|
|
Ines Gollnick
Die Bewegliche: Birgitt Bender
Parlamentarisches Profil
Biggi Bender, der Name klingt. Und irgendwie könnte er auch
in einem Drehbuch stehen, in dem eine agile Kommissarin die
Hauptrolle spielt. Kurze Namen sind beliebt im TV-Krimi: Bella,
Thea, Rosa. Doch Biggi Bender heißt eigentlich Birgitt Bender,
sitzt für Bündnis 90/Die Grünen seit 2002 im
Deutschen Bundestag und will seitdem als gesundheits- und
drogenpolitische Sprecherin die Akzente ihrer Partei auf diesem
Politikfeld schärfen.
Das Ziel der Gesundheitsreform, durch neue Strukturen und durch
mehr Eigenbeteiligung der Patienten - ohne die sozial Schwachen zu
überfordern - eine bessere, günstigere medizinische
Versorgung für die Gemeinschaft langfristig zu
gewährleisten, ist in der öffentlichen Diskussion der
Bürger und Bürgerinnen noch nicht so angekommen, wie sich
die Politik das wünscht. "Ich setze da auf Zeit", sagt Bender.
"Denn während die mit der Gesundheitsreform einhergehenden
Belastungen sofort spürbar sind, werden ihre positiven
Auswirkungen auf die Angebotsvielfalt, die Beteiligungsrechte der
Patienten und die Qualität der Gesundheitsversorgung erst nach
und nach sichtbar werden. Aber sie werden sichtbar."
Bender gehört zu denjenigen, die immer wieder auf den gut
informierten, selbstbewussten Patienten setzen. Wie steht es denn
aus ihrer Sicht um die Patientenverantwortung für das
Gesundheitssystem? "An den Bedingungen dafür, dass die
Patientinnen und Patienten gute Informationsangebote erhalten und
sich selbstbestimmt und selbstverantwortlich verhalten, werden wir
dauerhaft arbeiten müssen", so Bender. Mit der
Gesundheitsreform sei dafür bereits einiges getan worden.
Für sie stellen die neuen Beteiligungsrechte für
Patientenverbände und und Selbsthilfezusammenschlüsse
eine "kleine Revolution" dar. Diese würden mittelfristig auf
das ganze Gesundheitssystem ausstrahlen, glaubt sie. Was das
Patienten-Selbstverständnis anbelangt, hält sie fest:
"Besonders wichtig ist mir darüber hinaus, dass möglichst
viele Bürgerinnen und Bürger 'Experten ihrer eigenen
Gesundheit' werden." Dafür könnten aber auch andere
gesellschaftliche Bereiche Anstöße geben, wie etwa die
Schulen.
Auch in ihrem Stuttgarter Wahlkreis geht Bender der
Diskussionsstoff in Sachen Gesundheitsreform nicht aus. Allerdings
erlebt sie, dass sich Menschen dort sehr aufgeschlossen zeigen,
wenn ihnen die Reformen erläutert würden. "Überhaupt
schlägt mir mehr Unsicherheit als Kritik entgegen. Vor allem
die zunächst noch fehlenden Absprachen zwischen Krankenkassen
und Ärzteschaft, zum Beispiel bei den Chroniker-Regelungen,
haben diese Unsicherheit gesteigert. Ich erwarte, dass sich,
nachdem diese Anlaufschwierigkeiten überwunden sind, die
entstandene Aufregung wieder legen wird."
Biggi Bender zog mit einem über Jahre erworbenem
politischem Know-how in den Bundestag ein. 1988 wurde die Juristin
in den Stuttgarter Landtag gewählt, aus dem sie sich 2001
freiwillig verabschiedete. Sie war dort Fraktionsvorsitzende
beziehungsweise Stellvertreterin des Fraktionsvorsitzenden und
leitete unter anderem den Ausschuss für Frauen, Familie,
Weiterbildung und Kunst. 2001 suchte sie Abstand vom politischen
Betrieb und wollte sich eigentlich als Rechtsanwältin
niederlassen, bis sie sich schließlich doch - durch viele
Gespräche überzeugt - für den Bundestag bewarb. "Die
Arbeit in der Berliner Regierungsfraktion ist ungleich reizvoller
als die Opposition im baden-württembergischen Landtag",
hält sie fest. "Fehler wiegen schwerer, Erfolge sind oft in
der Koalition und dann auch noch gegen die Bundesratsmehrheit zu
erkämpfen, aber um so mehr zu feiern. Ich habe oft das
Gefühl, dass es auf mich ankommt und ich deswegen alle
Energien einsetzen muss und will. Im Übrigen schätze ich
den Teamgeist in der Fraktion."
Dass die gebürtige Düsseldorferin mit einem Faible
für großen Ohrschmuck, Jahrgang 1956, ein Bewegungsfan
ist, hat sie sicher auch für den Bundestagsausschuss für
Gesundheit und Soziales qualifiziert. "Ohne körperliche
Bewegung verliert meine Politik", schreibt Bender auf ihrer
Homepage. Unbeweglichkeit mache unkreativ. "Nach 25 Minuten auf dem
Fahrrad weiß ich, worauf es an diesem Tag ankommt - oder ich
kann am Abend den Tag loslassen und Kraft schöpfen für
den neuen." Auf Fahrradtour war Bender schon in den Alpen, im Ural
und in Tadschikistan. Tägliche Wege und gelegentliche Touren
macht sie in Berlin und Stuttgart mit dem Rad. Wenn der
Frühling kommt, werden Sonntagmorgen die Inliner angeschnallt.
An mangelnder Kreativität dürfte es Biggi Bender bei
dieser Bewegegungsfreude nicht fehlen.
Energie und Kreativität kann sie sicher noch
überdurchschnittlich viel gebrauchen, um auch ihre
drogenpolitischen Vorstellungen in die Tat umzusetzen. Bender setzt
sich für die "kontrollierte Freigabe" von "weichen" Drogen wie
Haschisch und Marihuana ein. Es sei inzwischen unbestritten, dass
Cannabis, im Gegensatz zu Alkohol und Tabak, keine physische, zum
Teil jedoch psychische Abhängigkeit verursache. Insofern sei
eine Ungleichbehandlung von Cannabis mit den legalen Drogen Tabak
und Alkohol schwer begründbar. Und die Erfahrungen der
Niederlande mit den "Coffee Shops" zeigten, dass der illegale
Handel kaum noch von Bedeutung sei, sobald legale Verkaufsstellen
existierten, die die Vorgaben des Jugendschutzes erfüllen.
Birgitt Bender geht es in ihrer Politik um die
Entkriminalisierung von Cannabiskonsumenten. Und die Grüne ist
überzeugt, dass ein, verbunden mit der Entkriminalisierung von
Cannabis, verbesserter Jugendschutz möglich sei. Hilfs- und
Beratungsangebote für Jugendliche könnten dann
zielgerichteter umgesetzt werden, gerade wenn der Konsum Ausdruck
von Problemen sei.
Dass die Politik manchmal bewegungsfeindlich sein kann, erlebte
Bender im vergangenen Jahr. Wegen der Konsensverhandlungen zur
Gesundheitsreform verzichtete sie auf ihre geplante Tour durch die
kanadischen Rocky Mountains. Wahrscheinlich holt sie das diesen
Sommer nach.
Zurück zur
Übersicht
|