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Das Parlament
Nr. 17 / 19.04.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Rolf Helfert

Idee ohne Wurzeln

Der Liberalismus in Polen

Das liberale westliche Wirtschaftsmodell verhieß nach 1989 "eine neue Gesellschaft, die es so rasch wie möglich zu errichten" galt. Der anfängliche Optimismus, dass in Polen eine starke liberale Partei entstehen könnte, verblasste rasch. Jerzy Szaki, geboren 1929, "Ideenhistoriker" und Sozialwissenschaftler, untersucht die junge Pflanze des Liberalismus in Polen.

1989 schätzten viele Polen die liberale Ökonomie als "natürliche" Alternative zum verkarsteten "Realsozialismus". Doch das ersehnte "Wirtschaftswunder" fand nicht statt; der kapitalistische "Liberalismus" schlug keine Wurzeln. Auch Demokraten fürchten das "Risiko des marktwirtschaftlichen Kampfes ums Dasein", und attraktive bürgerliche Programme existie-ren nicht. Sogar der polnische Mittelstand meide die "Freiheitsunion" des Leszek Balcerowicz.

Andere polnische Parteien vertreten kaum liberale Grundsätze. Kritiker der Liberalen werfen ihnen Nachahmung des Kapitalismus vor, Missachtung polni-scher Traditionen, soziale Ungleichheit, Abbau des Wohlfahrtsstaates, Vernachlässigung der Demokratie. Der Liberalismus enthülle sich in Polen als "reine Idee", künstlich geschöpft aus westlichen Schriften, hastig und dogmatisch konstruiert. Heute stünden die Liberalen am Rand der polnischen Gesellschaft.

Ostmitteleuropa konnte feudale Strukturen lange Zeit nicht abstreifen. Die "goldene Freiheit" des polnischen Kleinadels, der Schlachta, einer sozial privilegierten Kaste, die das Land ruinierte, förderte keineswegs liberales Denken. Nicht individuelle Freiheit und wirtschaftliche Modernität vertrat der polnische Adel, sondern er zementierte "archaischen Kollektivismus" und ökonomische Rückständigkeit. Insofern Liberalismus und Kapitalismus einander bedingen, sei festzustellen, dass kapitalistische Verhältnisse in Polen marginal blieben. Während der Teilungsepoche fanden liberale Doktrinen wenig Aufmerksamkeit. Am Ende dieses Buches steht nur Ratlosigkeit. Jedoch muss es nicht schaden, dass Polen neoliberale Maximen der eigenen Tradition anpasst. Rolf Helfert

Jerzy Szaki

Der Liberalismus nach dem Ende des Kommunismus.

Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2003, 389 S., 34,90 Euro

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