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Mai 3/2003
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So arbeitet der Haushaltsausschuss

Stets und ständig gefordert

Sitzung des Haushaltsausschusses
Sitzung des Haushaltsauschusses.

Herkules dürfte schwache Knie kriegen im Angesicht dessen, was der Haushaltsausschuss Jahr für Jahr zu stemmen hat: knapp 250 Milliarden Euro. Bildlich gesprochen drehen die 45 Mitglieder dieses einflussreichsten Bundestagsgremiums somit 250.000.000.000 Mal einen Euro um und wägen ab, ob dieser richtig ausgegeben wird. Das geht nicht mal eben nebenher. Das bedarf intensivster Vorbereitungen und effizientester Arbeitsteilung.

Das Zauberwort zur Lösung heißt: „Berichterstatter“. Nicht jedes Ausschussmitglied kann alle 2.500 Seiten des Bundeshaushaltes einzeln durchforsten. Deshalb werden Spezialistenteams gebildet. Eines für jeden Einzelplan. Das eine kümmert sich also beispielsweise um den Haushalt des Gesundheitsministeriums, ein anderes um den Verteidigungsetat, ein drittes um die Mittel für das Auswärtige Amt und so weiter. Bis die gesamte Ausgabenpalette abgedeckt ist. In dieses Team entsendet jede Fraktion einen Abgeordneten. Er wird zum Berichterstatter in drei Dimensionen – berichtet dem Ausschuss, was die Überprüfung des betreffenden Einzelplanes ergeben hat, berichtet der eigenen Fraktion, welche Besonderheiten die Regierungsplanung aufweist, und berichtet den anderen Berichterstattern, welche Meinung er und seine Fraktion zu den Plänen haben. Dabei ist in jedem Team einer der Berichterstatter wiederum federführend tätig, organisiert die Termine und gibt für die anderen das Votum an den Ausschuss weiter.

Damit ist das Stadium einer ersten Kontrolle und Kompromissfindung ins Vorfeld der Ausschussberatung verlagert und somit ganz dicht am Entstehungspunkt jedes Einzelplanes angesiedelt. Denn die Berichterstatter wechseln nicht von Jahr zu Jahr ihr Betätigungsfeld. Sie bleiben regelmäßig über Jahre ihrer Spezialmaterie verbunden und können sich somit intensiv einarbeiten. Sie warten auch nicht auf den Tag X, an dem der Haushaltsausschuss ihnen den fertigen Einzelplanentwurf auf den Tisch legt. Sie sind im Zusammenhang mit der Kontrolle des Vollzugs schon beschlossener Haushalte ohnehin stets auf dem Laufenden über die Arbeit und die Planungen der Ministerien. Hin und wieder laden die Spitzen der Behörden „ihre“ Abgeordneten zu Berichterstatterrunden ein, bei denen sie die Hintergründe ihrer Ausgaben erläutern.

Im Vordergrund stehen dann aber die Konferenzen und Treffen, zu denen die Berichterstatter selbst einladen: Minister oder andere Verantwortliche für verschiedene Fachbereiche „ihres“ Ministeriums werden zu Besprechungen der Abgeordneten gebeten, um mit ihnen, Angehörigen des Bundesrechnungshofes und weiteren Experten die nächsten Haushaltsplanungen zu erörtern. Die Berichterstatter knöpfen sich Einzeltitel für Einzeltitel vor. Sind sie sich einig, dass der vom Ministerium veranschlagte Betrag wie vorgesehen verwendet werden soll, wird das auf einem grünen Papier festgehalten. Sind sie sich einig, dass dieser Betrag gestrichen, gesenkt oder erhöht werden sollte, kommt auch diese Änderung auf ein grünes Papier. Damit wird der betroffene Titel auf Berichterstatterebene „geschlossen“. Und normalerweise passiert diese Entscheidung dann auch den Haushaltsausschuss ohne Aussprache und nochmalige Veränderung.

Einzelplanberatung

Können sich die Berichterstatter nicht auf eine Titelgestaltung einigen, kommt der Vorschlag des Ministeriums auf ein weißes Blatt. Dieser Vorgang wird damit als „offen“ geführt. Das bedeutet, dass hierüber der Haushaltsausschuss noch einmal gesondert entscheiden muss, was in so genannten Einzelplanberatungen geschieht. Und die haben es in sich. Manchmal dauern sie vom frühen Morgen bis in die späte Nacht. Und jeder Minister hat sich diese Tage dick im Terminkalender angestrichen. Dann wird alles beiseite geräumt, um dem Haushaltsausschuss Rede und Antwort zu stehen. Wer eben noch auf internationalen Konferenzen an Europa- und Weltpolitik arbeitete, gerade noch um den Globus jettete, sitzt dann vor der geschlossenen Ausschusstür. Und wartet. Denn manchmal dauert die Befragung von Kollegen länger als geplant. Und die Minister können sich fühlen wie im Wartezimmer des Zahnarztes. Vielleicht wird ihnen dabei manchmal auch ein wenig mulmig. Denn die Haushälter ziehen den Haushaltsentwürfen so manchen Zahn.

