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Das Parlament
Nr. 17 / 19.04.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Detlev Lücke

Editorial

Alexander Puschkin hat in seiner Erzählung "Der eherne Reiter" Zar Peter dem Großen die Worte in den Mund gelegt: "Von der Natur ist es uns hier beschieden, das Fenster nach Europa aufzustoßen." Wenn man an die zehn Beitrittskandidaten denkt, die am 1. Mai Mitglieder der Europäischen Union werden, brauchten sie ihre Fenster gar nicht erst nicht zu öffnen. Für sie ist der Begriff der EU-Osterweiterung mehr als unpräzise, denn sie sind auch zu Zeiten der Kalten Krieges ein zwar abgetrennter, aber stets immanenter Bestandteil des Europäischen Hauses gewesen.

Dieser Tatbestand spiegelt sich in fast allen Texten dieser Ausgabe, die sich den neuen EU-Ländern Slowakei, Slowenien und Ungarn widmet. Die drei Staaten verbindet weit mehr als das gemeinsame Datum des Beitritts zur Europäischen Union. Sie haben auf sehr unterschiedlichen Wegen und mit sehr unterschiedlichem Erfolg ihre nationale Unabhängigkeit und ihre kulturelle Eigenständigkeit erkämpft. Ein angemessen großer Teil der 16 Seiten zum Thema widmet sich deshalb der oft blutigen Geschichte der jeweiligen Staatswerdung sowie der Sprache und Kultur dieser Länder. Was sie außerdem gemeinsam haben, ist eine jahrhundertelange Existenz unter der Herrschaft der österreichischen Krone. Die Habsburger Dynastie gönnte allerdings, anders als ihr preußisches Pendant, den vielsprachigen Untertanen ein gewisses Eigenleben in autonomen Strukturen. Das entfaltete sich recht unterschiedlich. Norbert Mappes-Niediek beschreibt in seinem Text über den Weg Sloweniens zur Unabhängigkeit, wie Österreich am Ende des verlorenen Ersten Weltkrieges dem südlichen Nachbarn eine gewisse Eigenständigkeit zubilligen wollte, die Slowenen aber höflich ablehnten. Sie mussten dann allerdings noch einige Jahrzehnte warten, bis über den Weg Jugoslawien 1991 ein Staat Slowenien entstand. Zwei Jahre später folgte die Slowakei, die sich von Tschechien trennte. Sie wiederum war eng mit Ungarn verbunden gewesen, dessen Staatsgebiet sie in weiten Teilen bis 1918 war. Texte von Franz Schäfer und Thomas von Ahn beschreiben diese von Unterdrückung gekennzeichnete Liaison. Aus dem Mäander der Geschichte Südosteuropas ergeben sich höchst aktuelle Probleme, wie beispielsweise die Situation der ungarischen Minderheit in der Slowakei, Rumäniens, Serbiens und der Ukraine. Es bleibt zu hoffen, dass nach dem Beitritt zur Union ein entspannteres Verhältnis der Völkerschaften erwächst, die sich in diesem Teil Europas schon immer in besonderem Maße mischten. Die EU könnte hier ein Labor des Zusammenlebens werden mit Beispielcharakter für die geplanten Beitritte von Rumänien, Bulgarien und Kroatien.

Zsófia Fülep, Reinhold Vetter, Kathrin Lauer, Ulrich Schneider und andere widmen sich in ihren Beiträgen vor allem den politischen und wirtschaftlichen Perspektiven, die sich für diese Länder aus der neuen Konstellation ergeben. Dabei geht es auch um Erfolgsstories wie der Qualifizierung der ungarischen Wirtschaft auf dem Weltmarkt. Gerade erst hat der EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen möglichen Ängsten der Deutschen vor dem 1. Mai 2004 widersprochen und darauf hingewiesen, dass die Bundesrepublik von der Osterweiterung profitieren werde. Die neuen EU-Mitglieder seien erheblich besser auf die anstehende Erweiterung vorbereitet als viele frühere Beitrittsländer.

Diese Themenausgabe, mit der wir die Vorstellung der "Neuen" abschließen, wenn man von einer Zypernseite in der nächsten Ausgabe absieht, widmet sich aber in Bild und Text auch den lanschaftlichen Schönheiten von Slowenien, Slowakei und Ungarn. Balaton, Karpaten und die südliche, steirische Seite der Alpen sind beliebte und weitgehend bekannte Urlausbziele der Deutschen. Anderes kann nun neu besichtigt werden. Die Fenster der zukünftigen Mitgliedsländer sind für Besucher weit geöffnet. Investoren und Touristen sind bei ihnen gleichermaßen willkommen. Diese werden zwar neue EU-Länder, aber kein europäisches Neuland betreten. Detlev Lücke

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