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08/2001
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Titelthema

Eine Sitzungswoche im Bundestag

Termine, Termine, Termine

Eine Sitzungswoche des Bundestages in Berlin besteht aus einer Kette von Terminen – aus offiziellen Sitzungen, informellen Gesprächen, Pressekontakten. Die ersten Eintragungen des Tages in den Terminkalendern der Abgeordneten beziehen sich oft schon auf den frühen Morgen. Und am Abend ist für die meisten noch nicht Feierabend. Blickpunkt Bundestag zeigt, wie eine typische Sitzungswoche des Parlaments abläuft.

Montag

Montagvormittags zu Hause in den Zug steigen, am Nachmittag im Bonner Büro die eingegangene Post sichten und dann am Abend in Ruhe die Sitzungswoche vorbereiten. So sah früher der Wochenstart für Bundestagsabgeordnete aus. Lang, lang ist's her. Heute müssen nicht wenige Volksvertreter schon sonntagnachmittags Abschied von Familie und Wahlkreis nehmen, damit sie noch einen Flieger in die Hauptstadt erwischen und sonntagabends einen Blick ins Büro werfen können. Denn längst hat das parlamentarische Leben angesichts aus allen Nähten platzender Terminkalender in Sitzungswochen auch den Montagmorgen entdeckt.

Montag, 2. Juli 2001 - die Woche beginnt mit der Sitzung des Rechtsausschusses. 8.50 Uhr: Alfred Hartenbach, SPD, führt noch rasch ein Telefongespräch.
Montag, 2. Juli 2001 - die Woche beginnt mit der Sitzung des Rechtsausschusses. 8.50 Uhr: Alfred Hartenbach, SPD, führt noch rasch ein Telefongespräch.

So auch in unserer Beispielwoche Anfang Juli 2001. Um Punkt 9.00 Uhr beginnen die Mitglieder des Rechtsausschusses in einer öffentlichen Anhörung im Reichstagsgebäude juristische Experten zu löchern: Wie beurteilen sie den Gesetzentwurf von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, mit der das deutsche Schuld- und Verjährungsrecht umfassend modernisiert werden soll? Das Konzept sei "geglückt", sagt der eine Fachmann. Wenig später widerspricht der andere; die Abgeordneten würden "gezielt irregeführt". Einige Stunden und etliche Liter Kaffee später haben sich die Volksvertreter selbst ein Bild gemacht.

Montag, 2. Juli 2001, 9.05 Uhr: öffentliche Sitzung des Rechtsausschusses, Norbert Geis, CDU/CSU (Mitte).
Montag, 2. Juli 2001, 9.05 Uhr: öffentliche Sitzung des Rechtsausschusses, Norbert Geis, CDU/CSU (Mitte).

Es sind nicht nur die gekommen, die gerade "Lust" auf den frühen Arbeitsbeginn hatten. Mit "Geldbußen" für unentschuldigtes Fernbleiben disziplinieren sich die Abgeordneten selbst. Wer sich nicht in eine der Anwesenheitslisten vor den Sitzungssälen und in den Fraktionsgebäuden einträgt und keinen überzeugenden und nachprüfbaren Grund für sein Fehlen angeben kann (Krankheit oder Mandatsverpflichtungen), bekommt dafür eine dreistellige Summe von seinen Bezügen abgezogen. Und das täglich.

Montag, 2. Juli 2001, 8.50 Uhr: vor der Sitzung der Berichterstatter der Enquete-Kommission, Marie-Luise Dött, CDU/CSU.
Montag, 2. Juli 2001, 8.50 Uhr: vor der Sitzung der Berichterstatter der Enquete-Kommission, Marie-Luise Dött, CDU/CSU.

Der Rechtsausschuss ist noch längst nicht fertig mit seinem Pensum, da geht schon der Umweltausschuss in eine weitere öffentliche Anhörung. Ein heißes Eisen steht auf dem Fragenkatalog der Politiker: Wie gefährlich sind die Strahlen der Mobilfunkanlagen? Die Betreiber warnen vor Kurzschlusshandlungen. Bürgerinitiativen sollten nicht an der Aufstellung von Sendeanlagen beteiligt werden, sonst könnten die Funknetzbetreiber ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen. Eine eingeschränkte Entwarnung geben Arbeitsmediziner: Nach heutigem Erkenntnisstand seien keine Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten. Aber was heißt schon "Erkenntnisstand"? Die Abgeordneten gewinnen jedenfalls die Erkenntnis, dass einschlägige Langzeitstudien fehlen und nehmen sich vor, das Problem im Auge zu behalten.

Montag, 2. Juli 2001, 8.55 Uhr: öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses, Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, versorgt sich mit aktuellen Unterlagen.
Montag, 2. Juli 2001, 8.55 Uhr: öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses, Volker Beck, Bündnis 90/Die Grünen, versorgt sich mit aktuellen Unterlagen.

Von der Öffentlichkeit unbemerkt haben an diesem Montagvormittag zwölf weitere Gremien ihre Beratungen aufgenommen. Es handelt sich einerseits um Arbeitsgruppen und Arbeitskreise innerhalb der einzelnen Bundestagsfraktionen, die die anstehenden Fragen, zum Beispiel im Wirtschaftsausschuss, vorbereiten, sich eine Meinung dazu bilden und das taktische und strategische Vorgehen absprechen.

Montag, 2. Juli 2001, 12.00 Uhr: Gespräch mit einer Praktikantin, Vizepräsidentin Petra Bläss, PDS.
Montag, 2. Juli 2001, 12.00 Uhr: Gespräch mit einer Praktikantin, Vizepräsidentin Petra Bläss, PDS.