Das aber geschieht, um im Bild zu bleiben, stets unter örtlicher Betäubung. Der Schmerz wird dadurch gemildert, dass der Haushaltsausschuss seine Beschlussempfehlungen an das Plenum des Bundestages mit Mehrheit fällt. Und die Mehrheit im Ausschuss spiegelt auch die Mehrheit im Parlament wieder. Das heißt: Die Abgeordneten, die die Regierung tragen, werden bemüht sein, die „Zahnlücke“ im Entwurf des Ministers optisch zu überbrücken. Doch ohne Veränderungen und Einschnitte kommt kaum ein Einzelplan aus den Beratungen im Haushaltsausschuss wieder heraus.

Zum Abschluss seiner Beratungen führt der Haushaltsausschuss in jedem Jahr eine so genannte Bereinigungssitzung durch, in der alle in den Einzelplan-
beratungen nicht abschließend geklärten Positionen erneut aufgerufen und entschieden werden.

Rasierklinge und Lupe

„Wir werden auch weiterhin mit Rasierklinge und Lupe jeden Etat in Augenschein nehmen, um möglichst zu Kürzungen an Stellen zu kommen, an denen unnötig Geld ausgegeben werden soll, damit wir die eingesammelten Beträge entweder zur Verringerung der Kreditaufnahme einsparen oder für zusätzliche dringende Investitionen verwenden können.“ So bringt es Manfred Carstens, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, auf den Punkt. Carstens ist Abgeordneter der CDU/ CSU-Fraktion und damit Angehöriger der Opposition. Zu Zeiten der unionsgeführten Bundesregierung war ein SPD-Abgeordneter Vorsitzender des Haushaltsausschusses. Es steht zwar nirgendwo geschrieben, aber es ist Tradition im Bundestag, dass stets ein Abgeordneter der Opposition an der Spitze des Gremiums steht, das wie kein anderes das so genannte Königsrecht des Parlamentes, das Budgetrecht, wahrnimmt. Damit wird der herausragende Kontrollcharakter des Haushaltsausschusses unterstrichen.

Diese Kontrolle erschöpft sich bei weitem nicht in der Beratung des Haushaltsentwurfs. Das ist zwar immer Höhepunkt der Ausschussarbeit und auch mit Blick auf die Arbeitsbelastung ein an die Nerven gehender Vorgang. Regelmäßig muss der Präsident dann Ausnahmen genehmigen, damit der Ausschuss auch während der Plenardebatten weiter tagen darf, weil er sonst sein Pensum nicht schafft. Aber das Alltagsgeschäft von Parlament und Regierung kommt auch während des restlichen Jahres an dem Haushaltsausschuss nicht vorbei. Jedes Mal, wenn in einem Gesetzentwurf unter der Rubrik „finanzielle Auswirkungen“ etwas anderes steht als „keine“, ist der Haushaltsausschuss mitberatend beteiligt. Und wenn die Vorhaben nicht in den Haushaltsplan hineinpassen und auch sonst keine zusätzliche Finanzierungs- und Gegenfinanzierungsmöglichkeit besteht, senkt sich der Daumen der Haushälter. Und dann wird aus der bloßen „Mitberatung“ eine Fakten schaffende Mitentscheidung. Insofern hat der Haushaltsausschuss im Parlament eine ähnlich herausragende Stellung wie der Finanzminister in der Bundesregierung. Er kann zu allem Nein sagen.

Zwei Unterausschüsse des Haushaltsausschusses sind ebenfalls das Jahr über gut beschäftigt. Der Rechnungsprüfungsausschuss vollzieht den laufenden Mittelabfluss nach, prüft die Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes und bereitet die Entlastung der Bundesregierung durch das Plenum des Bundestages mit Hilfe der Bemerkungen des Bundesrechnungshofes vor. Der Unterausschuss zu „Fragen der Europäischen Union“ nimmt die Vorberatung von Vorlagen des Europäischen Rates, des Europaparlamentes und der Europäischen Kommission vor.

Kollegiales Arbeitsklima

Nicht zuletzt übt der Haushaltsausschuss ständigen Einfluss auf die Verwendung der Mittel aus, indem er immer wieder für konkrete Posten „qualifizierte Sperren“ in den Haushalt einbaut, die bewirken, dass die davon betroffenen Gelder erst ausgegeben werden dürfen, wenn der Ausschuss auf der Grundlage neuer Fakten die Sperre aufhebt. Stets und ständig intensiv gemeinsam gefordert zu sein – das klappt nur, wenn im Ausschuss ein von Kollegialität geprägtes Arbeitsklima herrscht. Viele Mitglieder sind deshalb im Laufe der Zeit untereinander zum Du übergegangen. Kreuz und quer über die Fraktions- und Parteigrenzen hinweg. Was das professionelle Ringen um die Sache mitunter leichter macht.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2003/bp0303/0303022
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