Gesetzentwürfe aus dem Rechtsbereich, sondern prüft alle wichtigen Vorlagen auf ihre Rechtsförmlichkeit und Verfassungsmäßigkeit. Und oft genug schon haben Regierungen oder Koalitionen ihre Entwürfe aufgrund der Voten des Rechtsausschusses überarbeitet.

Sitzung des Ausschusses: Die Gesetzestexte sind immer griffbereit.
Sitzung des Ausschusses: Die Gesetzestexte sind immer griffbereit.

Die Sachkenntnis und Kompetenz dieses "Juristen-Monopols" – nur wenige Mitglieder sind keine Juristen – ist unter Abgeordnetenkollegen unbestritten. Seine Voten werden in aller Regel respektiert. Bei allen politischen Gegensätzen pflegt der Rechtsausschuss seit jeher "standesgemäße" Umgangsformen. Der Ausschussvorsitzende und Staatsrechtler Prof. Dr. Rupert Scholz (CDU/CSU) beschreibt das so: "Es herrscht eine fachlich orientierte Atmosphäre mit hohem Diskussions-niveau bei traditionell gutem, emotionsfreiem und sachlichem Klima."

So stellt man sich Juristen allgemein vor. Das gilt aber offensichtlich nur für die Arbeit. Die Ausschussmitglieder wenigstens bestreiten heftigst, dass sie etwa trockener und humorloser als ihre Kollegen aus anderen Fachbereichen seien. Gefragt sind sie allemal – etwa bei Anhörungen anderer Ausschüsse. Dann sehen es die Kollegen gerne, wenn Mitglieder des Rechtsausschusses sich beteiligen, um von vornherein rechtlich einwandfreie Lösungen zu finden. Insofern ist der Rechtsausschuss auf Kooperation angeleg t – alles andere als ein "closed shop" – ein geschlossener Zirkel.

Auch der Rechtsausschuss muss sich noch mit einem Provisorium zufrieden geben: Er tagt im SPD-Fraktionsvorstandssaal in einem der Türme des Reichstags. Bis auf die schlechte Akustik wegen der hohen Wände ist das der Arbeit allerdings nicht abträglich. Ureigenste Aufgaben sind die Beratung aller Vorlagen im Bereich des Bürgerlichen Rechts, des Strafrechts sowie der dazugehörigen Prozessordnungen. Neben der Aufgabe als Justitiar des Parlaments ist der Rechtsausschuss zudem federführend bei allen verfassungsrechtlichen Fragen. Das Bundesverfassungsgericht unterrichtet die Mitglieder regelmäßig über anstehende Verfahren. Der Bundestag kann sich dazu äußern – tut es aber nur selten. Wenn dies der Fall ist, entwirft der Rechtsausschuss die Stellungnahme des Parlaments.

Ein Unterausschuss ist zuständig für das Europarecht.
Ein Unterausschuss ist zuständig für das Europarecht.

Die wohl spannendste und umfangreichs-te Arbeit, die in dieser Legislaturperiode auf den Rechtsausschuss zukommen wird, dürfte die geplante große Justizreform sein. Dabei geht es erneut um die Frage, wie die Gerichte entlastet werden können, um möglichst schnell entscheiden zu können. Das gehört mit zu den zentralen Aufgaben einer bürgernahen Justiz. Bisher hat die Bundesregierung nur eine Reform der Gerichtsverfassung mit Änderungen bei der Selbstverwaltung und der Präsidialstruktur auf den Weg gebracht. Der eigentliche Reformentwurf steht noch aus.

Aber schon jetzt zeichnen sich spannende Kontroversen ab. Das gilt zum Beispiel für die mögliche Einschränkung von Rechtsmitteln oder für die Frage, ob man die Gerichtsbarkeit grundsätzlich dreistufig organisieren kann, um Widerspruchsverfahren zu verkürzen. Dafür müssten Amts- und Landgerichte zusammengelegt werden. Die Schließung von Amtsgerichten allerdings erschwert – zumindest in Flächenstaaten – eine bürgernahe Justiz. Hier gilt es also sorgfältig abzuwägen.

Auch eine Reform der Verfassungsgerichtsbarkeit ist überfällig. Sie dürfte ebenfalls noch in dieser Legislaturperiode angepackt werden, nachdem dazu Vorschläge einer Kommission und die Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts bereits vorliegen. Schließlich sind sich alle Fachleute darin einig, dass die Juristenausbildung dringend einer Modernisierung bedarf. Auf den Rechtsausschuss kommen also ebenso wichtige wie politisch interessante Aufgaben zu.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0001/0001074
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