LIBERALISIERUNG AUF DEM GAS- UND STROMMARKT ERÖRTERT
Bundeskartellamt hält das System des "verhandelten Netzzugangs" für richtig
(wi) Als "richtig und bewährt" hat der Präsident des Bundeskartellamtes, Ulf Böge, Deutschlands Weg zu "Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt" bezeichnet. Damit wies Böge am 25. September im Wirtschaftsausschuss auf Vereinbarungen zwischen den beteiligten Verbänden und auf die Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt hin. In der Industrie seien die Stromkosten seit der Liberalisierung um 30 Prozent, bei tariflichen Kleinkunden um 10 bis 20 Prozent gesunken.
Anfangs, so Böge, habe man vor einer "Verweigerungssituation" mit Blick auf den Netzzugang und das Durchleitungsrecht neuer Wettbewerber gestanden. Im Kartellamt sei daraufhin eine Gruppe gebildet worden, um Missbrauchsfälle aufzugreifen und um "Orientierungstiefe" für Verfahren vor den Zivilgerichten zu geben. Auf dem Stromsektor stehe die "weiche Obstruktion" durch Stadtwerke im Zentrum. So forderten einige Stadtwerke jetzt "Registrierungsentgelte" für neue Marktteilnehmer.
Auf dem Gassektor sei die Wettbewerbssituation unbefriedigend, so Böge. Die schwierigen Verhandlungen der Verbände hätten die Diskussion über eine staatliche Regulierung neu entfacht. Eine Regulierungsbehörde, die er für falsch hielte, wäre "bürokratischer und teurer" als der "verhandelte Netzzugang" durch eine Verbändevereinbarung. Dieser bedeutet, dass Erdgasunternehmen und Kunden einen Netzzugang aushandeln können, um untereinander Lieferverträge auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen schließen zu können.
Behörde besser ausstatten
Auch die Union bezeichnete eine Regulierung als "nicht besten Weg". Sehr sinnvoll wäre es ihrer Ansicht nach aber, die "sofortige Vollziehbarkeit" von Anordnungen des Bundeskartellamts festzulegen, die auch Böge befürwortet hatte. Die Fraktion kündigte an, eine bessere personelle Ausstattung der Behörde zu beantragen.
Die SPD erachtete es als sinnvoll, auf lange Sicht bestehende Regulierungsbehörden für andere Sektoren abzuschaffen und in das Kartellamt zu überführen. Für einen funktionierenden Wettbewerb sei Regulierung erforderlich, hieß es aus der Fraktion. Die Bündnisgrünen warfen die Frage der Versorgungssicherheit auf, die wegen Überkapazitäten noch nicht gestellt worden sei. Die FDP forderte, Transparenz bei Verstößen gegen die Verbändevereinbarung herzustellen und energischer gegen Registrierungsgebühren vorzugehen.
"Zu wenig Wettbewerb"
Am Vortag hatte der Ausschuss in einer öffentlichen Anhörung Experten zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (14/5969) befragt. Nach Ansicht der "German Task Force Gas" innerhalb der "European Federation of Energy Traders" (EFET) ist Wettbewerb auf dem Gasmarkt nicht festzustellen. Erst etwa 20 Kunden hätten ihren Versorger gewechselt. Seit Anfang 2001 habe es einen Preisanstieg von 60 Prozent gegeben, so die EFET. Die Verbändevereinbarung werde nicht eingehalten, die Kosten des Netzzugangs seien höher als erwartet. Die Vereinbarung biete keinen Rechtsschutz, sei nicht einklagbar.
Erforderlich sei eine stärkere Entflechtung von Netzbetreibern und Versorgern ("Unbundling"). Auch müsse die "sofortige Vollziehbarkeit" von Kartellamtsanordnungen gewährleistet sein. Die Regierung will mit ihrem Entwurf Netzbetreiber und Versorger verpflichten, neuen Anbietern am Gasmarkt den Netzzugang ohne Diskriminierung zu gewähren.
Die EU-Kommission erklärte, Deutschland habe den höchsten Gaspreis in Europa und benötige effektive Rechtsvorschriften, um Wettbewerb zu schaffen. In 14 der 15 Mitgliedstaaten gebe es einen regulierten Netzzugang, in Deutschland nur den verhandelten Netzzugang. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) plädierte für eine Kombination zwischen Verbändevereinbarung und Missbrauchsaufsicht durch das Kartellamt. Allerdings habe sich im Netzbereich auf dem Strommarkt auch noch nichts bewegt. Das Niveau der Nutzungspreise sei zu hoch. Ferner müsse die Beweislast umgekehrt werden, so dass die Netzbetreiber darlegen müssten, wie sich ihre Kosten zusammensetzen.
Eine abweichende Einschätzung kam vom Bundesverband der Deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). Seit zehn Jahren gebe es Wettbewerb durch Leitungsbau, durch die Einführung des praktischen Netzzugangs und durch die Verbändevereinbarung. Eine wachsende Zahl von Verträgen zwischen Händlern und Industrie dynamisiere zunehmend den Wettbewerb, so der BGW-Sprecher. Bald werde es auch Wettbewerb bei den Haushaltskunden geben.
PDS für Regulierung
Die PDS will den Zugang zu den Stromnetzen verbindlich geregelt und von einer unabhängigen Regulierungsbehörde kontrolliert und durchgesetzt wissen. Eine solche Regelung müsse an die Stelle des verhandelten Netzzugangs treten, heißt es in einem Antrag (14/6795).
Einem Gesetzentwurf der Fraktion zufolge (14/6796) sollte diese Behörde in Schwerin errichtet werden. Sie müsse Kriterien zur Bestimmung von Durchleitungsentgelten festlegen sowie Regelungen zum Netzzugang, zum Lieferantenwechsel und zur Streitschlichtung treffen.