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Sandra Schmid
"Zeitung lesen nur die Alten"
Kinder und Jugendliche als Zielgruppe für
die Tageszeitung
Lesen bildet. Lesen macht Spaß. Das sagen
zumindest die, die es tun. Doch immer weniger Kinder und
Jugendliche lesen gern - vor allem nicht die Tageszeitung. Was sind
die Gründe? Und wie können junge Menschen doch als Leser
gewonnen werden? Ein wichtiges Thema, denn was für Kinder und
Jugendliche zum Problem werden kann, ist für die Zeitungen
längst zu einer Existenzfrage geworden.
Kaum mehr als die Hälfte der heute
zwölf- bis 19-Jährigen schlägt mehrmals in der Woche
die Tageszeitung auf. Was sie dort finden, ist grau in der Optik
und erscheint langweilig, was die Themen angeht: Politik,
Wirtschaft, Feuilleton. Viele Jugendliche verstehen nicht einmal,
was dort überhaupt geschrieben steht. Zu kompliziert die
Zusammenhänge - und zu kompliziert die Sprache. Außerdem
empfinden Jugendliche die Zeitung als ein Medium, mit dem sich nur
Erwachsene beschäftigen. Ein psychologischer Grund, der aber
nicht zu unterschätzen sei, sagte Ingo Barlovic vom
Münchner Marktforschungs- und Beratungsinstitut iconkids &
youth, der sich seit Jahren mit Kindern und Jugendlichen als
Zielgruppe für Werbung beschäftigt. Er kam, genauso wie
andere Marketingfachleute, Kommunikationswissenschaftler und
Journalisten zum Forum Lokaljournalismus, das von der
Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet wurde, um
gemeinsam über Wege zu diskutieren, junge Menschen für
Tageszeitungen zu gewinnen.
Wer heute eine Tageszeitung abonniert hat,
ist in der Regel älter als 40 Jahre. Das Medium Zeitung -
ursprünglich alterslos - kommt in die Jahre, denn die jungen
Leser gehen sukzessive verloren. Doch wo liegen die
Gründe?
Professor Michael Haller, Journalistikdozent
an der Universität Leipzig sieht die Ursachen in einem
veränderten Mediennutzungsverhalten: "Als ich jung war, da
lasen wir die Zeitung, weil wir wissen wollten, was los ist. Lesen
war die Eintrittskarte in die Welt und nicht lästig." Heute,
so Haller, werden Kinder und Jugendliche in eine andere Kultur mit
neuen Medien hineingeboren. Internet, Radio und natürlich das
Fernsehen - die heutigen Jugendlichen hätten "crossmedia schon
im Kopf". "So gibt es zunächst keinen ersichtlichen Grund
für sie, gerade die Zeitung zu lesen", formulierte Haller
provokant. Zumal häufig mit Jugendseiten eine Zielgruppe im
Alter von zehn bis 19 Jahren angesprochen werden solle. Für
Haller schlicht unsinnig. Den größten Fehler, den
Zeitungen machten, sagte er, sei es, nicht genau über ihre
Zielgruppe und deren Interessen Bescheid zu wissen.
In der Marktforschung wird dagegen genauer
differenziert: Ingo Barlovic betonte die Notwendigkeit, die
Bedürfnisse von Kindern und Jugendliche vor, in und nach der
Pubertät stärker zu unterscheiden. Ihre Interessen
änderten sich in diesen Jahren grundsätzlich. Barlovic
sieht den Grund hierfür in der verkürzten Kindheit.
"Körperliche und geistige Prozesse beginnen heute früher
als noch vor zehn, 20 Jahren". Die eigentliche Kindheit schrumpfe
zusammen, die Phase der Jugend hingegen verlängere sich.
"Gerade deshalb sollten Medienmacher wissen, wen sie ansprechen
wollen und welche Interessen ihre Zielgruppe habe. "Lesen sie die
‚Bravo', behalten sie auch die Charts im Auge", riet Barlovic
den Redakteuren, die die Veranstaltung in Leipzig besuchten, "aber
versuchen sie nicht, Zeitschriften zu kopieren. Sie werden
verlieren."
Er kritisierte Jugendseiten als Gettoseiten,
die außer Platten- und Konzertkritiken häufig nicht viel
zu bieten hätten. Besser sollten sich Zeitungsmacher auf ihre
Kernkompetenz besinnen. "Seriosität ist Ihr Benefit", sagte
Barlovic. Es müssten jedoch mehr Leseanreize geschaffen
werden: "Schreiben Sie verständlicher, setzen Sie Farben ein
und bringen Sie mehr Meinung ins Blatt." In einer Welt, in der
vieles nicht zu klappen scheine, suchten Jugendliche nach
Orientierung. Zeitungen müssten mehr erklären, nur so
könnten sie für Jugendliche sinnvoll sein. "Die Jugend
ist pragmatisch, und wenn die Zeitung keinen klar erkennbaren
Nutzwert hat, wird sie auch nicht gelesen." Er riet dazu, Themen
aus der Erlebniswelt von Jugendlichen wie Mode, Trends und Stars
auch für den Wirtschaftsteil zu nutzen. "Warum nicht über
den bekannten Modekonzern XY im Wirtschaftsteil berichten?"
Außerdem helfe es, Themen zu emotionalisieren.
Emotionalisierung als Konzept
Auf Emotionalisierung hat das Redaktionsteam
von "Neon" schon bei der Konzeption gesetzt. "Wir wollten eine
Zeitschrift für Männer und Frauen im Alter zwischen 25
und 35 machen", sagte "Neon"-Redaktionsleiter Michael Ebert. Ein
Magazin für eine heterogene Zielgruppe, die nur über den
emotionalisierenden Satz auf dem Cover "Eigentlich sollten wir
erwachsen werden" zusammenzufassen sei. Dieses Motto biete
genügend Identifikation, so Ebert.
Emotionalisierung ist auch ein Konzept, das
für Bild am Sonntag mit seiner Jugendbeilage "VIVA BamS", die
in Kooperation mit dem Musiksender VIVA entsteht, aufzugehen
scheint. Hier stehen Stars, Mode und Trends im Vordergrund, optisch
bunt verpackt mit viel Bild und schrägen Schnitten, die sich
an den "Sehgewohnheiten von Jugendlichen orientieren",
erklärte BamS-Chefredakteur Claus Strunz. Trotzdem sei auch in
ihrer Redaktion viel Geduld erforderlich gewesen, bis sich erste
Erfolge eingestellt hätten.
Wer Jugendliche zu gewinnen versuche, der
müsse es ernsthaft wollen und einen langen Atem haben, sagte
Strunz. "Es dauert rund zwei Jahre, bis ein Projekt bei den
Adressaten ankommt." Wichtig sei aber neben den Jugendseiten vor
allem die Verzahnung mit dem Hauptblatt, sagte Strunz.
"Jugendseiten sind ein Lasso zum Heranziehen, aber allein reichen
sie nicht." "Bild am Sonntag" sei dazu übergegangen, auch in
anderen Zeitungsteilen regelmäßig "Themen-Inseln"
für Jugendliche zu schaffen. "Es muss für Jugendliche
einen verlässlichen Grund geben, zu lesen." Dies sei bei
lokalen Zeitungen noch nicht genügend zur Entfaltung
gekommen.
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