Andererseits ist dieser Montag der Tag der Enquete-Kommissionen. Die Berichterstatter aus den einzelnen Fraktionen setzen sich am Morgen zusammen, um das weitere Vorgehen zu erörtern, danach beginnen die Arbeitstreffen der Kommissionen. Ab 11.00 Uhr geht es um die "Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements", ab 12.30 Uhr um die "Nachhaltige Energieversorgung unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung", ab 13.00 Uhr um die "Globalisierung der Weltwirtschaft" und ab 17.00 Uhr noch einmal um die "globale Wissens- und Informationsgesellschaft". Alles Treffen mit höchsten Ansprüchen an die Teilnehmer. Da wird nicht Routine abgewickelt, sondern Wissenschaftler und Parlamentarier klopfen gemeinsam die neuesten Forschungsergebnisse daraufhin ab, welche Hinweise die Politik für ihr Handeln daraus gewinnen kann. Das macht keiner mit links.

Montag, 2. Juli 2001, 14.00 Uhr: Sitzung der Enquete-Kommission, Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, telefoniert.
Montag, 2. Juli 2001, 14.00 Uhr: Sitzung der Enquete-Kommission, Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen, telefoniert.

Ein anderer Teil der Abgeordneten hat derweil nicht die langfristigen Perspektiven von Bürger-Engagement und Globalisierung, sondern ganz profan die ganz kurzfristige Abwicklung der Sitzungswoche in den Blick genommen: Am Montagnachmittag tagen traditionell die Vorstände der Bundestagsfraktionen und loten aus, welche Chancen die Woche bietet, wo Konflikte lauern, was am folgenden Tag im großen Kreis noch geklärt und mit der Gegenseite glatt gezurrt werden muss.

Montag, 2. Juli 2001, 16.00 Uhr: Sitzung des Fraktionsvorstandes, Jörg van Essen, FDP (vorn).
Montag, 2. Juli 2001, 16.00 Uhr: Sitzung des Fraktionsvorstandes, Jörg van Essen, FDP (vorn).

Das läuft nicht nur im offiziellen Sitzungsrahmen ab. Mancher Parlamentarier trifft zufällig auf Kollegen, andere verabreden sich gezielt zu "unverbindlichen" Hintergrundgesprächen. Das Parlamentsviertel in Berlin ist zwar weitläufiger als das in Bonn, aber die einschlägigen Treffpunkte haben sich inzwischen doch herausgebildet. Und wer die Zufälle minimieren und als Verband möglicherweise noch ein besonderes Interesse an einem Treffen mit den zuständigen Parlamentariern hat, der lädt zu so genannten "Parlamentarischen Abenden" ein. Auch in dieser Juli-Woche ist die Auswahl wieder reichlich, führt Lobbyisten, Medienleute und Politiker zwanglos bei einem Glas Bier zusammen. Noch Arbeit oder schon Entspannung? Nicht wenige Abgeordnete sind jedenfalls schon am ersten Tag der Sitzungswoche 18 Stunden nach dem Aufstehen immer noch auf den Beinen.

Dienstag

Dienstag, 3. Juli 2001, 7.15 Uhr: Strategiegespräch im Kanzleramt, Sabine Kaspereit, SPD.
Dienstag, 3. Juli 2001, 7.15 Uhr: Strategiegespräch im Kanzleramt, Sabine Kaspereit, SPD.

Laut Lehrbuch entstehen Gesetze ganz einfach: Fachleute in Verwaltung oder Politik erarbeiten einen Entwurf, der Bundestag debattiert darüber, bildet sich eine Meinung, ändert den Text gegebenenfalls, stimmt darüber ab, und wenn dann der Bundesrat möglicherweise auch noch zugestimmt hat, unterschreibt der Bundespräsident – und das war's.

Dienstag, 3. Juli 2001, 8.30 Uhr: Arbeitsgruppe Umwelt der Fraktion, Reinhardt Loske, Bündnis 90/Die Grünen.
Dienstag, 3. Juli 2001, 8.30 Uhr: Arbeitsgruppe Umwelt der Fraktion, Reinhardt Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. Sitzungswoche für Sitzungswoche. Denn Politik ist das unermüdliche Bohren ganz dicker Bretter. Die Bretter, das sind alle möglichen Institutionen, Verbände, Ministerien, Parteien, Organisationen. Und das Bohren, das bedeutet reden, reden, reden. Angesichts der Vielzahl von Gesprächen, die rund um ein politisches Vorhaben nötig sind, können die Debatten in Plenum und Ausschüssen mitunter wie die Sahne auf dem Kuchen wirken. Das Backen hat lange vorher begonnen.

Dienstag, 3. Juli 2001, 10.00 Uhr: Information im Parlamentsfernsehen, Barbara Höll, PDS.
Dienstag, 3. Juli 2001, 10.00 Uhr: Information im Parlamentsfernsehen, Barbara Höll, PDS.

Deshalb sind an diesem Dienstag schon früh um sieben die ersten Abgeordneten unterwegs zum Kanzleramt. Es sind Parlamentarier der Koalition, die sich zum Strategiegespräch treffen. Aber auch die Opposition schläft um diese Zeit nicht mehr. So trifft sich die CSU-Landesgruppe innerhalb der Unionsfraktion zum eigenen Strategiegespräch in der Landesvertretung des Freistaates Bayern. Es ist nur das erste von Dutzenden von Treffen der einzelnen Landesgruppen. Denn die Abgeordneten sind nicht nur nach Parteizugehörigkeit in verschiedenen Fraktionen organisiert, nicht nur auf Fachbereiche in Bundestag (Ausschüsse) und Fraktionen (Arbeitsgruppen) konzentriert, sie orientieren sich zudem auch noch anhand ihrer regionalen Herkunft und besprechen Vorhaben, die im besonderen Interesse ihres jeweiligen Bundeslandes sind.

Dienstag, 3. Juli 2001, 12.00 Uhr: Sitzung der "Jungen Gruppe", Ursula Heinen, CDU/CSU.
Dienstag, 3. Juli 2001, 12.00 Uhr: Sitzung der "Jungen Gruppe", Ursula Heinen, CDU/CSU.

