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Oktober 09/2000
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tagesläufe

Mit dem Fahrrad in den neuen Arbeitstag

09.30 Uhr: Büro Mauerstraße 36.
09.30 Uhr: Büro Mauerstraße 36.

Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in seinem Büro.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in seinem Büro.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in seinem Büro.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in seinem Büro.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in seinem Büro.
Ein ganz normaler Tag im Leben des SPD-Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher – ein Tag nach der Arbeit im Wahlkreis und vor der Sitzung im Bundestag.

Der Abgeordnete Beucher reißt die Tür auf. "Zu dritt?", fragt er. "Da sind Sie also. Rein mit Ihnen." Er trägt Jeans, ein dunkelblaues Jackett, ein hellblaues Hemd, Krawatte. "Nun ist das Büro aber wirklich voll." Er räumt Papier und Akten von den Stühlen, schafft Sitzplätze für vier, macht das Fenster auf, atmet kurz durch und sagt: "Klein hier, da braucht man immer frische Luft. Ich sowieso." Das "sowieso" wird noch seine Erklärung finden. Spätestens bei der Geschichte mit den tausend Dienstkilometern auf dem Fahrrad.

Jetzt ist es 9.30 Uhr, Dienstag, Sitzungswoche nach einem Wochenende im Wahlkreis. 9.30 Uhr – da hat der Tag schon Flügel gekriegt. Denn wenn man es recht besieht, begann er für den Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher, SPD, Jahrgang 46, aufgewachsen in Bergneustadt im Bergischen Land, heute noch dort lebend, um null Uhr in der Nacht, unterbrochen von ein paar Stunden Schlaf. Zu Bergneustadt gehört auch ein "sowieso". Am Abend dieses Tages wird man das Gefühl haben, man sei schon einmal da gewesen, wo der Abgeordnete Beucher seinen Wahlkreis hat. Was man liebt, lässt sich gut beschreiben.

Um null Uhr an diesem Dienstag saß der Abgeordnete Beucher noch am Schreibtisch in seinem Büro, einem ziemlich kleinen Mikrokosmos, einem Provisorium, voll gepackt mit Arbeit und einem Loch in der linken weißen Wand. Da hat er mal versucht, ein Bild aufzuhängen, und musste feststellen, dass dies hier ein ganz besonders fester Beton ist. Die dafür ungeeigneten Bohrer liegen noch da. Irgendwann muss das erledigt werden.

Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Sport.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Sport.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Sport.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Sport.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Sport.
12.00 Uhr: Arbeitsgruppe Sport.
12.00 Uhr: Arbeitsgruppe Sport.

Um 0.30 Uhr hatte Friedhelm Julius Beucher sein Büro verlassen und war in seine Berliner Wohnung gefahren, um ein paar Stunden zu schlafen. Um sieben Uhr morgens setzte er sich zu Hause auf den Hometrainer, dachte nach und trat in die Pedale. Orangensaft, Bananen, Äpfel waren das Frühstück, dann stieg er auf ein richtiges Fahrrad und fuhr zum Büro Struck – Unter den Linden. Dort beredete er, was zu bereden war, radelte zur Mauerstraße 36, wo sein Büro ist, und machte da weiter, wo er um 0.30 Uhr in der Nacht aufgehört hatte.

Der nun vor ihm liegende Tag ist ordentlich auf einem DIN-A4-Blatt festgehalten – ein Ende des Tages nicht.

"Zuerst", sagt der Abgeordnete, "reden wir ein bisschen. Dafür muss Zeit sein. Eigentlich aber wäre ich jetzt in der SPD-Arbeitsgruppe Umwelt. Ich bin im Umweltausschuss des Bundestages. Sie sind also eine kleine Abweichung vom Tagesplan." Zwei Telefonate zwischendurch, vier kurze Absprachen mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und dann wieder Geschichten.

Friedhelm Julius Beucher hat Spaß am Geschichtenerzählen. Sie sind sein Transportmittel, um etwas über sich, seine Ansprüche an parlamentarische Arbeit und seine Vorstellungen von Wahlkreisarbeit zu vermitteln. Ein Holzflugzeug im Regal beispielsweise repräsentiert eine kleine Kette von Ereignissen und Überzeugungen. "Ich bin noch Stadtrat in Bergneustadt – obwohl das mit dem Umzug nach Berlin nicht mehr so einfach zu machen ist. Wir haben dort vor vielen Jahren einen Verein gegründet, um arbeitslose Jugendliche zu unterstützen. Ich bin nämlich ein Vertreter der Omnibus-Pädagogik, müssen Sie wissen. Jugendliche, denen es schlecht geht, muss man da abholen, wo sie stehen. Also dieses Holzflugzeug da haben Jugendliche gemacht. Ist doch toll, nicht?"

13.03 Uhr: Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss.
13.03 Uhr: Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss.

Und so kommt er auf Schule, auf Sport, auf Nachwuchsförderung, auf Vereinssport, auf die Erhöhung der Sportpauschale für Übungsleiter und die Änderung des Stiftungsrechts zugunsten des Sports – politische Ergebnisse, an denen er als Vorsitzender des Sportausschusses mitgearbeitet hat. Er kommt auf Behindertensport, die Paralympics, seine Bewunderung für die Leistungen, die da erbracht werden, seinen Ärger über die immer noch geringe Akzeptanz dieser Leistung. "Aber dieses Jahr, dafür habe ich mitgekämpft, gibt es erstmals täglich eine Stunde Paralympics im Fernsehen. Da sind wir das erste Land der Welt."

