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Das Parlament
Nr. 07-08 / 16.02.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Bert Schulz

Aufgekehrt...

Gerhard Schröder wird der Mann mit dem kunstvollen Namen Stefano Stefani noch in guter, weil schlechter Erinnerung sein: Vergangenen Sommer vereitelte er dem deutschen Kanzler den ersehnten Urlaub in Bella Italia. Der damalige Tourismus-Staatssekretär drosch kräftig auf die deutschen Italienbesucher im Allgemeinen ein - und auch wenn das "nur" mit Worten geschah, reichte es, um Schröder zum Boykott zu bewegen. Schließlich schäumte die deutsche Volksseele. Stefano Stefanie kostete die Schimpfkanonade kurz darauf seinen Posten. "So ein Scheiß'", dürfte sich der offensichtlich heißblütige Italiener gedacht haben.

Stefanis Verbalattacke auf die Deutschen war kein einmaliger Ausrutscher des degradierten Abgeordneten von der Lega Nord. Einen oppositionellen Parlamentskollegen bezeichnete er als "pezzo di merda" - also als ein Stück dessen, was der Körper nach der erfolgreichen Verdauung wieder ausscheidet.

Verständlich, dass der so Beschimpfte diese Beleidigung nicht auf sich sitzen lassen wollte und gegen Stefani klagte. "Eine solche Fäkalsprache kann ja wohl nicht erlaubt sein im Parlament", dürfte sich der verbal Beschmutzte gedacht haben.

Jetzt ist sie's. Denn in ihrer unnachahmlich galanten Art, unkonventionelle Lösungen für einfache Probleme zu finden, haben sich die italienischen Abgeordneten Anfang Februar schlicht und einfach ein neues Privileg zugestanden. Sie dürfen sich jetzt freizügig beschimpfen, Ausdrücke aus der Fäkalsprache sind ausdrücklich erlaubt. Eine satte Mehrheit von 265 gegen 156 Stimmen machte diese Weiterentwicklung der innerparlamentarischen Kommunikation möglich. So kann jetzt jeder italienische Abgeordnete seine gute Kinderstube mit dem Hinweis auf die neuen Regeln konsequent verleugnen.

Für deutsche Italienurlauber heißt das ab jetzt: Reisewarnung, äußerste Vorsicht! Wenn Sie zwei sich derb beschimpfende, aber gut gekleidete Menschen sehen, könnte es sich um italienische Abgeordnete handeln, die lediglich gewohnt heißblütig die just im Parlament beendete Debatte auf der Straße weiterführen. Halten Sie an sich und schreiten Sie nicht ein, sonst werden Sie möglicherweise selbst Opfer der Schimpfkanonaden. Und das führt ja bekanntlich gleich wieder zu Staatskrisen mittleren Ausmaßes.

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