Wie vielschichtig die Politik geworden ist, mag man daran ersehen, dass an diesem Dienstagvormittag zwischen 8 und 13 Uhr nicht weniger als 69 (!) Arbeitsgemeinschaften, Arbeitsgruppen und Arbeitskreise im Parlamentsviertel tagen. Und zwar mehr oder weniger gleichzeitig. In kleinen Sitzungsräumen im Reichstagsgebäude oder in den vielen Häusern, die der Bundestag in den umliegenden Straßen für die vorübergehende Unterbringung der Fraktionen angemietet hat. Bei jedem einzelnen Treffen wird das Programm für die nächste Sitzung des jeweiligen Fachausschusses vorbereitet. So geht es beispielsweise bei der SPD unter anderem um "Ernährung, Landwirtschaft und Forsten", "Rechtspolitik", "Geschäftsordnung", "Verkehr, Bau- und Wohnungswesen", "Gesundheit", "Sicherheitsfragen", "Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung", "Bildung und Forschung", "Umwelt", "Außenpolitik", "Arbeit und Sozialordnung", "Familie, Senioren, Frauen und Jugend" und so weiter und so fort. Parallel dazu bewältigen auch die anderen Fraktions-Arbeitsgruppen ein ähnliches Pensum. Jede legt ihre Marschrichtung fest. Doch nur die großen Fraktionen sind spiegelbildlich zu den Ausschüssen organisiert. Die kleineren haben mehrere Themenfelder jeweils in Arbeitskreisen zusammengefasst, die sich etwa sowohl um Sicherheits- als auch um Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungshilfepolitik kümmern.

Dienstag, 3. Juli 2001, 10.30 Uhr: weiß-blauer Pressestammtisch der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, CDU/CSU (Mitte).
Dienstag, 3. Juli 2001, 10.30 Uhr: weiß-blauer Pressestammtisch der CSU-Landesgruppe, Michael Glos, CDU/CSU (Mitte).

In der Mittags"pause" setzen sich in den Fraktionen weitere Abgeordnete zusammen, die aus wieder anderen Gesichtspunkten ein gemeinsames Interesse haben, die "Junge Gruppe" in der Union etwa oder die Gruppe der Vertriebenen- und Flüchtlingsabgeordneten.

Dienstag, 3. Juli 2001, 13.30 Uhr: Fraktionssitzung, Michael Müller, SPD, trägt sich in die Anwesenheitsliste ein.
Dienstag, 3. Juli 2001, 13.30 Uhr: Fraktionssitzung, Michael Müller, SPD, trägt sich in die Anwesenheitsliste ein.

Es folgt der eigentliche Höhepunkt des Dienstags im klassischen Sitzungswochenrhythmus: die Fraktionssitzung. Und zwar mehr oder weniger gleichzeitig für alle fünf Bundestagsfraktionen. Das ist gewissermaßen die parlamentarische Vollversammlung jeder im Bundestag vertretenen Partei. Eine Bereinigungssitzung für die zurückliegenden Ereignisse und Entwicklungen, eine aktuelle Zustandsanalyse und vor allem eine klare Marschrichtung für die Bewältigung der bevorstehenden Aufgaben im weiteren Verlauf der Sitzungswoche. Für die Abgeordneten ist die Teilnahme ein Muss. Aber auch manche ihrer Mitarbeiter verfolgen die Diskussion. In den Fraktionen der Regierungskoalition sitzen zudem Mitarbeiter aus den Ministerien und beobachten, wie sich die Stimmung gegenüber bestimmten Regierungs- und Gesetzgebungsvorhaben entwickelt.

Dienstag, 3. Juli 2001, 14.00 Uhr: Fraktionssitzung, Leo Dautzenberg, CDU/CSU, studiert Unterlagen.
Dienstag, 3. Juli 2001, 14.00 Uhr: Fraktionssitzung, Leo Dautzenberg, CDU/CSU, studiert Unterlagen.

Fraktionssitzungen haben mitunter ihre eigene Dynamik. Gerade bei strittigen parlamentarischen Vorhaben zeigt sich hier, welche Chancen die Initiativen haben. Können Minister diese Hürde nehmen und den Rückhalt ihrer gesamten Fraktion gewinnen, ist der "Rest" des parlamentarischen Verfahrens schon nicht mehr so schwierig. Zwischen den Fraktionen einer Regierungskoalition sind deshalb bei brisanten Themen mitunter Boten unterwegs, um den Diskussionsstand des Partners jeweils erfahren und die Stimmung austauschen zu können. Schafft ein Gesetzesvorhaben die vorbereitende Fraktionssitzung nicht unbeschadet, tun die Initiatoren gut daran, vor der offiziellen Behandlung des Themas in den übrigen Gremien des Bundestages gehörig nachzubessern.

Dienstag, 3. Juli 2001, 13.00 Uhr: Enquete-Kommission, Monika Knoche, Bündnis 90/Die Grünen (Mitte).
Dienstag, 3. Juli 2001, 13.00 Uhr: Enquete-Kommission, Monika Knoche, Bündnis 90/Die Grünen (Mitte).

Natürlich sind die Fraktionssitzungen nicht öffentlich. Aber natürlich sind die Journalisten bemüht, den Ablauf und die Ergebnisse möglichst detailliert nachvollziehen zu können. Schließlich geht es manchmal um bedeutsame Vorentscheidungen für die Politik. Da es bei den großen Fraktionen mehrere hundert Teilnehmer gibt, sind der Vertraulichkeit jedoch Grenzen gesetzt. Und so seufzte ein Neuling unter den Abgeordneten, der von der Vertraulichkeit der Sitzung zunächst überzeugt war, nach seinen ersten Erfahrungen: "Das Verwunderliche ist eigentlich nicht, dass nach jeder vertraulichen Fraktionssitzung alles Mögliche darüber in den Zeitungen steht. Das eigentlich Verblüffende ist, dass das meistens sogar auch noch stimmt." Das heißt, dass auf den einen oder anderen Abgeordneten an diesem Abend auch noch das eine oder andere Telefonat wartet ...

Dienstag, 3. Juli 2001, 14.55 Uhr: Fraktionssitzung, Günter Rexroth, FDP.
Dienstag, 3. Juli 2001, 14.55 Uhr: Fraktionssitzung, Günter Rexroth, FDP.