Jetzt muss er los, der Abgeordnete Beucher, Geschichten her und hin. 12 Uhr Arbeitsgruppe Sport, Unter den Linden 50. Laufen, nicht Fahrrad fahren, den Gästen zuliebe. Anderthalb Stunden Zeit für eine Menge Tagesordnungspunkte. Zuerst Terminabsprache, dann der Beginn einer Diskussion über Sport und Rechtsradikalismus, der Beschluss, sich damit ganz schnell ausführlicher zu befassen. Nächstes Thema: Anti-Doping-Gesetz. Man will eine wichtige Gesetzgebung auf den Weg bringen. Anstehende Aufgaben werden besprochen, deren Vorbereitung wird beraten. Friedhelm Julius Beucher notiert, hört zu, diskutiert, schlägt vor – wie alle anderen in der kleinen Arbeitsgruppe auch. Man kommt gut voran. Parallel hat bereits die Arbeitsgruppe Parteispenden-Untersuchungsausschuss in der Friedrichstraße 83 mit der Beratung begonnen.

Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Fraktionssitzung.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Fraktionssitzung.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Fraktionssitzung.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Fraktionssitzung.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Fraktionssitzung.
15.14 Uhr: Fraktionssitzung.
15.14 Uhr: Fraktionssitzung.

Da muss der Abgeordnete Beucher hin, er ist Mitglied im Untersuchungsausschuss des Bundestages. Trotzdem noch schnell ein kurzer Abstecher ins Büro, Papiere holen, schnelle Absprachen treffen, rüber zur Arbeitsgruppe. Die tagt bis 14 Uhr, berät über die Vernehmung weiterer Zeugen. Da blutet das Herz des Abgeordneten ein wenig, denn um 13.30 wäre er gern zur Beratung der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion gegangen. Klappt nicht, geht nicht, denn um 15 Uhr beginnt im Reichstagsgebäude die Fraktionssitzung. Die wird drei Stunden dauern. Das braucht es, um die kommenden drei Sitzungstage ordentlich vorzubereiten, über das Thema "NPD-Verbot" und über die Ökosteuer zu diskutieren.

Friedhelm Julius Beucher gibt am Rande der Fraktionssitzung, wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen auch, ein Interview. Er wird zum vieles beherrschenden Thema Daum contra Hoeneß befragt.

Er klärt in und am Rande der Fraktionssitzung eine Menge Fragen, die auf seinem Zettel stehen und nicht auf die lange Bank geschoben werden können. Er trifft Absprachen, telefoniert zwischendurch mit seinen Büros in Berlin und im Wahlkreis, trinkt schnell einen Kaffee, nimmt sich ein paar Minuten Zeit, um die Geschichte mit den Fahrradkilometern zu erzählen: Damals in Bonn, wo er viel mehr Fahrrad fahren konnte als hier im lauten und hektischen Berlin. Den 1000. Dienstkilometer hat er dann mit Leuten aus dem Wahlkreis gefeiert. War ein schönes Spektakel für einen guten Zweck.

18.07 Uhr: Landesvertretung Bremen, SPD-Landesgruppe NRW.
18.07 Uhr: Landesvertretung Bremen, SPD-Landesgruppe NRW.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Landesvertretung Bremen.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Landesvertretung Bremen.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Landesvertretung Bremen.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Landesvertretung Bremen.
Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der Landesvertretung Bremen.

"Lustvoll muss man arbeiten", sagt er und ist schon wieder weg. Und hat noch ein Problem mit diesem Tag oder besser mit dem Abend. Auf dem Abendticket stehen eine Menge Programmpunkte. Die SPD-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen trifft sich in der Landesvertretung Bremen mit dem NRW-Arbeits- und Sozialminister Harald Schartau. Da muss Friedhelm Julius Beucher auf jeden Fall hin. Fast zur gleichen Zeit beginnt ein Parlamentarischer Abend der IG Metall. Da wäre er gern dabei. Er ist zudem eingeladen zum 2. Berliner Salon am Gendarmenmarkt, Thema "Sportnation Deutschland – Wer zieht die Fäden?". Das interessierte ihn brennend. Er ist eingeladen zum Parlamentarischen Abend Mecklenburg-Vorpommern. Ebenso wichtig. Und: Er ist eingeladen von einer seiner Mitarbeiterinnen, die bald zurück nach Bonn gehen wird. Sie hat Karten fürs Kabarett gekauft und hofft, dass ihr Chef mitkommen kann. Wäre doch schön – mal zusammen mit Freunden ins Kabarett zu gehen. "Mensch", sagt der Abgeordnete Beucher, "was mach ich denn jetzt. Das wär' doch wirklich wichtig, mit ins Kabarett zu gehen."

Am Ende entscheidet er so: Er schafft noch die SPD-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen, geht danach mit ins Kabarett und landet spät am Abend wieder da, wo er den Tag begonnen hat: im Büro. Dort warten drei Akten vom Sportausschuss auf ihn, eine prall gefüllte Unterschriftenmappe und eine CD-ROM, die er sich unbedingt ansehen will. Es ist fast halb zwölf, als er sich an diese Arbeit macht, und wenn er sich aufs Fahrrad setzt, um nach Hause zu fahren, hat ein neuer Tag begonnen.

Der Abgeordnete Beucher ist müde. Wen wundert das.

Kathrin Gerlof

 

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0009/0009076
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