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Das Parlament
Nr. 14 / 29.03.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Dieter H. Michel

Bittere Pillen aus Magdeburg

Sachsen-Anhalt: Rosskur für Universitäten und Hochschulen

Studenten streiken auch in Magdeburg und Halle. Wie in Frankfurt, Leipzig und Berlin laufen sie Sturm gegen Kürzungspläne der Landesregierungen, gehen auf die Straße, besetzen Vorlesungsräume und protestieren selbst auf dem tief verschneiten Brocken. Zur Unterstützung der Professoren und Studenten der vom Abbau besonders betroffenen landwirtschaftlichen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tuckerten sogar 70 Traktoren des Landesbauernverbandes im Demonstrationszug durch die Saalestadt Halle.

Sachsen-Anhalts Kultusminister Professor Jan-Hendrik Olbertz (parteilos) befindet sich in der Kostenfalle. Weil das ganze Land sparen muss, sollen auch die Hochschulen ab 2006 zehn Prozent ihrer Mittel einsparen. Von knapp 30 Millionen Euro ist die Rede, eine Hälfte davon sollen niedrigere Personalkosten durch einen neuen Tarifvertrag erbringen, der die Arbeitszeit und die Gehälter der Angestellten um fünf bis 7,5 Prozent absenkt sowie Weihnachts- und Urlaubsgeld der Beamten reduziert.

Und der Rest? Ausgerechnet bei der Bildung zu sparen, hält selbst Professor Olbertz für nicht unbedingt klug. Aber durch Umstrukturierungen, Konzentration, Profilierung und Schwerpunktbildung seien jene Fachbereiche zu stärken, in denen Spitzenleistungen erbracht werden sollen. Doppelangebote müssen vermieden, Kooperationsbeziehungen zwischen den Hochschulen gepflegt werden. Um das zu erreichen, verweist der 1954 in Berlin geborene Professor Olbertz, der 1973 sein Abitur in Rostock ablegte, darauf, dass es unter den derzeit 320 Studiengängen im Land auch eine Vielzahl kleiner und kleinster Angebote gebe.

Etwa ein Viertel dieser Studiengänge werde weitgehend gleichartig an mehreren Orten, also doppelt, zum Teil mehrfach vorgehalten. Zum Beispiel könne man Ingenieurwissenschaften, Elektrotechnik und Maschinenbau an mehreren Standorten studieren, ein Studium in Architektur und Bauwesen werde von zwei Hochschulen angeboten. "Wir können uns das nicht nur aus finanziellen Gründen künftig nicht mehr leisten. Die Angebote machen sich gegenseitig die Ressourcen streitig", argumentiert der Minister, der ab1985 selbst Oberassistent an der Martin-Luther-Universität war.

Konkrete Beispiele: Um die Bildungslandschaft zu straffen, könnten Professor Olbertz zufolge die künst-lerische Musikausbildung und die der Musiklehrer in Halle konzentriert werden. Dies sollte in Kooperation mit der Hallenser Hochschule für Kirchenmusik ge-schehen. Die Ingenieurwissenschaften sollten in Magdeburg ihre Heimstatt finden. Für die in Magdeburg 1953 als Hochschule für Schwermaschinenbau gegründete und 1987 zur Technischen Universität "Otto von Guericke" weiter entwickelte Lehranstalt nur folgerichtig. Lehrerbildung könnte dagegen künftig an der Mar-tin-Luther-Universität konzentriert werden, die in der Tradition eines Zentrums der Aufklärung steht, das schon im Jahre 1694 gestiftet und1817 mit Wittenberg vereinigt worden war.

Statt Architektur und Bauwesen an mehreren Standorten sollten Traditionen gepflegt werden. Die Architekturausbildung sollte in Dessau an die Tradition des Bauhauses anknüpfen, das 1996 in das Unesco-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Die Fachrichtung Bauwesen sollte sich in Magdeburger Tradition sehen. All dies würde erhebliche Reserven im Hochschulsystem aufdecken und könnte helfen, die Landeskasse zu konsolidieren.

Wie nötig das ist, kann Professor Olbertz belegen: Allein für Zinszahlungen einer Woche braucht das Land das komplette Jahresbudget einer Fachhochschule (!). Im Ergebnis einer jahrelang verfehlten Ausgabenpolitik müsse das Land jeden Tag 2,5 Millionen Euro allein an Zinsen ausgeben. Was Olbertz unter einer besseren Strukturierung versteht, macht er am Beispiel der Fachhochschule Magdeburg/Stendal deutlich: Sie müsse weiter stark und attraktiv gemacht werden. "Doch Studiengänge wie Medienmanagement und Journalistik gehören meiner Ansicht nicht nach Stendal sondern in die Landeshauptstadt, wo Nachrichtenagenturen und die Landespressekonferenz arbeiten, wo Zeitungen herausgegeben werden und Rundfunk und Fernsehen ihre Wirkungsstätten haben." Andererseits sollten um die erfolgreich in Stendal aufgebaute Rehabilitationspsychologie auch die Heilpädagogen ausgebildet werden, die jetzt noch aus Magdeburg kommen.

Der Minister gegenüber "Das Parlament": "Von allen Hochschulen habe ich akzeptable Pläne und Konzepte zur künftigen Hochschulstruktur erhalten. Die Vorschläge dazu wurden in wesentlichen Punkten aufgegriffen." Ihn habe diese Resonanz ermutigt, das Ziel der Hochschulstrukturplanung "in großen Schritten anzugehen". Lediglich von der Fachhochschule Magdeburg-Stendal erwarte er noch ein Konzept.

Wichtig sei für ihn, nicht mit Berechnungen anzufangen. "Wir wollten erst einmal die Struktur diskutieren. Jetzt kommt die Feinarbeit an die Reihe. Dabei geht es dann auch um die Einsparpotentiale. Im März wird es eine zweite Runde dieser Gespräche geben." Für den Minister erfreulich: "Studenten haben an den Anhörungen teilgenommen, haben sich in schriftlichen Stellungnahmen zu unseren Überlegungen ge-äußert und mit eigenen Vorschlägen Stellung bezo-gen." Den Grundstein dazu hatte der Professor selbst in einem offenen Brief an die Studenten gelegt, in dem er sie mit einiger Dringlichkeit aufforderte, "sich Veränderungen aufzuschließen, anstatt lediglich den Status quo zu verteidigen".

Im April wird das Kabinett den überarbeiteten Plan der Hochschulstruktur beraten. "Danach wird es ein neues Gesetz geben", so der Minister. Bis zum Sommer soll die Planung beendet sein. Die Studentenzahl solle mit rund 33.000 auch in Zukunft stabil bleiben. Da es nach der demografischen Entwicklung in wenigen Jahren bedeutend weniger studierwillige Jugendliche geben werde, seien die Hochschulen gefordert, ihre Angebote attraktiv und interessant auch für Studenten aus anderen Bundesländern und dem Ausland zu machen. Dieter H. Michel

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