Aber auch für viele andere ist nach der Fraktionssitzung noch lange nicht Schluss. Diesmal lädt die SPD-Fraktion selbst zum Sommerfest in den Innenhof ihres Fraktionsgebäudes an der traditionsreichen Straße Unter den Linden. Selbstverständlich bleiben die Sozialdemokraten nicht unter sich. Wenn die größte Regierungsfraktion feiert, kann es nicht schaden, dabei zu sein. Das wissen viele Hauptstadt-Journalisten genauso wie Verbandsvertreter, Regierungsmitarbeiter und auch Vertreter anderer Fraktionen und Parteien. Bei Gegrilltem und Gezapftem wird nicht nur Small Talk ausgetauscht.

Dienstag, 3. Juli 2001, 18.30 Uhr: Fraktionsfest, Ernst Bahr, SPD (Mitte).
Dienstag, 3. Juli 2001, 18.30 Uhr: Fraktionsfest, Ernst Bahr, SPD (Mitte).

Wer sich an diesem Abend wundert, dass sich die Außenpolitiker der Fraktion allmählich rar machen, der liegt richtig, wenn er einen weiteren Termin als Grund dahinter vermutet: Unter den parallel stattfindenden Veranstaltungen ist auch das Sommerfest des Auswärtigen Amtes. Und auch hier kann es nicht schaden, mal vorbeizuschauen, mit Ministeriumsmitarbeitern und Diplomaten anzustoßen, wenn man im Bohren dicker Bretter weiterkommen will.

Dienstag, 3. Juli 2001, 20.00 Uhr: Sitzung des Geschäftsführenden Fraktionsvorstandes, Klaus W. Lippold, CDU/CSU.
Dienstag, 3. Juli 2001, 20.00 Uhr: Sitzung des Geschäftsführenden Fraktionsvorstandes, Klaus W. Lippold, CDU/CSU.

Mittwoch

Der Mittwoch ist traditionell der Tag der Fachpolitiker, der Tag der Details komplizierter Politik. Der Mittwoch ist der Ausschuss-Tag.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 9.00 Uhr: Pressegespräch, Wilhelm Schmidt, SPD.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 9.00 Uhr: Pressegespräch, Wilhelm Schmidt, SPD.

Zum Beispiel um 7.30 Uhr im Sonderausschuss Maßstäbegesetz/ Finanzausgleichsgesetz: Es geht um die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, um die Konkretisierung eines Verfassungsgerichtsurteils, um die Verteilung der Umsatzsteuer zwischen 2005 und 2019. Eine schwierige Materie, aber ein wichtiges Thema. Viel Geld steht auf dem Spiel. Die Bundesregierung will darauf hinaus, dass der Bund am 31. Dezember 2019 aus der Restschuld des Fonds "Deutsche Einheit" "nur" 12,8 Milliarden Mark übernimmt. Um den möglichen Rest der Restschuld gibt es ein Tauziehen. Ende offen. Und das morgens um 7.30 Uhr.

Zum Beispiel um 8.00 Uhr im Petitionsausschuss: Es geht um Gewalt und Pornografie im Fernsehen. Viele Bürger haben sich in Eingaben an den Ausschuss darüber beschwert. Auch die Bundestagsabgeordneten kommen zu dem Ergebnis, dass sich gehäufter Konsum von Gewaltdarstellungen negativ auf die Weltsicht, Einstellungen und sozialen Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen auswirkt und so nicht nur kurzfristig, sondern auf lange Sicht das gesellschaftliche Leben insgesamt mitbestimmt. Aber der Bund ist in Sachen Medien nicht zuständig. So sollen nun die Landesparlamente gebeten werden, sich der Gewalttätigkeiten auf der Mattscheibe anzunehmen.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 7.15 Uhr: Arbeitsfrühstück der Landesgruppe Ost, Gunter Weißgerber, SPD.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 7.15 Uhr: Arbeitsfrühstück der Landesgruppe Ost, Gunter Weißgerber, SPD.

Zum Beispiel um 8.30 Uhr im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung: Es geht um ehrenamtliche Tätigkeit und die Frage, wie man sie noch mehr fördern kann. Etwa mit einer Berücksichtigung bei den Rentenanwartschaften? Oder mit einer Befreiung von der Sozialversicherungspflicht? Mit zusätzlichen Mitteln für Bürger- und Stadtteilbüros? Die vom Ausschuss eingeladenen Experten sind sich nicht einig.

Zum Beispiel um 8.30 Uhr im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Es geht um Pflanzenschutzmittel. 1224 waren bis zur Vorwoche in Deutschland zugelassen. Seit wenigen Tagen sind 44 davon verboten. Kommt der Obst- und Gemüsebau damit klar? Haben vor allem Baumschulen massive Probleme mit der Unkrautbekämpfung? Soll doch noch eine Übergangszeit für die Anwendung bestimmter Mittel wenigstens für diese Anbausaison möglich sein?

Mittwoch, 4. Juli 2001, 8.15 Uhr: Bürotermin, Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 8.15 Uhr: Bürotermin, Winfried Hermann, Bündnis 90/Die Grünen.

Zum Beispiel um 9.15 Uhr im Innenausschuss: Es geht um die Beobachtung der PDS durch die Verfassungsschutzbehörden. Solange Bestrebungen festgestellt würden, die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Zweifel zu ziehen oder zu überwinden, gebe es gar keine andere Möglichkeit, als die Beobachtung fortzuführen, sagen die Verfassungsschützer. Die große Mehrheit der Abgeordneten im Ausschuss sieht das genauso. Aber nicht alle.

Zum Beispiel um 9.30 Uhr im Rechtsausschuss: Es geht um das Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten. Es soll ausgedehnt werden. Auf nicht periodische Druckwerke, auf Informations- und Kommunikationsdienste und auf Filmberichte. Behörden sollen selbst recherchiertes Material der Journalisten nicht beschlagnahmen können. Details sind noch umstritten.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 8.30 Uhr: Sitzung des Präsidiums, Vizepräsidentin Antje Vollmer, Bündnis 90/Die Grünen.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 8.30 Uhr: Sitzung des Präsidiums, Vizepräsidentin Antje Vollmer, Bündnis 90/Die Grünen.

Zum Beispiel um 9.30 Uhr im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie: Es geht um den Schiffbau und um die wettbewerbsverzerrenden Dumpingpreise Südkoreas auf diesem Gebiet. Und damit geht es auch um die Sicherheit deutscher Werften. Wenn die Südkoreaner auf dem Verhandlungsweg nicht einlenken, soll die Bundesregierung sie bei der Welthandelsorganisation verklagen, empfiehlt der Ausschuss.

Zum Beispiel um 9.30 Uhr im Auswärtigen Ausschuss: Es geht um Mazedonien, um das Engagement der USA in Europa und um die NATO. Eine neunköpfige Delegation des amerikanischen Repräsentantenhauses ist zu Gast und bewertet das Engagement in Bosnien und im Kosovo positiv. Mit Blick auf die anstehende Erweiterung der EU unterstreichen die Gäste, es sei in ihrem Sinne, wenn auch Russland davon wirtschaftlich profitiere. Die USA selbst setzten ebenfalls auf Kooperation mit Moskau. Auch in Sachen Raketenabwehr.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 8.35 Uhr: Informationspause im Restaurant, Christina Schenk, PDS.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 8.35 Uhr: Informationspause im Restaurant, Christina Schenk, PDS.

Zum Beispiel um 12 Uhr im Ausschuss für die Angelegenheiten der neuen Länder: Es geht um die Produktion der neuen Großraumflugzeuge Airbus A 380 und A 400 M. Wiewohl sie in Toulouse und Hamburg gebaut werden, sollen auch die neuen Bundesländer davon profitieren. Mit 700 bis 750 Arbeitsplätzen, schätzt die Bundesregierung. Der Ausschuss berät, ob das ausreichend ist und wie noch mehr Begleitaufträge zum Beispiel nach Mecklenburg-Vorpommern gehen könnten.

Zum Beispiel um 13 Uhr im Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, um 14 Uhr im Haushaltsausschuss, um 15 Uhr im Ausschuss für Tourismus, um 16 Uhr in der Kinderkommission und und und: Es geht um die ganze Breite der Politik, und in dieser Auflistung ist nicht einmal die Hälfte der Ausschusssitzungen dieses Tages erwähnt worden. Parallel dazu tagen auch an diesem Mittwoch wieder Arbeitsgruppen der Fraktionen. Abgeordnete pflegen zudem den Kontakt zu Kollegen aus anderen Ländern. Nicht nur zum US-Kongress. Sondern heute beispielsweise auch zu einer Delegation des Verteidigungsausschusses des Parlamentes in Südafrika.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 15.30 Uhr: Fragestunde, Gudrun Schaich-Walch, SPD.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 15.30 Uhr: Fragestunde, Gudrun Schaich-Walch, SPD.

Auch die Presse wird informiert. Abgeordnete aus den Fraktionsführungen laden regelmäßig zu Pressekonferenzen oder folgen Einladungen von so genannten journalistischen Hintergrundkreisen. Da laufen dann meistens keine Kameras mit, so dass die Volksvertreter den Medienvertretern ab und zu auch ein paar Hintergründe erläutern können, ohne dass alles gleich in der Zeitung stehen muss. Parlament und Presse haben sich in Berlin auf Usancen verständigt, die aus der Satzung der Bundespressekonferenz stammen: Was der Politiker "unter Eins" sagt, darf jeder überall in vollem Umfang weitertragen. Was "unter Zwei" mitgeteilt wird, ist zwar vom Inhalt her verwendungsfähig, aber die Quelle darf nicht genannt werden – so entstehen beispielsweise die berühmten "Kreise", auf die sich viele Meldungen als eher diffuse Herkunftsbezeichnung von Informationen berufen. Wenn der Politiker schließlich weitere Details "unter Drei" erläutert, ist das nur für den Hinterkopf der Journalisten gedacht.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 14.00 Uhr: Treffen mit einer südafrikanischen Parlamentsdelegation, Hildebrecht Braun, FDP.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 14.00 Uhr: Treffen mit einer südafrikanischen Parlamentsdelegation, Hildebrecht Braun, FDP.

Derweil tagt am Mittwoch auch das Plenum in dieser Sitzungswoche zum ersten Mal. Am Anfang steht die Befragung der Bundesregierung. Die hat kurz zuvor in einer Kabinettsitzung neue Beschlüsse gefasst, und noch bevor die Medien in der Bundespressekonferenz unterrichtet werden, stellt der Wirtschaftsminister vor den Abgeordneten die geplanten Eckpunkte einer gesetzlichen Regelung für die Kraft-Wärme-Kopplung dar. Die Parlamentarier müssen nicht nur zuhören, sie dürfen auch nachfragen, acht Abgeordnete machen davon Gebrauch.

Frage und Antwort stehen auch im Mittelpunkt der nachfolgenden Fragestunde, in der über ein Dutzend Themenkomplexe behandelt werden, von der Gesundheitsreform bis zur Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente, vom europäischen Fingerabdruckidentifikationssystem bis zum Vergleich der Wirtschaft innerhalb der EU.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 16.00 Uhr: Sitzung der Kinderkommission, Rosel Neuhäuser, PDS, trägt sich in die Anwesenheitsliste ein.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 16.00 Uhr: Sitzung der Kinderkommission, Rosel Neuhäuser, PDS, trägt sich in die Anwesenheitsliste ein.

Zusätzlich hat der Bundestag auf Antrag der Opposition auch noch das Thema "5.000 mal 5.000" auf die Tagesordnung genommen. Das Scheitern des Bemühens, so viele Jobs für so viel Geld bei VW zu schaffen, wird in den Zeitungen intensiv diskutiert – auch im Bundestag. Denn dafür sind die Aktuellen Stunden da.

Meistens erleben Besucher mittwochs nur kleine Kostproben vom Debattenalltag des Parlamentes. Diesmal dauert die Sitzung fast vier Stunden, füllt das Protokoll darüber am Ende des Tages 72 Seiten. Wer das intensive Arbeitspensum des Parlamentes in seinen parallel tagenden Ausschüssen kennt, kann sich nicht darüber wundern, dass das Plenum heute nicht sehr dicht besetzt ist. Parlamentarismus findet eben nicht nur auf den Abgeordnetenbänken unter dem Bundestagsadler statt.

Mittwoch, 4. Juli 2001, 18.30 Uhr: Vortrag bei der Deutschen Bank, Gudrun Kopp, FDP.
Mittwoch, 4. Juli 2001, 18.30 Uhr: Vortrag bei der Deutschen Bank, Gudrun Kopp, FDP.

Und auch heute ist nach Ausschuss- und Plenarsitzungen nicht Schluss. Auf den meisten Terminkalendern in den Abgeordnetenbüros gibt es weitere Eintragungen. Treffen, Gespräche, Vorträge.

Donnerstag

Was der Dienstag für die Fraktionen ist, der Mittwoch für die Ausschüsse, ist der Donnerstag für das Plenum. Von früh bis spät. Noch ein wenig Besinnung bei einer Morgenandacht im Andachtsraum des Reichstagsgebäudes, dann beginnt die Sitzung. "Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen", sagt der Bundestagspräsident um Punkt 9 Uhr und eröffnet damit die 182. Sitzung des Deutschen Bundestages in der 14. Wahlperiode. Erst knapp 14 Stunden später, um 22.50 Uhr wird sie beendet sein. Bis dahin werden die Stenografen auf 208 Seiten die Beiträge von 129 Abgeordneten notiert haben.

Donnerstag, 5. Juli 2001, 10.00 Uhr: Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses, Max Stadler, FDP.
Donnerstag, 5. Juli 2001, 10.00 Uhr: Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses, Max Stadler, FDP.

Auch die Bundestagsdruckerei bekommt eine Menge Arbeit. Denn es wird nicht nur debattiert an diesem Donnerstag. Auch eine ganze Reihe von Gesetzen steht zur Beschlussfassung an. Gleich zu Beginn wird die künftige Verteilung der Umsatzsteuer geregelt. Das Plenum ist gut gefüllt, denn nach der Beratung in zweiter Lesung folgt eine namentliche Abstimmung. Dadurch soll genau nachvollziehbar sein, wie sich jeder einzelne Abgeordnete entschieden hat. In seinem Fach neben dem Eingang hat er zu Beginn die Plastik-Stimmkarten abgeholt. Die blaue für "Ja", die rote für "Nein", die weiße für "Enthaltung". Die Schriftführer rufen die Mitglieder des Bundestages in alphabetischer Reihenfolge einzeln auf, die daraufhin ihre Karten in durchsichtige Urnen werfen. Davor stehen jeweils die Parlamentarischen Geschäftsführer und halten ihre eigene Karte hoch, damit die Kollegen noch einmal daran erinnert werden, wofür die eigene Fraktion in der strittigen Frage votieren wollte.

Donnerstag, 5. Juli 2001, 8.40 Uhr: christliche Morgenfeier, Gerhard Jüttemann, PDS.
Donnerstag, 5. Juli 2001, 8.40 Uhr: christliche Morgenfeier, Gerhard Jüttemann, PDS.

Während die Stimmen noch ausgezählt werden, ruft der Sitzungspräsident bereits den nächsten Tagesordnungspunkt auf: Kriminalitätsbekämpfung. Darunter werden mehrere Anträge verschiedener Herkunft zusammengefasst. Diese thematische "Paketbildung" ist typisch. Auf diese Weise bemühen sich Präsidium, Ältestenrat und Parlamentarische Geschäftsführer, die Fülle von Initiativen ein wenig zu bündeln, damit verwandte Anliegen gemeinsam besprochen werden können. Das spart Redezeit.

Donnerstag, 5. Juli 2001, 9.00 Uhr: Plenardebatte, Horst Schild, SPD, versorgt sich mit Unterlagen.
Donnerstag, 5. Juli 2001, 9.00 Uhr: Plenardebatte, Horst Schild, SPD, versorgt sich mit Unterlagen.

Doch die Welt steht nicht still, während das Plenum tagt. Deshalb wechselt die Besetzung auf den Abgeordnetenbänken immer wieder im Laufe des langen Sitzungstages. Wer in ein Gesetzesvorhaben oder ein Thema involviert ist, muss natürlich dem Geschehen persönlich folgen und oft auch selbst in die Debatte eingreifen. Doch viele andere Abgeordnete können gar nicht anders, als parallel weitere Aufgaben zu erfüllen und deshalb immer mal wieder den Plenarsaal zu verlassen. Doch in den Büros läuft ständig das Parlamentsfernsehen, und so bekommen sie doch mit, worum es im Plenum gerade geht, während sie Post erledigen, telefonieren oder in Besprechungen weitere Fachfragen klären.

Donnerstag, 5. Juli 2001, 9.30 Uhr: Gespräch mit liberalen Politikern aus Österreich, Detlef Parr, FDP (Mitte).
Donnerstag, 5. Juli 2001, 9.30 Uhr: Gespräch mit liberalen Politikern aus Österreich, Detlef Parr, FDP (Mitte).

Auch der Ältestenrat trifft sich in der Mittagszeit, um die nächste Sitzungswoche vorzubesprechen. Und der Untersuchungsausschuss tagt gleichzeitig ebenfalls. Zunächst nicht öffentlich, dann unter großem Publikumsinteresse auch wieder öffentlich. Der Unterausschuss Neue Medien trifft sich, und auch der Geschäftsordnungsausschuss. Zahlreiche Arbeitsgruppen kommen über den Tag hinweg ebenfalls zu Sitzungen zusammen.

Donnerstag, 5. Juli 2001, 14.00 Uhr: Sitzung des Ältestenrates, Hans-Peter Repnik, CDU/CSU.
Donnerstag, 5. Juli 2001, 14.00 Uhr: Sitzung des Ältestenrates, Hans-Peter Repnik, CDU/CSU.

Je nach Entwicklung im Plenum müssen die parallelen Aktivitäten jedoch abgesetzt oder unterbrochen werden, damit die Abgeordneten schnell zum Reichstagsgebäude hinübergehen können, um für die nötige Präsenz bei Abstimmungen zu sorgen. Dann tönt ein schrilles Klingeln durch alle Bundestagsgebäude, und auf den Fluren blinken kleine Lämpchen. Vorfahrt für die Entscheidungsfunktion des Parlamentes. Dann müssen die anderen Funktionen vorübergehend zurücktreten.

Donnerstag, 5. Juli 2001, 12.55 Uhr: vor Beginn der Sitzung der Frauengruppe, Annette Widmann-Mauz, CDU/CSU.
Donnerstag, 5. Juli 2001, 12.55 Uhr: vor Beginn der Sitzung der Frauengruppe, Annette Widmann-Mauz, CDU/CSU.

Derweil hat sich das Plenum in einer aktuellen Stunde mit den neuesten Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt, die internationale Klimapolitik aufgegriffen und sich Gedanken über die Forschungen mit embryonalen Stammzellen gemacht. In der Nähe des Plenums haben Fernsehteams ihre Kameras aufgebaut, um kurze Stellungnahmen von prominenten Abgeordneten einzuholen. Die Binnenschifffahrt steht zu diesem Zeitpunkt im Mittelpunkt der Bundestagsdebatte.

Donnerstag, 5. Juli 2001, 13.30 Uhr: Restaurant, Hans-Josef Fell, Bündnis 90/ Die Grünen, informiert sich über Öko-Produkte.
Donnerstag, 5. Juli 2001, 13.30 Uhr: Restaurant, Hans-Josef Fell, Bündnis 90/ Die Grünen, informiert sich über Öko-Produkte.

Später folgen unter anderem die europäische Energieforschung, der Kampf gegen den Missbrauch von Kindern als Soldaten, der wohnungswirtschaftliche Strukturwandel in den neuen Ländern. Jedes Anliegen ist für die Betroffenen wichtig, und deshalb kommt es auch im Hohen Haus zur Sprache. Aber nicht jeder kann in jeder Einzelfrage kompetent sein. Das Parlament funktioniert in dieser Hinsicht wie die gesamte Gesellschaft: arbeitsteilig.

Freitag

Freitag, 6. Juli 2001, 12.00 Uhr: namentliche Abstimmung, Eckart von Klaeden, CDU/CSU.
Freitag, 6. Juli 2001, 12.00 Uhr: namentliche Abstimmung, Eckart von Klaeden, CDU/CSU.

Endlich Wochenende? Natürlich freuen sich die Abgeordneten spätestens freitagmorgens, am Abend endlich Familien und Freunde in ihrer Heimat wiederzusehen. Die Garderoben im Reichstagsgebäude sind an diesem Morgen gewöhnlich voll von kleinen Koffern. Alles griffbereit für den Rückflug am Nachmittag. Doch Vorrang behalten die politischen Notwendigkeiten. Und die haben es an diesem Freitag mal wieder in sich, lassen die Abgeordneten sogar schon um 8.00 Uhr zu Sondersitzungen von Fraktionen und Arbeitsgruppen zusammenkommen, gefolgt von einem Zusatztagespunkt zum Auftakt der 183. Plenarsitzung um 9.00 Uhr.

Freitag, 6. Juli 2001, 8.45 Uhr: Interview vor dem Reichstagsgebäude, Peter Struck, SPD.
Freitag, 6. Juli 2001, 8.45 Uhr: Interview vor dem Reichstagsgebäude, Peter Struck, SPD.

Die Lage in Mazedonien beunruhigt viele. Anlass für eine Regierungserklärung, in der der Außenminister die Hoffnungen und Aussichten auf eine friedliche Lösung schildert, die Verantwortung Europas für den Balkan anspricht – und damit auch die Mitverantwortung Deutschlands. Und damit wird auch wieder die herausragende Bedeutung des Bundestages klar. Ganz gleich, wie viele Bundeswehrsoldaten die Bundesregierung in einen Einsatz schicken will oder wohin: ohne die vorherige Zustimmung des Parlamentes läuft nichts.

Freitag, 6. Juli 2001, 11.00 Uhr: Koffer packen für die Heimreise, Eva Bulling-Schröter, PDS.
Freitag, 6. Juli 2001, 11.00 Uhr: Koffer packen für die Heimreise, Eva Bulling-Schröter, PDS.

Dahinter steckt das Wesentlichkeitsprinzip der parlamentarischen Demokratie. Fragen von wesentlicher Bedeutung verantwortet das Verfassungsorgan mit der höchsten Legitimation – der Bundestag. So ist es mit jedem Gesetz. So ist es natürlich auch in Angelegenheiten auf Leben und Tod. Eine Abstimmung über eine weitere Balkan-Mission steht diesmal noch nicht an. Aber in der einstündigen Debatte im Anschluss an die Regierungserklärung markieren die Redner Bedingungen für einen solchen Einsatz.

Freitag, 6. Juli 2001, 11.30 Uhr: namentliche Abstimmung, Walter Hirche, FDP (links), holt sich Stimmkarten.
Freitag, 6. Juli 2001, 11.30 Uhr: namentliche Abstimmung, Walter Hirche, FDP (links), holt sich Stimmkarten.

Von Balkan und Bundeswehr geht es unmittelbar zur Familie. Aber immer noch nicht zur eigenen. Die Heimfahrt muss weiter warten. Denn erst wird noch über die Verbesserung der Familienförderung diskutiert und am Ende namentlich abgestimmt.

Freitag, 6. Juli 2001, 18.15 Uhr: auf dem Weg zum Flughafen, Hildegard Wester, SPD.
Freitag, 6. Juli 2001, 18.15 Uhr: auf dem Weg zum Flughafen, Hildegard Wester, SPD.

Eine ganze Reihe thematischer "alter Bekannter" aus den Arbeitskreis- und Ausschusssitzungen vom Wochenbeginn ist im Plenum wiederzufinden. Zum Beispiel das ausgeweitete Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten: abschließende zweite und dritte Lesung mit Abstimmung. Fertig ist das Gesetz. Zum Beispiel der neue Status für Spätaussiedler: abschließende zweite und dritte Lesung mit Abstimmung. Fertig ist das Gesetz. Zum Beispiel die Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte: abschließende zweite und dritte Lesung mit Abstimmung. Fertig ist das Gesetz. Die Leistungsbilanz des Bundestages fällt auch in dieser Woche wieder positiv aus. Fleißig, fleißig.

Freitag, 6. Juli 2001, 11.45 Uhr: Vor der Abstimmung, Katherina Reiche, CDU/CSU (links), kümmert sich um ihre Tochter.
Freitag, 6. Juli 2001, 11.45 Uhr: Vor der Abstimmung, Katherina Reiche, CDU/CSU (links), kümmert sich um ihre Tochter.

Und für "Nachschub" ist stets gesorgt. Wieder werden an diesem Freitag auch neue Initiativen in erster Lesung behandelt, die dann ihrerseits an die Ausschüsse überwiesen werden – und in einigen Wochen oder Monaten wieder im Plenum auftauchen. In einer weiteren, ähnlich ablaufenden Sitzungswoche.

Freitag, 6. Juli 2001, 12.30 Uhr: Plenarsitzung, Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.
Freitag, 6. Juli 2001, 12.30 Uhr: Plenarsitzung, Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

15.19 Uhr ist es, in den meisten Amtsstuben Deutschlands, in vielen Organisationen sind schon längere Zeit keine Mitarbeiter mehr anzutreffen. Die 183. Sitzung ist beendet. Die Abgeordneten machen sich – endlich – auf den Heimweg. Mit Auto, Bus, Taxi oder S-Bahn zum Flughafen oder zum Bahnhof. Und nun erst einmal durchatmen, erst einmal Wochenende? Doch viele Orts- und Kreisverbände nutzen den Freitagabend zu Mitglieder- und Delegiertenversammlungen. Ein ideales Forum für "unseren Mann" oder "unsere Frau" in Berlin ganz brandaktuell den Parteifreunden daheim von der großen Politik in der Hauptstadt zu berichten. Deshalb ist ihr Erscheinen obligatorisch, auch wenn in Einzelfällen gerade eine Sitzungswoche mit 70 oder mehr Arbeitsstunden vorangegangen ist.

Freitag, 6. Juli 2001, 12.50 Uhr: Rede im Plenum, Ruth Fuchs, PDS.
Freitag, 6. Juli 2001, 12.50 Uhr: Rede im Plenum, Ruth Fuchs, PDS.

Aber was soll's – aus Sicht vieler Bürger sitzen die Volksvertreter ja nur ein paar Stunden pro Woche im Plenum rum, und selbst da sieht man sie selten vollzählig. Genau: Was tun die eigentlich?

Freitag, 6. Juli 2001, 13.40 Uhr: Debatte im Parlamentsfernsehen, Günther Nolting, FDP.
Freitag, 6. Juli 2001, 13.40 Uhr: Debatte im Parlamentsfernsehen, Günther Nolting, FDP.

Wochenende

Wenn sich Sitzungswochen und sitzungsfreie Zeiten nicht abwechseln, sondern zwei, mitunter sogar drei Sitzungswochen aufeinander folgen, bleibt für einen Sprung ins Wahlkreisbüro nur der Samstag und der Sonntag. Wahlkreis- und Abgeordnetenbüro sind zwar miteinander vernetzt. Aber manches muss doch persönlich besprochen, selbst bearbeitet werden. Und kann nicht über Wochen warten.

Vieles ist auch wichtig für die aktuelle Parlamentsarbeit. Wie reagiert die Basis auf die jüngsten Vorgänge in Berlin? Wie ist die Stimmung? Ob der Abgeordnete nun gern gesehener Gast beim Schützenfest ist, sich beim Grillabend des Ortsvereins sehen lässt oder der Einladung zum Skatturnier folgt – immer funktioniert die Kommunikation in beide Richtungen: Die Basis weiß, dass der Volksvertreter sich weiter fürs Volk engagiert. Und der Parlamentarier erfährt, wie diejenigen über das denken, was für sie gemacht wird.

Samstag, 7. Juli 2001, 9.00 Uhr: Wahlkreisbüro, Peter Ramsauer, CDU/CSU, arbeitet mit seiner Mitarbeiterin Akten auf.
Samstag, 7. Juli 2001, 9.00 Uhr: Wahlkreisbüro, Peter Ramsauer, CDU/CSU, arbeitet mit seiner Mitarbeiterin Akten auf.

Immer wieder passiert es, dass in Berlin alle möglichen Aspekte einer Initiative durchleuchtet, die Mehrheiten organisiert sind – und dann ein verheerendes Medienecho einhergeht mit einer schwierigen "Vermittelbarkeit" in der Bürgerschaft und an der Parteibasis. Sehr nachdenklich kehren die Parlamentarier dann ins Parlamentsviertel zurück. Und für manches Vorhaben gehen die Ampeln daraufhin in der Fraktionssitzung erst einmal auf "Gelb".

Viele Abgeordnete wissen, dass die Wochenenden nicht nur wichtig sind für ein paar Stunden Erholung im Kreis von Familie und Freunden. Sie sind auch von besonderer Bedeutung im Rahmen des Bohrens dicker Bretter. Denn da die politischen Termine von einigem Gewicht rar sind, die Sender aber trotzdem Stunde um Stunde "Stoff" für ihre Nachrichtensendungen brauchen, nutzen nicht wenige die Gunst der ruhigen Stunde, politische Vorhaben, die im Getöse der großen Themen unter der Woche eher untergehen, gerade am Wochenende zu lancieren.

Sonntag, 8. Juli 2001, 11.00 Uhr: Wahlkreisbüro, Peter Wilhelm Danckert, SPD, studiert die Post.
Sonntag, 8. Juli 2001, 11.00 Uhr: Wahlkreisbüro, Peter Wilhelm Danckert, SPD, studiert die Post.

Vielleicht ist aus "seinem" Anliegen ja dann wirklich schon ein ernst genommenes politisches Thema geworden, wenn es wenig später wieder nach Berlin geht und die ersten Termine der nächsten Sitzungswoche anstehen ...
Gregor Mayntz

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0107b/0108003
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